«Das ist sehr bitter»
25.07.2025 Sport, SchwingenInterview mit Eidgenosse Andreas Döbeli nach seiner Schock-Verletzung, die beim Einwärmen passierte
Am Rigi-Schwinget rutscht Andreas Döbeli beim Einwärmen auf der Kiesstrasse aus und klemmt sich den Meniskus ein. Operation. Saisonende. Der Traum vom ...
Interview mit Eidgenosse Andreas Döbeli nach seiner Schock-Verletzung, die beim Einwärmen passierte
Am Rigi-Schwinget rutscht Andreas Döbeli beim Einwärmen auf der Kiesstrasse aus und klemmt sich den Meniskus ein. Operation. Saisonende. Der Traum vom Eidgenössischen ist geplatzt. Der 27-Jährige aus Sarmenstorf ist schon wieder positiv eingestellt und sagt: «Ich arbeite schon am Comeback.»
Stefan Sprenger
Er hat Energie für zwei. Doch nun geht der Spitzenschwinger Andreas Döbeli für mindestens sechs Wochen an Krücken und ist nach einer Knie-Operation vom Mittwoch, 16. Juli, stark eingeschränkt. Humpelnd öffnet er die Tür auf dem Hof in Sarmenstorf. Doch von Tristesse ist beim 38-fachen Kranzgewinner nur wenig zu spüren. Sein Wesen ist dafür viel zu positiv. Döbeli kann bereits wieder lachen und sieht auch Vorteile in seiner Situation. «Ich mache das Beste daraus», sagt er
– und kann auf die volle Unterstützung seines Umfelds zählen. Er spricht über jenen verhängnisvollen 13. Juli, als er sich am Rigi-Schwinget so schwer verletzt, dass viele sportliche Träume platzen.
Die wichtigste Frage zuerst: Wie geht es Ihnen?
Andreas Döbeli: Wenn ich sagen würde, dass es mir gut geht, wäre es gelogen. Aber grundsätzlich ganz okay, ich habe es akzeptiert, dass mein Leben nun etwas auf den Kopf gestellt wurde und Pläne sich geändert haben. Ich mache das Beste aus der Situation.
Wie waren die Reaktionen auf die Verletzung, die gleichbedeutend ist mit dem Saisonende?
Es gab Hunderte Reaktionen, Nachrichten und Telefonate. Niemand konnte es begreifen. Alle waren schockiert und teilten mir ihre Genesungswünsche mit. Dem engsten Umfeld im Schwingklub, beispielsweise Schwingerkumpel Joel Strebel oder dem engsten Betreuer Leonz Küng, ging die Nachricht sehr nahe.
Und Ihre Familie? Ihr Bruder Lukas hat sich ja vor wenigen Monaten so schwer verletzt, dass auch für ihn die Saison zu Ende ist.
Natürlich ist auch meine Familie schockiert gewesen. Wir sind aber abgehärtet, was Verletzungen angeht. Es muss eben weitergehen. Es gab auch viel zu organisieren in meinem engsten Umfeld, das hat abgelenkt.
Sie sind bereits operiert worden.
Richtig. Es musste schnell gehen. Am Sonntag habe ich mich verletzt, am Mittwoch wurde ich bereits operiert. Bislang läuft der Heilungsprozess optimal, das Knie ist nicht stark angeschwollen, ich kann es schon wieder gut beugen und habe kaum Schmerzen. Das gibt mir Zuversicht für die Zukunft.
Sie haben in den letzten Jahren drei gravierende Verletzungen erlitten. Alle drei Mitte Juli, alle drei an einem Bergfest. 2022 auf dem Weissenstein das Knie, 2024 auf der Rigi die Schulter und 2025 erneut auf der Rigi. Was ist passiert?
Ich wollte mich einwärmen. Die Orte, die dafür geeignet sind, sind an einem Bergfest sehr rar. So kam es, dass ich auf einer Kiesstrasse ausgerutscht bin. Ich spürte sofort, dass im Knie etwas nicht mehr in Ordnung ist. Ich bin sofort nach Hause gefahren und wollte vermeiden, dass das Knie zu stark anschwillt.
Ich war vom Ausmass der Verletzung überrascht. Der Meniskus war eingeklemmt, deshalb musste ich möglichst schnell operiert werden. Dabei wurde auch das Kreuzband nochmals geflickt. Im Dezember 2023 hatte ich mir das Kreuzband an diesem Knie angerissen, das hat eigentlich gut gehalten. Doch nun hat man das Kreuzband sicherheitshalber auch operiert. Und ja, nach der Diagnose war klar, dass die Saison für mich zu Ende ist. Von hundert auf null – und das wegen eines Ausrutschers.
Und wie haben Sie sich gefühlt?
Am Anfang fühlte ich nicht viel, ich habe nur funktioniert. Die Enttäuschung kam erst nach einigen Tagen. Und dann kamen auch Fragen auf.
Was für Fragen?
Ob ich das hätte verhindern können.
Und wie ist Ihre Antwort?
Schuhe, Ernährung, Trainingsaufwand. Glauben Sie mir, ich gebe sehr acht auf mich und meinen Körper. Und ich weiss auch nicht, wieso es immer mich so heftig erwischt hat in den letzten Jahren. Drei Mal Mitte Juli, drei Mal an einem Bergfest. Aber ich glaube, ich hätte es nicht verhindern können. Ich war fit, ich war erholt. Ich glaube, ich hatte selten so wenig körperliche Beschwerden wie in dieser Saison. Es ist einfach Pech. Und leider gehören Verletzungen zum Sport dazu. Beim Schwingen sowieso.
Das Einwärmen auf einer Kiesstrasse war aber sicher nicht von Vorteil. Ihre Gedanken dazu?
Ja, das ist nicht optimal. Da wäre der Verband gefragt, für bessere Warm-up-Möglichkeiten zu sorgen. Wir Schwinger sind ja nicht sonderlich anspruchsvoll, aber an den Bergfesten ist es nicht immer einfach, solche Plätze zu finden, wo man sich auf gutem Untergrund einwärmen kann.
Sie sind ein Bewegungsmensch. Jetzt gehen Sie rund sechs Wochen an Krücken und sind eingeschränkt. Wie gehen Sie damit um?
Herumliegen ist das Schlimmste für mich. Ich versuche, die neuen Umstände zu meinem Vorteil zu nutzen. Ich kann Dinge abarbeiten, die in der letzten Zeit liegen geblieben sind. Meine Arbeit bei der Animalco AG erledige ich, so gut es geht, von zu Hause aus. Auf unserem Hof in Sarmenstorf wird bald ein neuer Hühnerstall gebaut, da ist es auch von Vorteil, wenn ich da bin. Und ich mache Knie-Übungen, gehe in die Physio, packe Projekte an – und ich war schon wieder im Training in dieser Woche.
Und was haben Sie trainiert?
Ich habe Rumpfübungen und Ausdauertraining gemacht. Ich bin schon wieder auf dem Weg zurück, mache einen soliden Aufbau und arbeite an meinem Comeback (lacht). All das gibt mir Zuversicht. Wenn ich nächstes Jahr im Juni wieder schwingen kann, wäre dies toll.
In rund einem Monat ist das Eidgenössische in Mollis. Das wäre Ihr Highlight gewesen, Ihr grosses Ziel. Wie gehen Sie damit um, dass Sie dies nun verpassen?
Ich habe mir meine Gedanken schon gemacht, was ich alles verpasse. Die Trainingslager, den Brünig-Schwinget, die vielen schönen Stunden mit meinen Schwingkumpels. Und natürlich das Eidgenössische. Es tut weh, dass ich da überall fehle. Erneut erwischt es mich kurz vor dem ESAF, das ist sehr bitter.
2022 wurden Sie kurz vor dem Eidgenössischen in Pratteln operiert und sind dann an Krücken in die Arena marschiert. Sie haben als Betreuer die NWS-Schwinger unterstützt, allen voran Ihren Bruder Lukas, der dann auch Eidgenosse wurde. Werden Sie auch 2025 ans Eidgenössische gehen?
Externe Betreuer sind explizit nicht erwünscht. Aber auch sonst würde ich nicht gehen. Das tue ich mir nicht an. Ich glaube, ich mache mit meiner Frau Angie einen Ausflug an jenem Wochenende. Möglichst weit weg. Ich will das ESAF möglichst weit von mir wegdrücken. Es ist aber schwierig, in der heutigen Zeit der digitalen Medien dem Thema auszuweichen – für einen Schwinger sowieso.
Sie sind auch Technischer Leiter des SK Freiamt. Wie viele Freiämter gehen ans Eidgenössische nach Mollis?
So, wie es jetzt aussieht, sind nebst Eidgenosse Joel Strebel auch die Joho-Brüder Pascal und Philip dabei. Auch Jonas Wüthrich hat schon einen Kranz geholt in dieser Saison und ist ein möglicher Kandidat für das ESAF. Es wird sich in den nächsten Wochen entscheiden.
Wie sieht die Zukunft des SK Freiamt aus – gibt es irgendwelche grossen Talente?
Da müssen wir ehrlich sein: Ein Jahrhunderttalent gibt es aktuell nicht beim SK Freiamt. Aber wir haben viele gute Schwinger, die nun vom Jungschwingerbereich zu den Aktiven wechseln. Einige davon betreiben grossen Aufwand für den Schwingsport. Ob jemand in der Lage ist, ein Eidgenosse zu werden, wird die Zukunft zeigen.
Nach Ihrem Bruder Lukas und nun Ihnen bleibt mit Joel Strebel nur noch ein Freiämter Eidgen osse übrig. Alle Augen aus der Region werden am ESAF auf Strebel gerichtet sein.
Das ist wohl so. Für Joel Strebel und sein Umfeld ist mein Ausfall sicherlich auch doof. Aber ich traue Joel Strebel viel zu. Er ging ja auch allein ans Südwestschweizer Teilverbandsfest vor wenigen Wochen – und hat am Ende gewonnen.
Die letzte Frage: Worauf freuen Sie sich in den kommenden Monaten?
Mitte Dezember gehe ich mit meiner Frau Angie für rund einen Monat nach Neuseeland auf unsere verspätete Hochzeitsreise. Und wenn ich zurückkomme aus diesen Ferien, kann ich wohl bald wieder ins Sägemehl steigen.
Zwei am Brünig-Schwinget
Am Sonntag steigt der prestigeträchtige Brünig-Schwinget. Dabei wird der Nachfolger von Vorjahressieger Pirmin Reichmuth gesucht. 20 Schwinger aus dem Nordwestschweizer Verband sind auf dem Brünig zu Gast. Sie kämpfen gegen 50 Berner und 50 Innerschweizer Schwinger um die Brünigkränze.
Mit dabei sind auch zwei Freiämter. Einerseits Eidgenosse Joel Strebel aus Aristau, der nach seinem Sieg am Südwestschweizer Teilverbandsfest nun «den Kranz» als Ziel angibt. Auch Philip Joho aus Sarmenstorf wird auf dem Brünig dabei sein. «Ich freue mich auf diese Herausforderung und nehme mir als Ziel, dieses Fest zu geniessen, Vollgas zu geben und in den Gängen anzugreifen», sagt der vierfache Kranzgewinner Joho, der aktuell im Militär-WK weilt. Das Schwingfest wird live im Schweizer Fernsehen übertragen. --spr