Eine Saison zum Küssen
13.12.2024 SportJubiläum des Wintermärchens
Vor genau 10 Jahren feierte der FC Wohlen den grössten Erfolg der 120-jährigen Vereinsgeschichte
Ein kleines Fussballwunder. Mit wenig Budget und viel Herz feierte der FC Wohlen vor zehn Jahren einen ...
Jubiläum des Wintermärchens
Vor genau 10 Jahren feierte der FC Wohlen den grössten Erfolg der 120-jährigen Vereinsgeschichte
Ein kleines Fussballwunder. Mit wenig Budget und viel Herz feierte der FC Wohlen vor zehn Jahren einen historischen Erfolg.
Stefan Sprenger
«Meister. Wintermeister.» – Die Spieler des FC Wohlen singen und feiern ihren Erfolg. In der Garderobe spritzt der Champagner. Der Erbauer dieses Erfolgs ist Trainer Ciriaco Sforza. Dieser schiebt die Lorbeeren an alle anderen ab: «Unglaublich, was diese Mannschaft in der Vorrunde geleistet hat», sagt der (damals) 44-Jährige.
1650 Zuschauer sind beim letzten Spiel der Vorrunde der Saison 2014/15 in den Niedermatten in Wohlen mit dabei. Samir Ramizi trifft in der Schlussphase zum 1:0-Sieg. Bei Gegner Winterthur steht Manuel Akanji (heute bei Manchester City) auf dem Platz und Jürgen Seeberger an der Seitenlinie (heute FC-Mutschellen-Trainer). Mit diesen drei Punkten ist das Wohler Wintermärchen perfekt. Mit einem der kleinsten Budgets im Schweizer Profifussball schafft es dieses Team, die Challenge League aufzumischen. Der FC Wohlen in der «Sforza-Saison» 2014/15 war gespickt mit ganz vielen starken Spielern, die später den Sprung in die Super League schaffen werden. Am Ende der Saison ist es der 2. Rang. Vielleicht hätte es für mehr gereicht, wenn man nicht vorzeitig entschieden hätte, auf einen allfälligen Aufstieg zu verzichten.
Diese Zeitung blickt zurück auf die Spieler von damals (und was aus ihnen wurde) und spricht heute – 10 Jahre danach – mit dem damaligen Trainer Sforza, der sagt: «Diese Saison war etwas ganz Besonderes.»
Vor genau 10 Jahren feierte der FC Wohlen den Wintermeistertitel in der Challenge League
Samir Ramizi erlöst den FC Wohlen in der 83. Minute. 1:0-Sieg, Wintermeister, es wird gefeiert. Am Ende der Saison 2014/15 hat der FC Wohlen 64 Punkte geholt, steht auf dem 2. Rang. Es ist die beste Saison der 120-jährigen Vereinsgeschichte.
Stefan Sprenger
«So etwas ist selten passiert», meint Ciriaco Sforza, der damalige Trainer, wenn er 10 Jahre zurückblickt. Nun, so etwas ist in der Geschichte des FC Wohlen noch gar nie passiert. Am 7. Dezember 2014 sind 1600 Zuschauer in den Niedermatten dabei, das letzte Spiel vor der Winterpause. Das Wetter kalt, der FC Wohlen heiss. Samir Ramizi erzielt das goldene Tor. 1:0-Sieg. Wintermeister. Halbzeit im Märchen der Saison 2014/15.
«Grossartiges geleistet»
Sforza meint: «Da darf man stolz sein. Wintermeister in der zweithöchsten Spielklasse. Da darf man auch gratulieren, der Vereinsführung, dem Staff, allen Spielern, die damals dabei waren. Wir haben gemeinsam etwas Grossartiges geleistet», so Sforza. Wenn er zurückdenkt an die Gründe für den damaligen Erfolg, sagt er: «Es herrschte eine gute Energie. Fussballerisch und menschlich. Wir hatten viel Qualität und manchmal auch ein wenig Glück.» Der FC Wohlen überrascht in jener Saison die ganze Fussballschweiz. Der kleine Verein mit überschaubarem Budget spielt vorne mit. Im Schweizer Cup wird gar Meister FC Basel vor 4100 Zuschauern an den Rand einer Niederlage gebracht (Basel siegt am Ende durch ein Tor von Breel Embolo mit 1:3). Am Ende jener Saison hat der FC Wohlen 36 Spiele, 20 Siege und 64 Punkte. In der Tabelle schafft es der FC Wohlen auf den starken zweiten Rang (weil Servette Genf aufgrund fehlender Lizenz absteigt und als Tabellenletzter gewertet wird).
«Dürfen stolz sein»
Sforza erinnert sich: «Es war besonders. Der ganze Verein, die ganze Region, alle, die involviert waren, dürfen stolz sein, was wir zusammen erreicht haben.» Man spürt, er will nicht als grosse Lichtgestalt dastehen. Und ja, jener Erfolg von 2014/15 war das Ergebnis von vielen richtigen Entscheidungen und vielen engagierten Menschen und starken Fussballern. Aber eben: Als Champions-League-Sieger und früherer Nati-Captain hatte Sforza natürlich grossen Anteil. Nicht umsonst wird jene Spielzeit 2014/15 auch als «Sforza-Saison» bezeichnet. Er betonte damals immer, der FC Wohlen sei für ihn eine «Herzensangelegenheit». Bei vielen wäre dies eine Floskel. Bei Sforza pure Ehrlichkeit. Er überzeugte damals die ganze Fussballschweiz, was für ein guter Trainer er ist.
Lange Zeit war der FC Wohlen an der Tabellenspitze, spielte im Meisterrennen mit. Bis der Entscheid (fünf Runden vor Schluss) gefällt und kommuniziert wurde, dass Wohlen definitiv nicht in der Super League spielen wird – auch wenn man den ersten Platz erreichen sollte. Die Gründe waren nicht sportlicher, sondern infrastruktureller und finanzieller Natur. Irgendwie verständlich. Irgendwie auch nicht. Beim Team war fortan jedenfalls die Luft draussen. Der Endspurt verfälscht. Sforza sagte damals: «Wäre dieses Statement später kommuniziert worden, wäre das Saisonende anders verlaufen.» Und heute meint er: «Schade, dass wir damals nicht aufsteigen durften. Ich glaube, wir hätten den Aufstieg geschafft.» Man habe den Entscheid akzeptiert, «damals wie auch heute».
Viele Spieler der Glanzsaison schafften danach den Sprung in die Super League. Auch Sforza, der zum FC Thun ging. Heute ist Sforza Trainer des FC Schaffhausen in der Challenge League. Ein eher kleiner Verein mit überschaubarem Budget. «Das Team zeigt Herz, hat eine gute Energie, ist jung und unerfahren. Aber wir können mithalten.» In der Saison 2024/25 wird der FC Schaffhausen keinen Wintermeistertitel feiern, man steht auf dem 9. Rang mit 16 Punkten.
Zur Glanzsaison 2014/15 sagt er: «Es muss vieles stimmen und man muss die Energie auf den Platz werfen, sonst ist alles nur Gerede.» Sforza ergänzt: «Die Saison 2014/15 ist eine schöne und erfolgreiche Erinnerung. Wir haben in Wohlen etwas Grossartiges geschaffen.» Und etwas Unvergessliches.