«Er hat eine grosse Bedeutung»
28.11.2025 Politik, WohlenPolit-Jubiläum
Am 5. Dezember 1965 wurde in Wohlen erstmals ein Einwohnerrat gewählt. Das Dorfparlament feiert also sein 60-jähriges Bestehen. Eine grosse Jubiläumsfeier wie vor zehn Jahren gibt es heuer jedoch nicht. Die letzten sechs ...
Polit-Jubiläum
Am 5. Dezember 1965 wurde in Wohlen erstmals ein Einwohnerrat gewählt. Das Dorfparlament feiert also sein 60-jähriges Bestehen. Eine grosse Jubiläumsfeier wie vor zehn Jahren gibt es heuer jedoch nicht. Die letzten sechs Einwohnerratspräsidenten ordnen ein und blicken zurück. --dm
Der Einwohnerrat wird im Dezember 60 Jahre alt: Die Ratspräsidenten der letzten zehn Jahre ordnen ein
Vor 60 Jahren wurde der erste Einwohnerrat in Wohlen gewählt. Das Parlament hat sich bei einer so grossen Gemeinde bewährt – auch wenn es ab und zu Kritik gab. «Die einen schätzen ihn, andere motzen lieber», sagt beispielsweise die ehemalige Einwohnerratspräsidentin Ariane Gregor. Die Einordnung durch ehemalige Präsidenten fällt positiv aus.
Daniel Marti
Das 50-Jahr-Jubiläum wurde noch ausgiebig und gediegen gefeiert. Regierungsrat Stephan Attiger kam nach Wohlen. Er gratulierte und zollte dem halben Jahrhundert Dorfparlament in Wohlen Respekt. Es war ein gehaltvoller Abend damals in der Kanti. Moderiert von der damaligen Einwohnerratspräsidentin Ariane Gregor (damals CVP, heute Mitte). Nun feiert der Einwohnerrat Wohlen sein 60-jähriges Bestehen – allerdings ohne allzu grosses Aufsehen.
Am 5. Dezember 1965 wurde erstmals in Wohlen das Dorfparlament gewählt. Jetzt, am Montag, 8. Dezember, an der nächsten Einwohnerratssitzung findet das 60-Jahr-Jubiläum doch noch Erwähnung. Ein kurzer «Festakt» ist dann geplant. Immerhin.
Seit der Gründung hat sich politisch einiges getan in Wohlen. Vor dem Einwohnerrat wurden ganz viele bedeutungsvolle Projekte behandelt. Von den verschiedenen Schulzentren über Badi, Eisbahn bis hin zum Sportzentrum Niedermatten oder zum Sportpark Bünzmatt (Schüwo-Park). Der Einwohnerrat ist Garant für vielfältige Diskussionen. Sein Stellenwert ist ungebrochen hoch.
Nur, wie hat sich das Dorfparlament seit dem letzten grossen Jubiläum verändert? Wie ist sein Standing? Befragt wurden die ehemaligen Höchsten im Dorf seit der 50-Jahr-Feier: Ariane Gregor (Mitte), Andrea Duschén (FDP), Edi Brunner (SVP), Meinrad Meyer (Mitte), Cyrille Meier (SP) und der amtierende Einwohnerratspräsident Marc Läuffer (SVP).
Ariane Gregor: «Die Stellung schwankt»
Wie wird die Bedeutung des Einwohnerrates eingestuft? Was ist gut, allenfalls weniger gut? Und wie gut wird das Volk durch den Einwohnerrat überhaupt vertreten? Diese Fragen gingen ans Sextett.
«Der Einwohnerrat bringt viele verschiedene Stimmen, Altersgruppen und politische Farben an einen Tisch und sorgt damit für eine lebendige, breit abgestützte Diskussion», sagt Ariane Gregor. Allerdings schwanke seine Stellung in der Gemeinde etwas, so Gregor weiter. «Die einen schätzen ihn als wichtiges Parlament, andere motzen lieber darüber. Insgesamt sitzen dort aber Menschen, die sich ernsthaft für das Gemeinwohl ins Zeug legen und Lob verdienen.»
Ariane Gregor ist überzeugt davon, dass die Vertretung des Volkes «insgesamt recht gut gelingt, weil der Rat breit durchmischt ist und viele Sichtweisen abbildet». So sei auch klar, dass parteilose Stimmen teilweise fehlen, «und wer grundsätzlich keine Position hat oder einfach nur nörgelt, landet selten im Rat. Trotzdem entsteht ein Abbild der engagierten und konstruktiven Bevölkerung», so Arianne Gregor. Und sie sei gespannt auf die neue Zusammensetzung des Rates. «Die Kandidierenden versprechen jedenfalls grosses Potenzial und gute Durchmischung in Alter, Geschlecht, Interessen und Berufen.»
Andrea Duschén: «Diese persönlichen Angriffe …»
Auf Ariane Gregor folgte Andrea Duschén als Einwohnerratspräsident. Für ihn ist der Einwohnerrat «ein wichtiges politisches Gremium in Wohlen. 40 interessierte Einwohnerinnen und Einwohner befassen sich intensiv mit den Geschäften der Gemeinde und diskutieren darüber.» Das sei schon mal gut. Oft gebe es allerdings lange Sitzungen, «die nicht nötig wären, würde man sich vorab informieren», das sei weniger gut. Und Duschén nennt ein Beispiel: «Die Budgetsitzung im Einwohnerrat Lenzburg dauerte zu meiner Amtszeit 30 Minuten – bei uns fünf Stunden! Auch persönliche Angriffe kommen leider immer wieder vor.» Diese Kritik ist natürlich berechtigt.
Dagegen wird laut Andrea Duschén, «das Volk im Parlament gut abgebildet. Bei einzelnen Abstimmungen und Referenden, wie zum Beispiel beim Grüngut, konnte die eine Seite einfach besser mobilisieren als die andere. Beim Schulraum sieht es etwas anders aus. Aber im Grossen und Ganzen vertritt der Einwohnerrat die Meinung des Volkes gut», so der letzte freisinnige Einwohnerratspräsident.
Edi Brunner: «Die Stellung kann beim Volk leiden»
Die Bedeutung des Einwohnerrates könne nicht so einfach beantwortet werden, meint Edi Brunner, der das Präsidium von Andrea Duschén übernommen hat. Das Dorfparlament trage eine grosse Verantwortung. «In den meisten Fällen wurden volksnahe und intelligente, sachbezogene Entscheidungen gefällt, die auch die Akzeptanz im Volk stärkten.» Leider agiere der Einwohnerrat «manchmal zu sehr parteibezogen», kritisiert Brunner. «Ich hatte manchmal das Gefühl, dass persönliche Meinungen den parteiinternen Interessen hintenanstehen müssen. Dies kann bewirken, dass der Einwohnerrat zeitweise die Glaubwürdigkeit im Volk verliert. Demzufolge kann auch die Stellung des Dorfparlamentes bei den Wählern leiden.» Edi Brunner wählt also eine kritische Auseinandersetzung mit dem Dorfparlament.
Edi Bruner weiter: «Die 40 Mitglieder des Einwohnerrates vertreten einen kleinen Teil der Bevölkerung. Da jedoch ein grosser Teil der Bevölkerung keiner Partei angehört, werden diese Kreise der Bevölkerung nicht oder nur sehr schlecht im Einwohnerrat vertreten.» Nur sei halt jede Person selbst schuld, «die nicht am politischen Leben teilnehmen will. Nur wenn man sich selbst bemüht, kann man einen gewissen Einfluss ausüben.» Das Volk werde daher so gut vertreten, wie es ein Grossteil der Bevölkerung freiwillig wolle. «Etwas mehr Mitarbeit der Bevölkerung wäre durchaus wünschenswert», sagt Edi Brunner.
Meinrad Meyer: «Wohl eine Wohlstandserscheinung …»
Auf Edi Brunner folgte Meinrad Meyer als höchster Wohler. Und dieser kann dem Dorfparlament viel Gutes abgewinnen: «Für eine Gemeinde mit gut 18 000 Einwohnern und über 8000 stimmberechtigten Bürgerinnen und Bürgern hat der Einwohnerrat eine sehr grosse Bedeutung. Der Einwohnerrat übernimmt wichtige Aufgaben zwischen der Bevölkerung und den Behörden.» Und der Einwohnerrat gewährleistet laut Meyer einen effizienten Ablauf der Geschäfte, «die mit Gemeindeversammlungen nicht wirtschaftlich zu bewältigen wären». Der Einwohnerrat verkörpert die gesetzgebende Gewalt, «auch in Wohlen». Leider sei das Engagement junger Menschen für die Politik nicht mehr so vorhanden. «Vermutlich ist das eine Wohlstandserscheinung», urteilt Meinrad Meyer.
Das Volk habe die Möglichkeit, die Volksvertreter zu wählen, «das zeigt, wie wichtig es ist, wählen zu gehen». Das Volk sei somit bestmöglich im Einwohnerrat vertreten. «Will man etwas zur Gesellschaft beitragen oder verändern, ist die Wahl in den Einwohnerrat der richtige Weg», sagt Meinrad Meyer. «Dieses Engagement in der Politik ist wichtig für unsere Demokratie und unsere Freiheit.»
Cyrille Meier: «Vertieft komplexe Geschäfte behandeln»
Für Cyrille Meier – er folgte Meinrad Meyer – vertritt der Einwohnerrat die Interessen der Bevölkerung. «Vor allem in einer grossen Gemeinde wie Wohlen erachte ich es als sinnvoll, auf ein Dorfparlament zu setzen.» So können sich die 40 Mitglieder vertieft mit den «komplexen Geschäften, die unsere Gemeinde betreffen, auseinandersetzen und dann mit fundiertem Wissen entscheiden. Die meisten Beschlüsse, die vor die Wahlurne gingen, wurden anschliessend jeweils von der Stimmbevölkerung bestätigt wie der Busbahnhof, Sanierung Schüwo-Park oder Haldenschulhaus.»
Grundsätzlich werde das Volk mindestens durch den Anteil der Bevölkerung, «der regelmässig den Einwohnerrat durch die Urne bestimmt, gut vertreten», glaubt Meier. «Die verschiedenen politischen Parteien repräsentieren dementsprechend die unterschiedlichen Ansichten des Volkes. Wünschenswert wäre, wenn jeweils bei den Einwohnerratswahlen die Wahlbeteiligung höher wäre, so wäre die Repräsentativität des Volkes noch genauer abgebildet», betont Meier.
Marc Läuffer: «Politische Situation wird abgebildet»
Und wie beurteilt der amtierende Einwohnerratspräsident Marc Läuffer die Bedeutung des Dorfparlaments? Dass der Einwohnerrat «direkt durch das Volk gewählt wird, für Transparenz und Kontrolle der Exekutive steht», findet er sehr positiv. «Der Einwohnerrat ist das geeignete Instrument, um die politischen Meinungen in Wohlen abzubilden und entsprechende Beschlüsse zu fassen», so Läuffer. Die Zusammenarbeit werde allerdings manchmal «durch ideologische Partei-Taktik erschwert», kritisiert er. «Sachpolitik sollte im Vordergrund stehen.»
Dass das Volk durch den Einwohnerrat gut vertreten ist, steht für Marc Läuffer ausser Frage: «Dadurch, dass alle vier Jahre das Stimmvolk seine Vertreter im Einwohnerrat wählen kann, ist sichergestellt, dass die jeweilige politische Situation abgebildet wird.» Marc Läuffer nennt ein Beispiel: «Vor vier Jahren feierte Grün/GLP Wahlerfolge. Man darf gespannt sein, ob übermorgen Sonntag die Verhältnisse gleich bleiben.»

