Bericht der Architekten
23.08.2024 BaugewerbeSicht von Hegi Koch Kolb + Partner Architekten AG
Der Chappelehof erstrahlt in neuem Glanz. Nach mehr als fünfzig Jahren Betrieb ist mit der jetzigen Sanierung dessen architektonische Qualität wieder zum Vorschein gebracht worden.
Mit dem ...
Sicht von Hegi Koch Kolb + Partner Architekten AG
Der Chappelehof erstrahlt in neuem Glanz. Nach mehr als fünfzig Jahren Betrieb ist mit der jetzigen Sanierung dessen architektonische Qualität wieder zum Vorschein gebracht worden.
Mit dem Alterungsprozess sowie den baulichen Eingriffen und Veränderungen hat die ursprüngliche Klarheit der Architektur an Strahlkraft verloren. Die architektonische Qualität kam zu wenig zum Ausdruck und es wurde gar ein Abbruch in Erwägung gezogen. Dass es sich beim Chappelehof nicht nur um einen Ausnahmebau, sondern auch um ein wichtiges Stück Wohler Identität handelt, war vielen nicht bewusst. Entsprechend erleichtert waren wir, als sich der Verein St. Leonhard seiner Verantwortung gegenüber diesem architektonisch interessanten, markanten Gebäude bewusst für eine Gesamtsanierung entschieden hat.
Wir sind sehr glücklich, dass wir den Planungsprozess begleiten durften und freuen uns, dass neben den wichtigen funktionellen Ansprüchen die aussergewöhnliche Architektur wieder sichtbar gemacht werden konnte. Es ging uns darum, die Gestaltungsideen der damaligen Wohler Architekten Beriger mit heutigen Gestaltungsmitteln in die Gegenwart zu überführen. Bei der Entwurfsarbeit stellten wir uns jeweils vor, wie wohl die Berigers mit den heutigen Vorschriften und Anforderungen umgegangen wären und wie ihre Lösungen ausgesehen hätten. Dieser Denkansatz hat sich bei der Entwicklung von passenden neuen Lösungen sehr bewährt.
Aus energetischen Gründen musste das ganze Haus mit Wärmedämmung eingepackt werden. Es ist eine Herausforderung, wenn man das Gebäude in seiner Erscheinung unverändert lassen möchte. Die Aufdämmung musste also sozusagen «unbemerkt» erfolgen. Eine verputzte Fassade war zwingend. Wir wählten eine hinterlüftete Fassadenkonstruktion, anstelle einer risikobehafteten verputzten Aussendämmung. Dank vorhandenen Gestaltungselementen aus der «Moderne» mit Bandfenstern und grossen Gebäudeabsätzen ist dies geglückt. Auf den ersten Blick bemerkt man heute kaum etwas von diesem massiven Eingriff.
Für die Gebäudewirkung mindestens so entscheidend sind die Fenster. Sie waren ursprünglich aus Holz und sehr schmal proportioniert. So eng, dass sie als schöne durchgehende «Rippenbänder» wirkten und so den Gebäudecharakter massgeblich prägten. Holzfenster waren jedoch bezüglich Langlebigkeit keine Option mehr. Funktionell machten beim Fensterersatz nur Holzmetallfenster Sinn. In den alten schmalen Proportionen hergestellt wären diese jedoch sehr teuer gewesen. Die Lösung war herauszufinden, wie breit die preislich optimiertesten Fenster sind und diese einzubauen. Den engmaschigen Fensterrhythmus erzeugten wir dann mit einem völlig unabhängigen, optisch auffälligen Metallstab-Raster.
Mit diesen Metalllamellen war ein neues Element geschaffen, welches einerseits die ursprüngliche Gestaltungsidee aufnahm und sich andererseits hervorragend für Neugestaltungen einsetzen liess.
«Amöbe»
Der markante Treppenturm ist durch seine Grösse der wichtigste Eingriff in die Fassadengestaltung. Die Brandschutzvorschriften verlangten eine zusätzliche Fluchttreppe, zudem war ein zweiter Lift und eine unabhängige Erschliessung der Praxisräume nötig. Mit dem neuen Element der Aluminiumlamellen, die bereits bei den Fenstern ein wichtiges, charakteristisches Merkmal bilden, fanden wir eine Lösung, diesen zusätzlichen Baukörper in ganz selbstverständlicher und eigenständiger Weise dem Hauptgebäude hinzuzufügen. Der neue Treppenturm (wir nennen ihn Amöbe) wird von einem Lamellen-Kleid umhüllt, welches die Rundungen der Freiform edel glänzen lässt und dem ganzen Ensemble eine elegante Bereicherung verleiht.
Saal
Das zweite Highlight befindet sich innen im Saal. Nach unserer Meinung muss ein Raum, welcher von vielen Leuten besucht wird und in welchem spezielle Anlässe stattfinden, auch ein spezieller Ort sein. Die Saaldecke haben wir dementsprechend ebenfalls «speziell» gestaltet. Je nach Lichteinfall oder Blickwinkel wechselt die Decke ihr Gesicht. Diese Wirkung ist der Formgebung der Latten geschuldet. Alle Latten sind identisch in ihrer Form. Es sind nur die vier verschiedenen Latten-Anordnungen, welche diesen Effekt entfalten lassen.
Das zweite bestimmende Saalelement sind die alten Betonfenster. Diese sind ebenfalls für den Charakter des Saals entscheidend. Sehr schön, dass sie trotz der neuen Energievorgaben erhalten werden konnten – und, dass sie heute wieder auf der ganzen Höhe von innen sichtbar sind. Alle mit der Zeit angefügten Deko-Elemente wie Deko-Holzbalken aus den vergangenen Sanierungen, wurden wieder entfernt. Heute kommt der Saal in seiner Wirkung wieder eher der ursprünglichen Schlichtheit der Architekten Beriger nahe.
Nachhaltigkeit
Der grösste Effekt bezüglich Energieeinsparung wird erreicht, wenn der Massivbau eines Hauses beibehalten werden kann. Beim Chappelehof wurde sehr viel graue Energie eingespart, indem schon in der Konzeptphase darauf geachtet wurde, möglichst viel Bausubstanz zu erhalten. Darüber hinaus ist es gelungen, den bestehenden sehr wertigen Tropenholz-Saalboden namens «Muhuhu» zu erhalten und aufgefrischt wieder einzubauen. Erwähnenswert ist zudem, dass sich die Anstrengungen über «Re-Use» gelohnt haben, indem rund achtzig Fenster statt entsorgt in einem CoworkingSpace in der Region als innere Raumabtrennungen wieder eingebaut werden konnten. Generell wurden die aktuellen Vorschriften bezüglich der Wärmedämmung erfüllt und eine neue nichtfossile Heizung (Holzpellet-Anlage) eingebaut. Darüber hinaus wurde eine Photovoltaikanlage mit einer Leistung von 140 kWp realisiert, deren 260 Panels das ganze Dach des Chappelehofs abdecken.
Zeitgeist der Moderne
Ganz im Zeitgeist der «Moderne» wurde im Chappelehof das Konzept des ineinander «fliessenden Raumes» umgesetzt. Schon 1967 waren Innenraum und Hof mit durchdringenden Wänden miteinander verbunden. Für die jetzige Nutzung war diese architektonische Vorgabe perfekt. Mit neuen, weit aufschiebbaren Fenstern, raumdurchdringenden Farben und einem alles verbindenden Bodenbelag liessen sich Innenhof, Vorplatz und öffentliche Räume zu einem ganzen öffentlichen Bereich verschmelzen. Diese Architektur war für die damalige Zeit visionär. Auch heute noch hat man das Gefühl, sie ist geschaffen für die Gesellschaft der Gegenwart, welche durch diesen Bau eine Plattform für alle möglichen Aktivitäten findet. Dies stimmt nach wie vor gut mit dem Ziel der damaligen Chappelehof-Initianten überein, eine Stätte der Begegnung für alle Altersstufen und sozialen Schichten zu realisieren.
Kurt Kolb | André Konrad | Hegi Koch Kolb + Partner Architekten AG
Kurzkenndaten
Der Chappelehof wurde 1967 gebaut und von den Wohler Architekten Richard, Christoph und Peter Beriger geplant. Durch die Gesamtsanierung wurde das Gebäude bezüglich Sicherheit, Statik (Erdbeben) und Hindernisfreiheit sowie betrieblich, energetisch und brandschutztechnisch für die nächsten 30 Jahre instand gestellt.