Bevor er noch durchdreht

  13.06.2025 Schwingen, Sport

Die ersehnte Rückkehr

Wie geht es Eidgenosse Joel Strebel?

Die ganze Schwinger-Nordwestschweiz wartet sehnsüchtig auf die Rückkehr von Joel Strebel. Der Aristauer dominierte den Start der letzten Saison und zeigte sich in Topform. Doch dann verletzte sich der zweifache Eidgenosse.

Heute, ein Jahr später, ist seine Kreuzbandverletzung verheilt, der Kopf ist ebenfalls bereit. Sein Comeback kann kommen. «Ich bin geladen», sagt er vor seiner Rückkehr. --spr


Ein Besuch beim Eidgenossen Joel Strebel vor seinem Comeback am Kantonalschwingfest in Menziken (22. Juni)

Joel Strebel ist zurück. Der Eidgenosse hat mental einiges durchlebt und ist wieder topfit «und richtig geladen», wie er sagt. Der Kreuzbandriss vor einem Jahr hat ihn gestärkt. Jetzt hat er grosse Ziele, die er ruhig angeht. Seine Freundin Aline ist froh, dass der sanfte Riese aus Aristau nun sonntags wieder im Sägemehl steht.

Stefan Sprenger

Auffahrtsdonnerstag. Frühmorgens steht Joel Strebel in seiner Wohnung in Aristau. Die Sporttasche hat er gepackt. «Ich gehe jetzt los nach Basel», sagt er zu seiner Freundin Aline. Der 28-Jährige schreitet zur Tür und tut so, als würde er losziehen und sein Comeback geben am «Baselstädtischen».

Jenes Fest, das er 2023 und 2024 gewonnen hat. Freundin Aline wird fast wahnsinnig und meint: «Hör auf. Das kannst du jetzt nicht machen.» Joel Strebel zieht sich zurück und meint: «Ich habe dich doch nur veräppelt.»

Die Verletzung und die Auferstehung

Er verfolgt anschliessend das Schwingfest am TV und sieht, wie mit Domenic Schneider ein Ostschweizer gewinnt. «Schon wieder gewinnt ein auswärtiger Schwinger ein Fest in der Nordwestschweiz», sagt Strebel. Das gefällt ihm gar nicht. Und er muss zugeben: «Es hat mich schon ein bisschen gejuckt. Ich habe mir einen Tag vor dem Baselstädtischen ernsthaft überlegt, ob ich nicht doch gehen soll.»

Seine Besonnenheit, Freundin Aline und auch Athletik-Trainer Tommy Herzog sorgten aber dafür, dass er den Plan einhält. «Comeback am 22. Juni am Aargauer Kantonalschwingfest», sagt er. «Dabei bleibts.»

Joel Strebel hat seit Juni 2024 kein einziges Schwingfest mehr besucht, «weil mich dann alle nur fragen, wie es mir geht und wann ich zurück bin. Das brauche ich nicht», sagt er. Einzige Ausnahme war das Heimfest des Schwingklubs Freiamt, das Guggibad-Schwinget. Dort packte er als Helfer mit an. Ein Beitrag im Regionalfernsehen begleitete ihn, wie er am Zapfhahn den Festbesuchern Bier rauslässt. Er winkt mit der Hand genervt ab. Seine Geste zeigt, was er davon gehalten hat. «Es hat mich genervt. Es ging in keinster Weise um den Schwingsport.»

Jener Tag am Guggibad hat ihm aber gut getan, vor allem weil er viel Rückhalt spürte. Denn er hat ein schwieriges Jahr hinter sich. 2024 startet fulminant für den zweifachen Eidgenossen. Die «Bösen» zitterten vor ihm. Strebel ist in Topform. Der sanfte Riese aus Aristau ist an acht Schwingfesten angetreten – und gewinnt sechs davon. Darunter drei Kantonale (beide Basel und Aargau).

Dann passiert es. Am Sonntag, 9. Juni 2024. Am Stoos-Schwinget stellt er gegen den Eidgenossen Mike Müllestein, holt dann zwei Siege und ist ganz vorne mit dabei. Dann geht es gegen den Ostschweizer Werner Schlegel. Gegen Schlegel verlor Strebel am Eidgenössischen Schwingfest 2022 in Pratteln den 8. und letzten Gang. Auch wenn es damals für den Kranzgewinn reichte, nervte ihn diese Pleite enorm. Auf dem Stoos verliert er den Gang ebenfalls. Schlimmer noch: Er verletzt sich schwer am Knie. Kreuzbandriss.

Erst Prüfungen, dann Comeback

Seine sackstarke Saison endet abrupt und dramatisch. «Die Anfangszeit war für mich enorm schwierig», blickt er zurück. Sein Umfeld, seine Schwingerkumpels und wohl auch seine Erfahrung aufgrund seiner Verletzungshistorie helfen ihm dabei, nach vorne zu blicken. Am 28. Juni wird er erfolgreich am Knie operiert. «Und es ging langsam, aber stetig aufwärts.»

In seiner Reha-Phase gab es keinen Schlüsselmoment. Aber irgendwann feiert er so etwas wie eine Auferstehung. Er sieht Licht am Ende des Tunnels. Spätestens, als das neue Jahr startet, ist er wieder hoch motiviert.

«Viele Stunden Training, viel Schweiss, viele Gedanken» habe er durchgemacht. Athletik-Trainer und Schwinger-Schleifer Tommy Herzog – ein Freiämter aus Hägglingen – bringt ihn optimal auf die Fahrbahn in Richtung Comeback. «Im März durfte ich wieder ins Sägemehl stehen und die Trainingsintensität immer weiter steigern», sagt Joel Strebel. Schwingerisch trainiert er natürlich bei seinem Verein, dem Schwingklub Freiamt.

Zudem ging er regelmässig auch zum Schwingerverband am Mythen in Ibach, wo er mit den Eidgenossen Michael Gwerder und Mike Müllestein im Sägemehl steht. Was ihm aktuell hilft – besonders im mentalen Bereich – ist seine Ausbildung. Nächste Woche – also kurz vor seinem Comeback – stehen die letzten Prüfungen der Landwirtschaftsschule an. «Dann muss ich nicht nur ans Schwingen denken», wie er sagt.

Eine Saison steht an mit vielen Highlights

Heute fühlt sich Joel Strebel gut, sehr gut sogar. Deshalb auch seine Gedanken daran, sein Comeback schon früher als geplant zu geben. «Aber ganz ehrlich, Tommy Herzog hätte mir den Kopf abgerissen, wenn ich das getan hätte.» Er bleibt geduldig und fokussiert.

Und wartet. Bis zum Sonntag, 22. Juni. In Menziken wird Joel Strebel seine langersehnte Rückkehr auf dem Schwingplatz geben. Aargauer Kantonalschwingfest – und dies erst noch als Titelverteidiger. Wie gross ist die Vorfreude? «Die ist vorhanden», meint er. Joel Strebel lässt – wie so oft – durch seine Worte nicht tief in seinen Gemütszustand blicken. Seine Augen verraten aber, dass er sich riesig freut. Er sei «geladen», wie er es passend ausdrückt. Nun fehlt nur noch der Rhythmus, das richtige Gefühl, die Routine. Bei Strebel kann man sich aber sicher sein, dass sie kommen wird. «Mein Gefühl ist gut», sagt er.

In der Saison 2025 hat er noch einiges vor. Nach seinem Comeback stehen grosse Highlights an. Das Südwestschweizer Schwingfest in Neuenburg am 13. Juli. Der Brünigschwinget am 27. Juli. Das Nordwestschweizerische am 10. August in Lenzburg. Und dann natürlich das Eidgenössische Schwingund Älplerfest in Mollis im Glarnerland (30. und 31. August).

Dort könnte Strebel zum dritten Mal Eidgenosse werden. Das schaffte in der 100-jährigen Geschichte des SK Freiamt nur Stefan Strebel. Ist das ein Ziel? Joel Strebel sagt: «Cool bleiben. Schritt für Schritt.» Er sei jetzt nur schon froh, wenn er nicht mehr Bier zapfen muss am Schwingfest, «sondern endlich wieder im Sägemehl antreten darf. Gut so. Weil sonst drehe ich langsam durch.»

Sein Humor, sein Selbstbewusstsein, seine ruhige und angenehme Art – all das ist im Jahr nach seiner Verletzung wohl noch ein wenig gewachsen.

Am Sonntag in einer Woche wird er frühmorgens aufstehen, die Sporttasche packen und losziehen nach Menziken ans Aargauer Kantonale. Und dieses Mal wird ihn nichts und niemand davon abhalten.


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