Eine Kämpferin par excellence
30.03.2023Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran bei der SP Wohlen im Schlössli
Sie ist so etwas wie der Fels in der Brandung der Schweizer Sozialdemokratie. Standhaft, wortgewaltig, ehrlich. Analytisch stark. Jacqueline Badran ist auch nie verlegen, mit ...
Die Zürcher Nationalrätin Jacqueline Badran bei der SP Wohlen im Schlössli
Sie ist so etwas wie der Fels in der Brandung der Schweizer Sozialdemokratie. Standhaft, wortgewaltig, ehrlich. Analytisch stark. Jacqueline Badran ist auch nie verlegen, mit Argumenten zu protzen und zu punkten – ob bei der SRF-«Arena» oder im Schlössli bei der SP Wohlen.
Daniel Marti
Zugegeben, sie polarisiert, sie provoziert, sie ist angriffslustig. Und wenn es sein muss, gestikuliert sie und unterstützt jedes Wort mit irgendeiner Handbewegung. Wenn Jacqueline Badran auftritt, dann wird das Publikum gut unterhalten, auch mal aufgeklärt, und Argumente des politischen Gegners werden zerzaust. Jacqueline Badran, seit 2011 Nationalrätin, könnte auch Entertainerin sein. Die Unternehmerin geizt nie mit klaren Statements. Und sie will ihre SP im Wahlherbst zu den Siegerinnen pushen. Auch das hat sie im Schlössli bei der SP Wohlen klar unterstrichen.
Boni-Verbot schon vor 15 Jahren gefordert
«Es braucht eine starke Sozialdemokratie», betonte die 61-Jährige bei der Vorstellung der drei Kernthemen: Gleichstellung, Klimakrise, Kaufkraft. Für die Gleichstellung von Mann und Frau sei «unglaublich viel erreicht worden», so Badran. Und dies ausschliesslich wegen der SP. Frauenstimmrecht, Arbeitsbedingungen, Familienrecht.
Die SP habe teilweise 40 Jahre lang dafür kämpfen müssen. Sie selbst war 26 Jahre alt, als der Grundsatz «Der Mann ist das Oberhaupt der Familie» bekämpft wurde. «Damals konnte sich eine Frau ohne Zustimmung des Mannes nicht mal einen Kühlschrank kaufen», wetterte sie. Und Christoph Blocher, später Bundesrat, habe bis im Jahr 1988 die Neuausrichtung bekämpft. Sehr oft sei der SP in der Vergangenheit vorgeworfen worden, sie habe extremistische Forderungen, «und danach sind diese Forderungen dann in der Mitte der Gesellschaft angekommen». Das passende Beispiel: Das Verbot von Boni in der Bankenwelt forderte die SP schon vor 15 Jahren. Heute ist es im Fall CS wieder ganz konkret.
Zurück zur Gleichstellung: Da gebe es inzwischen viel Bewegung bei den Abwertungsmassnahmen. «Es ist ja alles gut jetzt», wolle der Linken eingetrichtert werden. Dem ist nicht so, widerspricht sie. Der Kampf geht weiter, muss weiter gehen.
«Klima – dann können wir alles vergessen»
Betreffend die Klimakrise erinnert Badran daran, dass die SP schon vor 40 Jahren einen COž- und Atomausstieg im Parteiprogramm festgehalten hat. «Und 1982 gab es die Grünen noch nicht.» Das Klima ist demzufolge ein SP-Thema. Schon als 18-Jährige studierte sie den Treibhauseffekt. Sie analysierte die Weltkarte mit den Küstengebieten, die vom steigenden Meeresspiegel verschluckt werden. «Das ist unsere Zukunft», blickt sie auf diese beeindruckende Karte zurück, «das müssen wir verhindern.»
Das Jahr 2015 mit der Energiewende, das sei «grosses Kino gewesen», aber Klimaschutz und Energiewende, «das ist ein Baby von uns». Die SP betone dies einfach zu wenig laut. Und Jacqueline Badran ist überzeugt: «Wenn wir das Klima nicht in den Griff kriegen, können wir alles vergessen.» Denn: Wie geht die Welt mit zwei Milliarden Klimaf lüchtlingen um? Diese Antworten fehlen.
Die wahren Bürgerlichen
Auch beim dritten SP-Wahlkampf-Thema, der Kauf kraft, wurde sie konkret. «Das ist unsere DNA. Aber die Bürgerlichen tun so, wie wenn der Mittelstand ihnen gehört.» Nur: Was bedeutet überhaupt bürgerlich? Die Antwort kenne vor allem die «Glückspost». Das Magazin berichtet ab und an, dass einer aus einem Königshaus eine Bürgerliche heiratet, also eine Nicht-Adelige. Das Bürgerliche sei das Gegenteil der Privilegien der Adligen. «Und wer kämpft gegen Privilegien? Die SP, wir sind also die wahren Bürgerlichen.» Dieser Kampf hat nach dem Zweiten Weltkrieg begonnen. Da einigte man sich auf den grossen Deal: Die Unternehmen gaben sich mit weniger Rendite zufrieden, die Arbeiterschaft erhielt etwas mehr Lohn und konnte dafür die Produkte kaufen. «Jeder konnte seinen VW und seinen Kühlschrank kaufen.» Und bessere Effizienz bedeutete höhere Löhne und mehr Freizeit. «Es entstand die kauf kräftige Mittelschicht. Das war das Werk der SP.»
Es folgte die Schaffung der Sozialwerke. «Und damit haben wir die Menschen von Existenzängsten befreit. Selbst Gesunde wussten: Ich bin abgesichert.» Genau das werde nun als Kostenfaktor bekämpft. Dabei sei ein sorgenfreies Leben die Grundlage für die viel zitierte Freiheit.
Krankenkassenprämie ist «Kaufkraft-Killer»
Gegenwärtig zeigt die Kaufkraft in der Schweiz nach unten. Gleichzeitig steigen die Mieten stetig, obwohl die Zinsen in den letzten Jahren immer abwärtsgingen. «Eigentlich», so Badran, «wird so für die Miete zu viel bezahlt.» Der Unterschied macht pro Jahr 10,5 Milliarden Franken aus, hat sie ausgerechnet. Oder im Jahr 2021 hätten Herr und Frau Schweizer als Mieter pro Monat 380Franken zu viel bezahlt. Das macht auf das Berufsleben gerechnet eine Viertelmillion Franken aus. «Eine schöne Summe fürs Alter.» Der grösste «Kaufkraft-Killer» sei jedoch die Krankenkassenprämie, die mittlerweile durchschnittlich 14Prozent der Ausgabenseite ausmacht. «Da läuft doch etwas schräg», reklamiert Badran, die den einstigen SP-Vorschlag der Kopfprämie erwähnte. Acht Prozent der Krankenkassenprämie zahlt jeder und jede selbst, alles, was darüber ist, übernimmt der Staat. Ein weiteres grosses Übel sei die Eigenkapitalrendite der Banken. Vor 20 Jahren waren es noch angestrebte 25 Prozent, dann 15 Prozent. «Das treibt die Banken zum risikoreichen Handeln.» Was oft nichts mit der Realität zu tun hatte. Womit Jacqueline Badran wieder beim CS-Debakel angelangt war. Der Kampf zwischen Arbeit und Kapital dauert laut der Nationalrätin ewig an, «aber hier wirken halt andere Kräfte». Vielleicht könne oder müsse die SP nun das Momentum nützen: «Nicht unsere Forderungen sind extrem, sondern die Verhältnisse sind extrem», betonte sie zum Schluss.
Ein wenig besserwisserisch und ein Glückskind
Jacqueline Badran ist bekannt dafür, dass sie für die SP-Themen kämpfen und Gegner mit Argumenten besiegen kann. Die australisch-schweizerische Doppelbürgerin ist seit 2018 Mitglied der Kommission für Wirtschaft und Abgaben und seit 2019 Mitglied der Aussenpolitischen Kommission.
Sie ist direkt und ehrlich, das sagen viele ihrer Wegbegleiter. Sie sei «gradlinig und bisweilen ein wenig besserwisserisch», gibt sie selbst zu. Die Unternehmerin und Biologin ist aber auch authentisch. Sie kennt die Basis und ihre Leistungen. Als ehemalige Bauarbeiterin, sie war mal Eisenlegerin, weiss sie, dass gewisse Berufsgattungen unterbezahlt sind.
Und dass Badran eine Kämpferin und ein Glückskind in einem ist, weiss die ganze Schweiz seit dem 24. November 2001. Damals stürzte ein Crossair-Flugzeug kurz vor der Landung in ein Waldstück bei Bassersdorf. Bei dem Unglück starben 24 Menschen, neun überlebten fast unverletzt. Eine davon ist die SP-Politikerin und Nationalrätin Jacqueline Badran. Davon erzählte sie jedoch nichts im Schlössli. Auch von den Streitgesprächen unter der Bundeshauskuppel hat sie nichts verraten. Sie habe mit dem ehemaligen SVP-Bundesrat Ueli Maurer so gerne gestritten, meldeten die nationalen Medien bei Maurers Abgang im vergangenen Herbst. Mit wem streitet sie nun am liebsten? Sie streite doch gar nicht so gerne, erwiderte sie schmunzelnd. «Und ich nenne auch keine Namen. Vielleicht Bundesrätin … Nein, keine Namen. Denn ich liebe die Harmonie.» Schön gesagt.