«Der Totomat entscheidet»
30.07.2024 Sport, FussballIvan Benito hat als Sportchef das Team des FC Wohlen zusammengestellt – Start mit Heimspiel (Samstag, 17 Uhr)
Am Samstag startet die neue Saison. Ivan Benito hat ereignisreiche Monate hinter sich. Der 47-Jährige erzählt offen und ehrlich aus seiner Zeit ...
Ivan Benito hat als Sportchef das Team des FC Wohlen zusammengestellt – Start mit Heimspiel (Samstag, 17 Uhr)
Am Samstag startet die neue Saison. Ivan Benito hat ereignisreiche Monate hinter sich. Der 47-Jährige erzählt offen und ehrlich aus seiner Zeit als Sportchef beim FC Wohlen. Eine Zeit, die eigentlich schon abgelaufen ist.
Stefan Sprenger
Er war so etwas wie der Hoffnungsträger. Im März wurde Ivan Benito als neuer Sportchef verpflichtet. Ein externer, der den FC Wohlen dennoch kennt. Benito sagt, er habe dieses Mandat keinesfalls wegen des Geldes angenommen. «Aber gratis machen kann ich es auch nicht», wie der 47-Jährige anfügt. Denn: «Professionell geht nicht einfach nebenbei.»
Taty haut ab: «Wir sind ja nicht blöd»
Und er wollte professionell den neuen FC Wohlen zusammenstellen. Was in der Kaderplanung 2024/25 an oberster Stelle stand: die Schulden des Vereins. Rund 300 000 Franken. «Ich wurde wohl auch geholt, um mit wenigen Mitteln viel zu erreichen», sagt Benito, der von sich selbst sagt, dass er kein Schulterklopfer sei. Ihm war es wichtig, dass der Mix stimmt. Dieses «Wir»- Gefühl sollte entstehen. «Dieser FC Wohlen besteht zu einem grossen Teil aus jungen Eigengewächsen, die es lieben, für diesen Verein aufzulaufen.»
Es gibt aber auch die anderen Spieler. Ganz wenige. Solche, die sich hier zwar wohlgefühlt haben, aber die aufgrund ihrer Lebensumstände auf das Geld angewiesen sind. Ein Beispiel ist Guillaume Taty. Der 27-Jährige ist zweifelsfrei ein richtig guter Fussballer. Er sorgte mit seinen zahlreichen Platzverweisen aber auch für Negativschlagzeilen. Der FC Wohlen hätte ihn gerne behalten. Und das hat eigentlich auch geklappt, er unterschrieb einen Vertrag. Doch der Franzose heuerte auf eigene Faust bei einem Verein in seinem Heimatland an – und wechselte trotz laufendem Vertrag. «Wir haben schon gemerkt, dass etwas im Busch ist. Wir sind ja nicht blöd», sagt Benito. Als der neue Verein den Wechsel dann in den sozialen Medien verkündet, fühlt man sich in erster Linie machtlos. «Dumm gelaufen», sagt Benito. Weil Taty einen Vertrag bei Wohlen hat, war der neue Verein bemüht, die Wogen zu glätten. «Wir haben nun eine Lösung gefunden, die einigermassen aufgeht», so Benito.
Und: «Es ist daraus ja auch etwas sehr Gutes entstanden.» Denn weil Taty den Verein verlassen hat, suchte man Ersatz im defensiven Mittelfeld. Und fand den früheren Ex-Profi Sangoné Sarr. Er ist bereits spielberechtigt für den FC Wohlen. Das Problem: Der Senegalese braucht einen Job, damit er in der Schweiz bleiben kann. Fussballer in der vierthöchsten Spielklasse reicht dafür nicht. «Aber es sieht danach aus, als ob sich eine Lösung finden lässt», so Benito.
Mandat ausgelaufen, «aber wir sind noch nicht ganz fertig»
Man spürt beim Gespräch, dass Ivan Benito viel Geduld hat und auch das nötige Fussballwissen. Er war einst lange Profi, erlebte seine Glanzzeiten beim FC Aarau, wo er 1996 bis 2003 und 2007 bis 2010 im Tor stand. In der Saison 2013/14 war er auch beim FC Wohlen. Danach beendete er seine Karriere. Der Bruder von Rico Benito (früher FC Muri) und Onkel von Loris Benito (heute Young Boys Bern) bleibt aber mit dem Fussball verbunden. «Zu gross ist die Passion für diesen Sport», erklärt er. Und deshalb hofft er auch ganz fest, dass er in Wohlen etwas bewirken konnte. «Ich habe alles versucht», versichert Benito. Sein Mandat wäre eigentlich vor wenigen Wochen schon ausgelaufen, doch er macht weiter. «Wir sind noch nicht ganz fertig», sagt er.
Er erlebte in seinen wenigen Monaten als Sportchef einige Spieler, die wegwollten. Solche Spieler, die Forderungen hatten, die «weit entfernt sind von der Realität». Djordje Komatovic, Gentrim Uka, Leotrim Nitaj. Sie alle verlassen den FC Wohlen nach zähen Vertragsverhandlungen. «Mit diesen Spielern wurde teilweise über Dinge diskutiert, die ich nicht ganz nachvollziehen kann. Und am Ende ist es wohl gut so, wenn sie einfach ihren Weg gehen», so Benito. In diesem Zusammenhang spricht er auch von einem «Haifischbecken» und von dieser Fussballwelt, die auf der einen Seite so viel Glanzvolles hat, aber eben auch ihre hochnäsige und abgehobene Seite. «Einige Forderungen von einzelnen Spielern waren teilweise weit entfernt von der Realität», sagt er.
«Also habe ich mich bei Tayey nicht mehr gemeldet»
Benito erlebte aber auch viele schöne Momente. Die Verhandlungen mit vielen jungen Spielern beispielsweise, deren grösster Traum es ist, für die erste Mannschaft des FC Wohlen aufzulaufen. Aber auch mit Spielern wie Goran Karanovic, dem früheren Super-League-Stürmer, der seinem Stammverein helfen will. Nathan Kisisa. Der Topstürmer, der den FC Wohlen verlassen hat und jetzt zurückkehrt. «Kisisa fühlte sich immer wohl hier. Deshalb war es auch sein Wunsch, wieder zum FC Wohlen zu kommen. Dafür musste er Abstriche machen», weiss Benito.
Viel komplizierter ist die «Akte Tayey». Kurz erklärt: Nathan Tayey kam im Sommer 2022 als Nobody zum FC Wohlen, überzeugte dann als schneller Aussenläufer, wirbelte beispielsweise die Abwehr von Servette Genf beim Cupspiel 2022 durcheinander. Tayey spielte sich damit auf die Zettel von höher klassierten Clubs, landete schliesslich beim FC Bulle (1. Liga Promotion). Der Wechsel war ebenfalls mit Nebengeräuschen verbunden und verlief nicht lupenrein. Tayey und der FC Wohlen näherten sich vor einem halben Jahr wieder an. Tayey trainierte regelmässig auf den Niedermatten, doch er musste erst Altlasten loswerden, bevor er wieder zurückdurfte. Benito erklärt: «Ich hatte manchmal das Gefühl, dass er nur nach Wohlen kommt, wenn er sonst nichts findet. Also habe ich mich nicht mehr bei ihm gemeldet.» Und anscheinend kam Tayey ins Schwitzen. «Er hat eine Bringschuld zu leisten», wie Benito sagt. Und bislang hat er seine Versprechen eingelöst und spielt eine gute Vorbereitung. Dass er in der Saison 2024/25 beim FC Wohlen spielen wird, ist wahrscheinlich, aber noch nicht fix.
Den jungen Spielern eine Perspektive bieten
Ebenso ist es bei Alban Pnishi. Der Captain, der Abwehrboss, der Ex-Profi, er würde gerne bei seinem Stammverein bleiben. Und der FC Wohlen würde den Bremgarter gerne halten. Es scheitert bislang ausschliesslich aus finanziellen Gründen. Der FC Wohlen probiert alles, damit es doch irgendwie klappt. Benito sagt: «Es sind Dinge aufgegleist worden, damit wir Alban Pnishi hierbehalten können. Wenn diese Dinge klappen, dann bleibt er. Die Schulden zu tilgen, steht über allem.»
Für Benito auch wichtig: «Den jungen Spielern eine Perspektive bieten beim FC Wohlen.» Deshalb auch der «Pool» des U23-Teams, wo sich die erste Mannschaft stets daraus bedienen kann. Benito träumt: «Wer weiss, irgendwann spielt die U23 in der 2. Liga inter, die erste Mannschaft in der 1. Liga Promotion, das wäre doch perfekt für den FC Wohlen.» Der frühere Profi erhielt in diesen wenigen Monaten auch tiefen Einblick in den Verein, das Kernstück des FC Wohlen, die neue Vereinsführung. Benito sagt: «Was dieser neue Vorstand leistet, ist hervorragend. Ich spüre enorm viel Herzblut und jede Entscheidung wird wohl durchdacht und im Sinne des FC Wohlen gefällt.»
Am Samstag ist Saisonstart. Der FC Prishtina Bern gastiert auf den Niedermatten. Benito sagt: «Die Vorbereitung war positiv, im Moment stimmt der Mix, die Leistungen sind gut.» Benito kann den FC Wohlen langsam wieder von der Leine lassen. Oder umgekehrt. Sein Mandat lief über drei Monate, ist Ende Juni eigentlich ausgelaufen. «Aber ich bin da flexibel, wir lösen das unkompliziert. Wichtig ist mir, dass ich helfen konnte, etwas Gutes auf die Beine zu stellen.» Im Vergleich zu den letzten paar Jahren kann man durchaus behaupten, dass der FC Wohlen in dieser Sommerpause mit durchdachten Transfers glänzt statt mit Quantität. Man setzt auf die talentierten Eigengewächse. «Das gefällt mir natürlich sehr», sagt Benito. Ob er und der FC Wohlen Erfolg haben, das wird sich auf dem Fussballrasen zeigen. Denn Benito weiss als Spieler und Funktionär: «Der Totomat entscheidet.»
«Piu ist der richtige Trainer»
Heisst mit anderen Worten: Es kann noch so vieles gut von aussen wirken, am Ende müssen die Resultate stimmen. Sie entscheiden über Erfolg oder Misserfolg. Jene Resultate, die beim FC Wohlen in der letzten Saison nicht immer da waren. Der 11. Rang war viel zu wenig. «Letzte Saison war die Punkteausbeute mässig, das stimmt. Aber es gab selten Spiele, wo die Leistungen unterirdisch waren», sagt Benito. Und deshalb war auch der Trainer nie ein Thema. «Piu leistet tolle Arbeit. Er will, geht voran und ist der richtige Trainer für dieses Team», sagt Benito. Nun muss das Team aber auch die guten Leistungen in positive Resultate ummünzen.
Ivan Benito sagt, die Zeit beim FC Wohlen habe ihm Spass gemacht. Er durfte auch lernen. «Und manchmal muss ich auch Lehrgeld bezahlen. In Sachen Kommunikation würde ich heute sicherlich ein paar Dinge anders machen», wie er meint. Ein Erfolgsrezept hat er für den FC Wohlen. «Das Team ist das Wichtigste, nicht der einzelne Spieler. Wenn die Mannschaft das verinnerlicht, liegt in der nächsten Saison einiges drin.»