Buch gegen Unterdrückung
22.12.2023 Eggenwil, Region BremgartenNathalie Hartmann hat ein Buch über Kommunikation am Arbeitsplatz geschrieben
«Du hast doch deine Tage» heisst das Erstwerk der 32-jährigen Eggenwiler Autorin Nathalie Hartmann. Sie schrieb es innert Monatsfrist und möchte es spätestens im ...
Nathalie Hartmann hat ein Buch über Kommunikation am Arbeitsplatz geschrieben
«Du hast doch deine Tage» heisst das Erstwerk der 32-jährigen Eggenwiler Autorin Nathalie Hartmann. Sie schrieb es innert Monatsfrist und möchte es spätestens im Herbst 2024 veröffentlichen. Reden über das Thema Gleichberechtigung will sie bereits heute.
Roger Wetli
«Das Buch basiert in erster Linie auf meinen eigenen Erfahrungen», erklärt Nathalie Hartmann. Sie wirkt dabei nicht eingeschüchtert, sondern gestärkt. «Während des Schreibens konnte ich viele Dinge reflektieren und meine Schlüsse daraus ziehen.» Die junge Frau studierte nach der Kantonsschule Pflegewissenschaften und spezialisierte sich auf Gesundheitskommunikation. Daneben arbeitete sie in der Psychiatrie. Später wurde die Triathletin Sport-Mentaltrainerin und arbeitet heute als Salesmanagerin in der Pharmaindustrie. «Aber erst die Ausbildung zur Hypnosetherapeutin ermöglicht mir jetzt, alles zu analysieren», gibt sie Einblick. «Mit dem Buch verbinde ich jetzt alles, also auch die Kommunikation. Es entstand in einem Rutsch. In einer einzigen Nacht schrieb ich 20 der rund 200 Seiten.»
Vorpreschen als Bedrohung empfunden
Hartmann hat als provisorischen Buchtitel einen Spruch genommen, den sie sich von einem Chef in einer Sitzung mit mehreren Personen anhören musste. «Wir diskutierten bereits zwei Stunden über dasselbe Thema und kamen nicht weiter. Mein Chef schien mir deshalb mit der Sitzungsleitung überfordert. Also griff ich ein, um vorwärtszukommen», erinnert sie sich. Anstelle von Dankbarkeit habe es den Spruch «Du hast doch deine Tage» gehagelt. Diese unref lektierte Reduktion auf sie als Frau habe sie getroffen. «Heute weiss ich, dass mein Chef damit zeigte, dass er mein Vorpreschen wohl als Angriff auf seine Position verstanden hatte.» Nathalie Hartmann weiss, dass sie mit dieser Erfahrung nicht alleine ist. «Eine Kollegin hat sich auf ähnliche Weise gewehrt und wurde danach sogar aus der Chefetage bedroht», betont sie. «Und es gibt die Geschichte einer weiteren Kollegin, welche ihren Vorgesetzten ein Projekt vorgestellt hatte und dafür Spott und Häme erntete. Ein paar Monate später gaben dieselben Personen ihr Projekt als das eigene aus.»
Diskussionen auslösen
Mit ihrem Buch möchte Nathalie Hartmann nun eine Diskussion über den Umgang miteinander auslösen. «Wie kommunizieren wir zusammen? Wie können wir aus solchen Strukturen ausbrechen, die Personen unterdrückt, egal welchen Geschlechtes?», fragt sie. Das Buch möchte sie nicht als ein feministisches sehen. «Es geht alle Geschlechtsformen an», unterstreicht sie. «Es sind nicht nur Männer, welche ihre Angestellten unterdrücken oder sexuell belästigen, auch wir Frauen konkurrenzieren uns oft gegenseitig, statt uns zu unterstützen.»
Als Lösung schlägt sie vor, die Ängste der Führungspersonen und Mitarbeitenden ernst zu nehmen. «Wir alle machten Erfahrungen, welche bis heute in uns Ängste auslösen können. Eine zentrale Frage ist, wie wir aus der Angst ins Vertrauen kommen.» Eine Lösung sei, das Gegenüber zu fragen, wie man es unterstützen kann. Es geht um Ressourcenförderung und Perspektivenwechsel. «Für mich ist es wichtig, dass wir lernen, uns in den Anderen hineinzuversetzen, um ihn besser zu verstehen. Dies gibt dem Gegenüber Sicherheit und somit Vertrauen. Dafür braucht es zunächst Selbstref lexion, einen achtsameren Umgang mit uns selbst.»
Ihres Wissens gebe es noch kein vergleichbares Buch, welches die drei Facetten Kommunikation, Geschlechterrollen und Zusammenarbeit in dieser Weise beleuchte. Für Hartmann ist der Aspekt wichtig, dass man als Chef nicht verantwortlich für die Arbeit ist, sondern für die Menschen, welche die Arbeit leisten. «Das erreicht man, indem man ihnen respektvoll begegnet und ihre Stärken fördert.» Genau das erlebt die Eggenwilerin an ihrem neuen Arbeitsort. «Mein Chef ist jetzt eine Frau. Sie fördert mich und ich betrachte sie als Mentorin.»
Unterdrückung als Ausgleich zu Mängeln
Die Unterdrückungen, die Nathalie Hartmann erlebt hatte, ordnet sie einem Mangel der Täterinnen und Täter zu. «Wenn man von einem Patienten an Po oder Busen betatscht wird, versuche er damit, seine tiefere Position auszugleichen», ist sie überzeugt. «Berührt dagegen ein Arzt seine Angestellten ungebührlich, nutzt er seine Macht als vermeintlich attraktiver Berufsmann aus. Es zeugt aber davon, dass er wohl zu wenig geliebt wird.»
Ihr ist es wichtig, mit dem Buch für einen achtsameren Umgang mit sich und seinen Mitmenschen zu werben. Entsprechend gespannt ist Nathalie Hartmann auf die Reaktionen, die es auslösen wird. Aktuell sucht sie dafür einen Verlag, wobei einer bereits Interesse zeige. «Ziel ist es, das Buch spätestens im Herbst 2024 zu veröffentlichen. Eine Diskussion über das Thema möchte ich aber bereits jetzt in Gang setzen.»