Blockade und Stillstand
26.09.2025 Grosser Rat, KolumneAUS DEM GROSSEN RAT
Annetta Schuppisser, GLP.
Die Sitzung des Aargauer Grossrats vom 23. September wurde von zwei Themen dominiert: der emotional geführten Debatte über ein kantonales Referendum zur ...
AUS DEM GROSSEN RAT
Annetta Schuppisser, GLP.
Die Sitzung des Aargauer Grossrats vom 23. September wurde von zwei Themen dominiert: der emotional geführten Debatte über ein kantonales Referendum zur Individualbesteuerung sowie der zweiten Lesung der Revision des Schulgesetzes. Für die GLP war dieser Tag von besonderer Bedeutung, da in beiden Fragen Grundsatzentscheide gefällt wurden, die langfristige Auswirkungen auf Gesellschaft und Bildung haben werden.
Die GLP stellte sich klar gegen das Kantonsreferendum zur Individualbesteuerung. Mitgetragen wurde dieses Vorhaben von der Mitte, der EVP und der SVP – ein Bündnis, das weniger aus kantonaler Betroffenheit heraus handelte, sondern aus überzeugter Gegnerschaft zur Individualbesteuerung. Damit beschritt der Kanton Aargau einen Weg, der zuletzt vor Jahrzehnten eingeschlagen wurde: Ein kantonales Referendum gegen einen bundespolitischen Entscheid. Aus Sicht der GLP ist dies ein bedauerliches Signal.
Die Individualbesteuerung ist ein Reformschritt, der dringend notwendig wäre. Sie beseitigt die steuerliche Benachteiligung von Doppelverdienenden, schafft die Heiratsstrafe ab und gibt jungen Familien mehr finanzielle Sicherheit. Gerade in Zeiten, in denen die Vereinbarkeit von Familie und Beruf zu den grossen gesellschaftlichen Herausforderungen gehört, wäre dies ein starkes Instrument. Ebenso entscheidend ist der volkswirtschaftliche Nutzen: Hochqualifizierte Fachkräfte – oft teuer ausgebildet – würden nicht länger von einer Erwerbstätigkeit im Eheverhältnis abgeschreckt. Die Individualbesteuerung stärkt so nicht nur die Gleichstellung, sondern auch die Wettbewerbsfähigkeit der Schweiz.
Statt diese Chancen zu erkennen, wurde im Rat eine konservative Abwehrhaltung gepflegt. Emotionalisierte Argumente über den angeblichen «Angriff auf die Ehe» dominierten die Debatte. Die GLP hat sich klar dagegen positioniert und bedauert den Entscheid, dass der Aargau mit diesem Referendum nun ein rückwärtsgewandtes Signal nach Bundesbern sendet.
Nicht minder bedeutsam war der Abschluss der zweiten Lesung des Schulgesetzes. Auch hier zeigte sich eine klare Frontstellung: Während die Ratsrechte auf eine konservative Bildungspolitik setzte, warnte die GLP vor den langfristigen Folgen. Mit der Revision wurde faktisch eine Abkehr von der integrativen Schule beschlossen – einem Modell, das auf Chancengerechtigkeit und gemeinsame Förderung setzt. Stattdessen verfestigt sich eine Ausrichtung, die Separation begünstigt und der Vielfalt in den Klassenzimmern weniger Raum lässt.
Die Sitzung vom 23. September hat verdeutlicht, wie stark ideologische Überzeugungen die Ratsarbeit prägen. Ob in der Steuerpolitik oder in der Bildung: Anstatt Chancen für Gleichstellung, Modernisierung und Zukunftsfähigkeit zu nutzen, entschied sich die Mehrheit für eine Politik der Blockade und des Stillstands.