Die Tränen des Captains
12.12.2023 Ringen, SportFreiamt verliert gegen Einsiedeln mit 17:22 und verpasst einen Podestplatz – Pascal Strebel ist die tragische Figur
Das Freiämter Ringerherz blutet. Das Märchen, in dem Pascal Strebel bei seinem letzten Kampf den Freiämtern Bronze sichert, war zum ...
Freiamt verliert gegen Einsiedeln mit 17:22 und verpasst einen Podestplatz – Pascal Strebel ist die tragische Figur
Das Freiämter Ringerherz blutet. Das Märchen, in dem Pascal Strebel bei seinem letzten Kampf den Freiämtern Bronze sichert, war zum Greifen nah. Stattdessen wurde es ein Albtraum, in dem sowohl Strebel als auch die RS Freiamt verlieren. Die Fans feiern den Captain trotzdem.
Josip Lasic
Die Tränen fliessen, als Pascal Strebel nach dem Kampf um Bronze verabschiedet wird. Bei ihm, bei seiner Frau Jenny, bei den Mitgliedern der RS Freiamt und bei ganz vielen der 700 Besucher in der Murianer Bachmatten-Halle. Ein Video läuft, in dem die Höhepunkte seiner Karriere noch einmal zu sehen sind. Und wo Weggefährten sich per Videobotschaft an ihn richten und ihm alles Gute für den weiteren Lebensweg wünschen.
Die Emotionen sind umso intensiver, weil sich Minuten zuvor auf der Matte eine Freiämter Ringer-Tragödie ereignet hat. Zwei Kämpfe vor Schluss führt die RS Freiamt mit 17:16. Pascal Strebel betritt die Matte. Dem scheidenden Teamcaptain reicht ein knapper Sieg, um seiner Mannschaft die Bronzemedaille zu sichern. Selbst bei einer knappen Niederlage wäre der Vorsprung der Freiämter mit dem 19:15 aus dem Hinkampf gross genug, dass der 3. Platz im Freiamt bleiben sollte. Doch es kommt anders.
Der gefallene Held
Die ersten drei Minuten im Kampf zwischen Strebel und Jan Faller sind um. Speaker Reto Bucher kündigt die letzten drei Minuten der Karriere des Freiämters an. So lange geht es nicht mehr. Faller erwischt ihn in einem kurzen unachtsamen Moment. Schultersieg für den Einsiedler. Plötzlich ist Randy Vock im letzten Kampf unter Zugzwang. Er muss gewinnen. Bei der knappestmöglichen Niederlage von 1:2 würde der Rückkampf mit vier Punkten Differenz an Einsiedeln gehen. Wie der Hinkampf an die Freiämter. Aufgrund der höheren Anzahl Einzelsiege würde Bronze an das Team aus dem Kanton Schwyz gehen. Vock gibt alles – und unterliegt mit 0:2 Teampunkten. Einsiedeln holt Bronze. Und Pascal Strebel ist der tragische Held.
«Es ist Sport. Das kann passieren und gehört dazu», sagt der 34-Jährige. Egal ist ihm aber die Niederlage natürlich nicht. Als ihn die Menge frenetisch bejubelt nach seinem 0:4 schiessen dem Mann aus Birri bei Aristau (der in Muri wohnt) zum ersten Mal die Tränen in die Augen. Und nicht zum letzten Mal an diesem Abend. «Es ist ja eigentlich das Schöne am Sport, dass es so schnell gehen kann. Das macht die ganze Leidenschaft aus. Aber natürlich wäre ich gern anders abgetreten.»
Definitiv kein Comeback
Strebels Weggefährten melden sich nicht nur per Videobotschaft. Viele sind erschienen, um persönlich beim letzten Kampf des Olympioniken dabei zu sein. Kranzschwinger Pascal Gurtner ist vor Ort, der früher auch bei der RS Freiamt gerungen hat. Ehemalige Trainer der Freiämter, wie Marcel Leutert, Adi Bucher oder Thomas Murer sind da. Es ist eine kleine Reise durch die Freiämter Ringergeschichte, die man vor Ort erlebt. «Es haben sich auch einige Leute abgemeldet. Ich bin halt so, dass ich jedem dann zurückschreibe, mich bedanke, mich melde. Vielleicht habe ich zu viel Energie in diese Dinge investiert und zu wenig in den Kampf. Ich weiss es nicht.»
Die Niederlage wurmt Strebel. Ob sie wirklich daran liegt, dass ihn sein Karriere-Ende abgelenkt hat, wird man nie erfahren. Der Ringer selbst sagt, dass er schlecht in den Kampf gegen Faller kam. Etwas, was dem besten Ringer jederzeit passieren kann. «Ein paar Tage wird es mich sicher belasten, aber dann werde ich abschliessen. Ein Comeback wird es deswegen sicher nicht geben. Dass ich jetzt doch ein Jahr anhänge, um dann vielleicht den wirklich letzten Kampf zu gewinnen, wird nicht passieren. Ich gehe trotz der Niederlage jetzt im Guten.»
Ein Abschied im Guten
Das darf er auch. An Strebel allein hat es nicht gelegen. In 20 Kämpfen ist es der RS Freiamt nicht gelungen, sich entscheidend von Einsiedeln abzusetzen. Beim Abschied wird noch einmal erwähnt, dass der Captain der RS Freiamt in seiner Karriere über 600 Mannschaftspunkte gebracht hat. Die Freiämter haben durch ihn in all den Jahren sehr viel gewonnen. Dementsprechend wird er nach dem Kampf auch gebührend gefeiert und verabschiedet. Und er bleibt dem Verein auch erhalten. «Wie genau, werden wir noch ansehen. Aber ich werde sicher noch mittrainieren. Ganz auf null runterfahren kann ich nach all den Jahren nicht», sagt er. Dann blickt er umher und sieht seine Frau. «Sport ist aber nicht alles im Leben. Ich habe eine tolle Frau und zwei Kinder. In meinem Alter ist das das Leben.»
Ein Gigant des Ringsports hat die Matte für immer verlassen. Ein grosser Sportler und ein sehr sympathischer Mensch. Einen anderen Abschied hätte man ihm trotzdem gewünscht. Denn tränenreich wäre es ohnehin geworden.