«Das war einfach geil»
05.12.2025 Sport, KampfsportKickboxen: Roy Cipriano über die Weltmeisterschaft, seine Zeit an der Schule Halde und die nächsten Profikämpfe
Roy Cipriano haut an der WM in Abu Dhabi den amtierenden Europameister und Vize-Weltmeister aus dem Ring. Wegen einer Verletzung platzt aber der ...
Kickboxen: Roy Cipriano über die Weltmeisterschaft, seine Zeit an der Schule Halde und die nächsten Profikämpfe
Roy Cipriano haut an der WM in Abu Dhabi den amtierenden Europameister und Vize-Weltmeister aus dem Ring. Wegen einer Verletzung platzt aber der Medaillentraum. «Aber ich nehme sehr viel positive Dinge für die Zukunft mit», wie der 23-Jährige sagt. Die Zukunft bringt ihm viele Aufgaben.
Stefan Sprenger
Sie sind ein tragischer Held. Einverstanden?
Roy Cipriano: (Lacht) Vielleicht kann man es so ausdrücken, ja. Es waren auf jeden Fall emotionale Tage hier in Abu Dhabi. Eine Achterbahnfahrt. Am Ende bleibt das Positive.
Sie haben sich das ganze Jahr auf diese WM vorbereitet. Sie gewinnen ihre ersten beiden Kämpfe – und müssen dann verletzt aufgeben. Was ist passiert?
Es war meine erste WM im Vollkontakt im Ring. Deshalb wussten wir nicht so recht, was möglich ist. Heute kann ich sagen, dass enorm vieles möglich gewesen wäre. Das spürte ich schon im ersten Kampf gegen den türkischen Meister. Der ist ein gewaltiges Kraftpaket, doch ich konnte ihn mit einem taktisch intelligenten Vorgehen besiegen. Es ist alles aufgegangen, und ich bin super und mit einem Sieg in die Weltmeisterschaft gestartet.
Dann ging es gegen Lukasz Sosnowski aus Polen, die wohl grösste Hausnummer, die man hätte erwischen können. Er ist amtierender Europameister und Vize-Weltmeister.
Ja. Das ist wohl aktuell einer der besten Kämpfer. Es war ein intensiver und knapper Fight, das Tempo und das Niveau waren sehr hoch.
Wie haben Sie es geschafft, ihn zu besiegen?
Ich glaube, es war sehr ausgeglichen. Am Ende des Kampfes konnte ich mir einen Vorsprung erkämpfen. Und schliesslich auch verdient gewinnen. Das war einfach nur geil, der absolute Hammer. Und für mich persönlich eine Bestätigung und ein sehr gutes Zeichen, wenn ich erstmals auf diesem Niveau im Ringsport an einer WM antrete und gleich solch einen hochkarätigen Gegner raushauen kann. Das war beflügelnd.
Und dann kam aber der Schock. Sie haben sich am Bein verletzt.
Ja. Ich habe mit meinem Schienbein gefühlt Hunderte Male an den Ellbogen des Polen getreten. Als der Kampf vorbei war, kamen heftige Schmerzen. Wir haben dann therapiert, bandagiert und alles versucht, damit ich für den Viertelfinal wieder einsatzfähig bin. Aber es machte keinen Sinn. Ich konnte nicht mehr auf dem Bein stehen. Und das hat mich natürlich ziemlich gewurmt. Der Gegner im Viertelfinal wäre ein Aserbaidschaner gewesen. Und ja, hätte ich diesen Kampf dann gewonnen, wäre ich auf den Medaillenplätzen an der Weltmeisterschaft gewesen.
Überwiegt die Enttäuschung oder der Stolz?
Enttäuschung ist da, absolut. Aber die beiden Kämpfe, die ich hatte, waren top. An dieser WM machte ich grosse Schritte, durfte wichtige Erkenntnisse mitnehmen. Am Ende habe ich nie verloren und zwei ganz starke Gegner besiegt, das macht mich sehr stolz.
An der WM waren 2000 Kämpfer aus 120 Nationen. Die Schweiz schnitt eher mässig ab, holte durch die Bernerin Sarina Fux nur einen WM-Titel.
Wir hatten zwar gute Kämpfe, doch es reichte für wenig Zählbares. Das ist schade, aber die Luft ist eben sehr dünn an der Weltspitze.
Mit Toni Lo Prete und Stefanie Richner waren zwei weitere Wohler Akteure an der WM dabei. Beide schafften es nicht in die Nähe der Medaillen. Ihre Einschätzung?
Steffi Richner machte eine längere Pause vom Kickboxen und hat sich dann zurück an diese WM gekämpft. Sie erhielt gleich eine Gegnerin, die zu den besten Europas gehört – und schied aus. Für Toni Lo Prete hätte ich mir einen anderen Abgang von der grossen Bühne gewünscht. Er war die letzten Jahre oft verletzt, hat sich mit riesigem Aufwand auf diese WM vorbereitet, doch es wollte einfach nicht klappen. Es tut mir leid für ihn, dass seine letzte WM nicht mit einer Medaille gekrönt wurde. Er hätte sich das voll verdient.
Verdient haben Sie sich eine Auszeit. Sie sind nach wie vor in den Vereinigten Arabischen Emiraten und geniessen ein paar freie Tage mit Ihren Eltern. Wie ist es?
Wir waren erst in Abu Dhabi, jetzt in Dubai. Es ist eine spezielle Kultur hier. Es gibt keinen Alkohol, alles ist aus Marmor, es gibt überall Duftspender, es ist an vielen Orten dekoriert, in der Tiefgarage hat es eine Lounge zum Verweilen. Kurz gesagt: Alles ist übertrieben hier. Und heftig klimatisiert. Als ich vor der WM im Hotel in Abu Dhabi angekommen bin, war mein Zimmer auf 12 Grad runtergekühlt. In der Schweiz brauche ich draussen eine Jacke, drinnen ziehe ich sie aus. Hier ist es umgekehrt (lacht). Diese Region ist schon sehr eigen und speziell, aber dennoch geniessen wir eine schöne Zeit hier.
Wenn Sie wieder zu Hause sind, gehts wieder ab ins Schulhaus Halde.
Ja. Ich habe die Rekrutenschule vor einigen Jahren absolviert und leiste nun den Zivildienst anstatt des WK. Und das mache ich beim Schulhaus Halde in Wohlen und unterstütze in den einzelnen Klassen. Und ich muss sagen, es war eine gute Entscheidung, denn ich durfte schon viele schöne Momente erleben, und es gefällt mir sehr an der Schule.
Erzählen Sie.
Ich bin ausschliesslich an der Unterstufe. Dort, wo es mich eben gerade benötigt als Unterstützung. Und es ist einfach toll. Die Kids, die Lehrer, die Erfahrungen – alles im Schulhaus Halde ist sehr wertvoll und angenehm. Kurz vor der Weltmeisterschaft hat mir eine Schulklasse ein Plakat gebastelt, um mich zu supporten. Das hat mich sehr gefreut. Solche Gesten sind herzig. Ich freue mich auf die Zeit am Schulhaus Halde, die noch bis zum Sommer dauern wird.
Und dann?
Im September beginne ich mein Studium für Wirtschaftspsychologie an der Fachhochschule. Ich möchte auch das Personal Training – das ich mit meinem Vater Rocco betreibe – vorantreiben. Und natürlich habe ich sportlich grosse Ziele. Im Februar habe ich zwei Profikämpfe, Ende Jahr ist die Europameisterschaft. Und es ist klar, dass ich von den Medaillen träume.


