Die grosse Wut auf die Planer
27.10.2023 Fahrwangen, Region UnterfreiamtInformationsabend zu Sanierung und Ausbau der Schulanlage
Der Umbau des Bezschulhauses zum neuen Standort für die Sek und Real ufert aus. Der Einzugstermin muss erneut verschoben werden, die Kosten laufen aus dem Ruder, der Gemeinderat ist zerstritten. An einem ...
Informationsabend zu Sanierung und Ausbau der Schulanlage
Der Umbau des Bezschulhauses zum neuen Standort für die Sek und Real ufert aus. Der Einzugstermin muss erneut verschoben werden, die Kosten laufen aus dem Ruder, der Gemeinderat ist zerstritten. An einem Infoabend wurde nun reiner Wein eingeschenkt.
Chregi Hansen
«Es sind Fehler passiert, das lässt sich nicht abstreiten», meint der noch amtierende Gemeindeammann Patrick Fischer am Schluss des Abends. «Es gilt, aus diesen Fehlern zu lernen und alles dafür zu tun, sie nicht zu wiederholen.» Oberste Priorität müsse es haben, das Projekt jetzt zu einem guten Abschluss zu bringen. Wobei «gut» in diesem Zusammenhang relativ ist.
Dabei sollte doch die Umnutzung des alten Bezschulhauses zum neuen Standort der Sereal der Gemeinde vor allem Vorteile bringen. Ein leer stehendes Schulhaus erhält eine neue Nutzung, und im Gegenzug spart die Gemeinde in Zukunft einen Grossteil der Schulgelder. 13,3 Millionen Franken sollten Sanierung und Umbau eigentlich kosten, bereitstehen sollte der Schulstandort im Sommer 2023. Darauf war die Planung ausgerichtet. «Das war von Anfang an ein sehr ambitiöses Ziel», gibt Fischer zu, «aber unser Ziel war es, dass das Gebäude möglichst kurz leer steht.»
«Pleiten, Pech und Pannen»
Es war die erste von ganz vielen Fehleinschätzungen. «Hier kann man nicht von Planung sprechen, sondern von Pleiten, Pech und Pannen», brachte es eine Einwohnerin am Infoabend auf den Punkt. Grobe Planungsfehler, unüberbrückbare Differenzen zwischen den Planern des Vorprojekts und dem ausführenden Büro, eine fehlende Bauherrenbegleitung, schwieriger Baugrund sowie Corona und die Teuerungswelle im letzten Jahr haben dazu geführt, dass das Projekt aus dem Ruder läuft.
Erst wurde die Eröffnung auf Herbst 2023 geschoben, dann auf den Winter, jetzt soll sie im Sommer 2024 erfolgen. Und die Kosten stiegen von geplanten 13,3 Millionen erst auf 14,6 und jetzt sogar auf 16,3 Millionen. Inzwischen haben die Probleme auch den Gemeinderat erfasst – wegen interner Streitigkeiten hat Ammann Fischer seinen Rücktritt erklärt. «Wenn es im Rat Probleme gibt, jagt man doch nicht den Kapitän von Bord», kritisiert ein Bürger diesen Umstand.
Nicht mal Grösse des Aushubs richtig berechnet
Der Gemeinderat als Ganzes ist bemüht, den internen Konflikt beiseitezuschieben und nüchtern und sachlich zu informieren. Er gibt eigene Fehler zu, so ging beispielsweise vergessen, den Kredit an die Teuerung zu koppeln. Er macht aber äussere Umstände für die Probleme verantwortlich. «Wir sind keine Fachleute, wir müssen uns auf die Planer verlassen», meint etwa Patrick Fischer. Und genau da setzt auch die Kritik der vielen Anwesenden an. Bei so vielen Planungsfehlern müsse man doch Regress nehmen können, ist mehrfach zu hören. «Das Projekt ist sehr komplex, die Schuldzuweisung nicht so einfach», entgegnet Gemeinderätin Simone Diem, die neu das Präsidium der Baukommission übernommen hat. «Wir haben tatsächlich juristische Schritte geprüft, aber das Kostenrisiko ist zu gross. Schliesslich wären wir in der Beweispflicht», fügt Fischer an. Zudem ist ein Schlichtungsversuch mit den beiden involvierten Planungsbüros gescheitert. Immerhin: Die Gemeinde hat sich wieder eine Bauherrenbegleitung zur Unterstützung geholt.
Trotzdem – die groben Fehler in der Planung, sie sorgen für Unverständnis in der Bevölkerung. Dass man etwa nicht fähig war, die Grösse des Aushubs richtig zu berechnen, das sei doch peinlich. Und dass man an dieser Stelle auf Probleme mit dem Grundwasser stösst, das wüssten doch alle älteren Fahrwanger. «Aber eben, die fragt man nicht, sondern nur ortsfremde Planer», ärgert sich ein Anwohner. Eine andere Fahrwangerin zeigt sich schwer enttäuscht von der Arbeit der «Profis». Man wisse doch, dass bei der Sanierung eines alten Gebäudes Schwierigkeiten auftauchen können. «Man hätte besser auf einen Neubau gesetzt», sagt sie. Für die 16 Millionen, welche das Ganze jetzt kostet, hätte man über 32 Jahre weiter Schulgeld zahlen können.
Nachtragskredit nötig
Auch ein ortsansässiger Handwerker wehrt sich. Es werde jetzt der Eindruck erweckt, dass alle beteiligten Firmen massiv mehr verlangen. «Auf meine Leistung schlage ich nicht 12 Prozent Teuerung. Im Gegenteil, ich habe Vorschläge für Einsparungen gemacht. Beispielsweise hätte man die alten Ziegel wiederverwenden können. Aber daran war man nicht interessiert.» Auch er spricht von massiven Planungsfehlern. Und ein weiterer Anwesender zeigt sich besorgt: «Das Ganze wurde viel zu hektisch aufgegleist, jetzt bekommen wir die Quittung. Ich hoffe, man schaut bei anderen Projekten etwas besser hin.»
Der Gemeinderat zeigt Verständnis für den Unmut. Aber jetzt gelte es, vorwärtszuschauen und das Projekt sauber abzuschliessen. Und er relativiert. Rechne man die Teuerung von 12 Prozent ein und die SIA-Toleranz bei Krediten von plus/minus 10 Prozent, dann bewege man sich allen Problemen zum Trotz noch im Projektrahmen. Die angelaufenen Mehrkosten machen nun aber doch das Einholen eines Nachtragskredits in der Höhe von 3 Millionen Franken notwendig. Darüber wird an einer ausserordentlichen «Gmeind» am 19. Januar abgestimmt.
Der Steurfuss muss nicht angehoben werden
Immerhin: Der Gemeinderat hat an diesem Abend auch noch eine positive Nachricht. Obwohl die Kosten beim Projekt aus dem Ruder laufen, droht keine Erhöhung des Steuerfusses. Zwar kommt es zu höheren Abschreibungen und steigen die Schulden weiter an, aber Fahrwangen kommt eine Anweisung des Kantons entgegen, die Aufwertungsreserve aufzulösen und ins Finanzvermögen zu buchen. «Das kommt uns zugute. Damit steigt unsere Bilanzsumme und wir laufen nicht Gefahr, hier ins Minus zu geraten», erklärt Gemeinderat Christian Tschannen. Und solange dies der Fall sei, gebe es auch für den Kanton keinen Grund einzugreifen. Damit bleibt der Steuerfuss bei 118 Prozent. Allerdings sei das nicht in Stein gemeisselt. «Wir diskutieren jedes Mal beim Budget über die richtige Höhe. Und es kann Umstände geben, die eine Anpassung erfordern. Aber das Schulhausprojekt gehört nicht dazu», so Tschannen weiter.
Ammann Patrick Fischer wiederum hofft, dass nun alles klappt wie vorgesehen. «Und dass wir später doch einmal Freude haben können an diesem Bau.» Derzeit ist dies allerdings nicht der Fall.
Zum Projektverlauf
Auslöser des Projekts war der Entscheid des Regierungsrates, die Bezirksschule Fahrwangen auf Ende Schuljahr 2021/22 zu schliessen. Im Gegenzug sollen die Sekundarund Realschulklassen (SeReal) der Kreisschule Oberes Seetal (Gemeinden Bettwil, Fahrwangen, Meisterschwanden und Sarmenstorf), die derzeit noch in Sarmenstorf und Meisterschwanden unterrichtet werden, in Zukunft in Fahrwangen die Schule besuchen.
Referendum, Verzögerungen und Mehrkosten
Da dieses neue Schulzentrum mehr Schüler und Klassen sowie andere Bedürfnisse als die bisherige Bez beinhaltet, muss das alte Schulhaus um- und ausgebaut werden. Diese Schulhauserweiterung verursacht zwar grosse Investitionen für Fahrwangen, diese sollen aber anschliessend mit den Schulgeldern amortisiert werden. Umgekehrt spart die Gemeinde Schulgelder, wenn ihre Kinder im eigenen Dorf die Schule besuchen.
Im September 2020 stimmten die Fahrwanger dem Planungskredit in der Höhe von 360 000 Franken zu. Gegen den Entscheid wurde das Referendum ergriffen, was zu einer Verzögerung führte. An der Urnenabstimmung Ende November 2020 wurde der Kredit dann definitiv genehmigt. Im September 2021 fand dann auch der Baukredit in der Höhe 13,3 Millionen Franken eine Mehrheit. Die Baubewilligung wurde im Mai 2022 erteilt. Im Oktober 2022 begannen die Arbeiten.
Ursprünglich war der Bezug auf Sommer 2023 vorgesehen, aufgrund der vielen Verzögerungen sollen die Arbeiten jetzt bis April 2024 abgeschlossen sein. Der definitive Schulstart ist für August 2024 geplant. Bis dahin stehen die bisher genutzten Räumlichkeiten in Sarmenstof und Meisterschwanden weiter zur Verfügung. Die Kosten werden sich vermutlich auf 16,3 Millionen Franken belaufen. Darum wird im Januar an einer ausserordentlichen «Gmeind» über einen Nachtragskredit in der Höhe von 3 Millionen Franken entschieden. --chh