Den vorhandenen Drive nutzen
30.06.2023 NiederwilGemeindeversammlung Niederwil spricht sich beim Gemeindehaus für Variante Neubau aus
Der Entscheid fiel überraschend deutlich: Der Gemeinderat darf die Planung für den Bau eines neuen Gemeindehauses fortsetzen. Und muss damit nicht noch fünf Jahre ...
Gemeindeversammlung Niederwil spricht sich beim Gemeindehaus für Variante Neubau aus
Der Entscheid fiel überraschend deutlich: Der Gemeinderat darf die Planung für den Bau eines neuen Gemeindehauses fortsetzen. Und muss damit nicht noch fünf Jahre warten. Allerdings wollen die Bürger ein Konzept für eine Vorfinanzierung sehen. Mehr zu reden als das Gemeindehaus gab die Situation um das Wasser.
Chregi Hansen
Gemeindeammann Norbert Ender konnte es fast nicht glauben. Nach nur einer Frage aus den Reihen der Stimmbürger war die Diskussion bereits erschöpft. Und bei nur 19 Gegenstimmen fällten die Niederwiler einen klaren Grundsatzentscheid. Das alte Gemeindehaus soll abgerissen und an seiner Stelle ein Neubau erstellt werden.
Das Resultat zeigt, wie wichtig der Informationsmorgen im Frühling dieses Jahres war. Dort stellte der Gemeinderat seine Überlegungen erstmals vor und konnte viele kritische Fragen beantworten. Vor diesem Infoanlass waren noch viele gegen den Abriss des alten Gemeindehauses, welches doch das Dorfbild so stark prägt. Seither scheint die Einsicht gewachsen zu sein, dass eine Sanierung der falsche Weg ist. «Sie ist zwar machbar, aber sehr teuer. Und nachher haben wir trotzdem nicht das, was wir brauchen», fasste der Gemeindeammann die Ergebnisse des Variantenvergleichs nochmals zusammen.
Neubau kostet nur wenig mehr als Sanierung
Der Neubau hingegen bringt die Möglichkeit mit sich, einen Bau zu realisieren, welcher genau auf die Bedürfnisse der Gemeinde zugeschnitten ist. Dies betrifft die Verwaltung, die sich in Zukunft nur noch auf einem Geschoss befinden soll und die über eine behindertengerechte Erschliessung verfügt und über moderne und flexibel nutzbare Büroräume. Dazu kommt anstelle der alten Turnhalle im Keller ein neuer Kulturraum, in welchem vielfältige Veranstaltungen möglich sind. Und auch die beliebte Bibliothek soll neue Räume erhalten, wobei sich die Fläche fast verdoppelt. Nicht zuletzt soll die Parzelle besser genutzt werden – das jetzige Gebäude steht mittendrin und verhindert eine passende Umgebungsgestaltung. «Für den Gemeinderat ist der Neubau die beste Variante. Wir bauen das, was wir brauchen, und behalten uns alle Optionen für die Zukunft offen», so der Gemeindeammann. Zudem kostet die Variante nur unwesentlich mehr als eine Sanierung.
Gebaut werden soll zwischen 2027 und 2029
An der «Gmeind» ging es noch nicht um einen Kredit, sondern lediglich um den Grundsatzentscheid, diese Variante weiterzuverfolgen. In gut einem Jahr will der Gemeinderat einen Architekturwettbewerb starten, ein Jahr später einen Planungskredit einholen und ein weiteres Jahr später den Baukredit. Gebaut werden soll von 2027 bis 2029. «Das Projekt ist in den letzten Jahren gereift. Und wir spüren, die Bürger stehen hinter unserer Idee. Das gibt uns den nötigen Drive für die nächsten Schritte», strahlte Ender nach der deutlichen Zustimmung.
Die Angst vor zu hohen Schulden
Länger als über den Neubau selber wurde anschliessend über den Zeitplan diskutiert. Eine Gruppe Niederwiler stellte den Antrag, das Projekt um fünf Jahre nach hinten zu schieben. «Wir sind nicht gegen den Neubau, im Gegenteil», erklärte Marcel Kreber im Namen der Gruppe. «Aber durch eine Verschiebung können wir die Verschuldung abflachen. Es warten einige grosse Projekte auf die Gemeinde. Kommt alles gleichzeitig, steigen die Schulden zu stark an», fuhr er fort. Schliesslich wisse niemand, was in Sachen Wasser noch auf die Gemeinde zukommt. «Durch die Verschiebung können wir die finanzielle Belastung etwas abfedern», führte Kreber aus.
Norbert Ender hat Verständnis für den Antrag. Aber das Projekt Gemeindehaus sei überfällig, das Problem der Feuchtigkeit akut. Und durch eine Verschiebung würde nichts gespart. Im Gegenteil, es könnte sein, dass später sowohl die Baukosten wie auch die Zinsen höher seien. Das Projekt Gemeindehaus habe auch nichts mit dem Thema Wasserversorgung zu tun. «Alles, was wir da investieren müssen, wird über Gebühren finanziert, nicht über Steuergelder», erklärte der Ammann. Und er erhielt Unterstützung von einem Stimmbürger. Selbst wenn alle geplanten Projekte realisiert werden, liegen die Kennzahlen der Gemeinde alle noch im grünen Bereich, hat Peter Stenz ausgerechnet. «Und dazu befindet sich dann unsere Infrastruktur in einem hervorragenden Zustand», erklärte er.
Auch kein Argument für eine Verschiebung sind die ukrainischen Flüchtlinge, die derzeit im Dachgeschoss des Gemeindehauses leben. «Das ist ein Provisorium für eine kurze Zeit, das können wir nicht noch zehn Jahre benutzen. Falls die Flüchtlinge wirklich so lange hier bleiben, braucht es sowieso neue Lösungen», machte der Gemeindeammann deutlich. Letztlich sah es die Mehrheit der Anwesenden gleich und will jetzt vorwärtsmachen beim Gemeindehaus. Der Antrag auf Verschiebung wurde mit 105 Nein zu 77 Ja abgelehnt.
Vorfinanzierung rechtlich möglich
Damit war das Thema noch nicht erschöpft. Unter Verschiedenem stellte ein Stimmbürger den Antrag, der Gemeinderat möge ein Konzept für eine Vorfinanzierung erarbeiten. Überschüsse in der Rechnung sollen nicht mehr zum Abbau der Schulden benutzt werden, sondern gezielt für das Projekt Gemeindehaus eingesetzt werden. «Rechtlich ist das seit einiger Zeit möglich. Und das Vorgehen entlastet später die laufende Rechnung», so die Begründung. Auch die Verwaltung hält die Idee für prüfenswert. Der Vorschlag kam gut an bei den Anwesenden, die Überweisung erfolgte mit grossem Mehr.
Die anderen ordentlichen Traktanden wurden allesamt diskussionslos und fast einstimmig genehmigt. Viel mehr als um das Gemeindehaus wurde im Anschluss über die Wasserversorgung diskutiert (siehe Artikel unten), obwohl diese gar nicht traktandiert war. Dadurch dauerte die «Gmeind» am Ende doch fast drei Stunden. Anwesend waren 202 der 1993 Stimmberechtigten.
Die Beschlüsse
Die Stimmbürger in Niederwil haben alle Anträge des Gemeinderates genehmigt. Sie sagten einstimmig Ja zum Protokoll, zum Rechenschaftsbericht und zur Rechnung, welche weit über den Erwartungen abschloss. Praktisch einstimmig genehmigt wurden auch zwei Kreditabrechnungen. Unbestritten war der Kredit über 265 000 Franken für die Gesamtrevision Nutzungsplanung Siedlung und Kulturland. Mit nur fünf Gegenstimmen wurde auch einer Erhöhung des Pensums der Schulsozialarbeit in der Primarschule von bisher 10 auf 30 Prozent zugestimmt. Bei vereinzelten Gegenstimmen wurde auch zwei Einbürgerungsgesuchen zugestimmt. Zudem wurde der Grundsatzentscheid für den Neubau des Gemeindehauses gefällt und eine Verschiebung des Projekts abgelehnt (siehe Hauptartikel). Eine Mehrheit fand hingegen ein Überweisungsantrag für ein Vorfinanzierungskonzept für das Projekt Gemeindehaus.
Noch nichts Neues konnte der Gemeinderat in Bezug auf die Sanierung und den Neubau des Kindergartens, dem die «Gmeind» im letzten November zugestimmt hat, und die Verteilung der Parzellen im Areal «Geere» sagen. Bei beiden Projekten wird mit Hochdruck gearbeitet und an der Winterversammlung soll es dann Informationen geben. --chh