Der Familien-Fanclub

  27.06.2025 Sport, Fussball

Wenn Träume fliegen

Ein Besuch bei der Familie Pilgrim mit der Starfussballerin Alayah, die kurz vor der Heim-EM steht

Aileen ist Sängerin, Jalil ist Privatpilot und Alayah ist Profifussballerin. «Sie machen erfolgreich ihr Ding», meint Grossvater Jürg. Die Familie Pilgrim aus Muri öffnet ihre Tür und gewährt private Einblicke.

Stefan Sprenger

Man sagt, dass Zufriedenheit der Schlüssel zum Glück ist. Im Fall der Familie Pilgrim scheint dies zu passen. An einem Sonntagnachmittag Ende Mai treffen sich alle zu Hause in Muri. Die Stimmung ist gelöst, alle wirken zufrieden. Die Gespräche untereinander werden tiefgründig, liebevoll – und mit einer Prise Humor – geführt. «Ich habe dein Penalty-Tor gesehen», sagt Grossvater Jürg zu seiner Enkeltochter, der Profifussballerin Alayah Pilgrim. «Den hätte ich wohl auch noch reingemacht», fügt er lachend an.

«Sie bringen es alle zu etwas»

Die ganze Familie schmunzelt. Grossvater Jürg, der frühere Anwalt und einst auch Gemeindepräsident von Muri. Seine Tochter Tanja, das Mami mit riesiger Power. Ihr Sohn Jalil, der einerseits als Fachmann Betreuung für geistig beeinträchtigte Menschen arbeitet und sich als Paragliding-Tandempilot selbstständig machte. Tochter Aileen, die man auch als Sängerin namens «Noorai» kennt. Sie arbeitet als Psychologin in Windisch. Und last, but not least: Alayah Pilgrim, die vor wenigen Jahren ihre Lehre als Fachfrau Gesundheit im Spital Muri absolvierte und heute Profifussballerin bei der AS Rom ist. Sie steht kurz vor einem riesigen Highlight ihrer noch jungen Karriere, denn am nächsten Mittwoch (21 Uhr, Basel St. Jakob) startet sie mit der Schweizer Fussballnati in die Heim-Europameisterschaft gegen Norwegen.

Als alle von ihren Leidenschaften und Träumen erzählen, unterbricht Grossvater Jürg Pilgrim das Gespräch und meint: «Faszinierend. Diese jungen Leute bringen es alle zu etwas im Leben. Das macht mich enorm stolz.» Es wird klar, dass die Familie Pilgrim einander enorm unterstützt. Es ist eine Familie, die Träume zum Fliegen bringt.

«Mami ist immer da», sagen die Kinder. Und Mutter Tanja Pilgrim ist wohl auch der Hauptgrund, wieso der Familienladen der Pilgrims so rund läuft. «Ich bin der grösste Fan meiner Kinder», sagt sie. In den kommenden Wochen wird die ganze Familie im Stadion sitzen. Dann sind alle Alayah-Fans. Und die Fussballerin will, dass ihr persönlicher Traum zum Fliegen kommt und die Schweizer Nati an der EM für eine Euphorie sorgen kann.


Ein Treffen mit Nationalspielerin Alayah Pilgrim und ihrer besonderen Familie

Alayah Pilgrim ist in diesen Tagen omnipräsent. Eine halbe Million Menschen folgen ihr auf Instagram. Die Freiämterin ist eine der begehrtesten Fussballerinnen des Landes – auf und neben dem Feld. Der Stürmerin ist aber vor allen Dingen eines wichtig: der Rückhalt ihrer liebsten Menschen. Und den hat sie auf sicher, wie sich bei einem Besuch in ihrem Zuhause in Muri zeigt.

Stefan Sprenger

Sie ist ein Star. Und oft unter Druck. Ein Anlass von Nike. Ein Shooting für PureGym. Eine Social-Media-Werbung für einen tragbaren Mixer. Und abends, wenn die Hauptausgabe von «Meteo» im Schweizer Fernsehen läuft – immerhin die meistgesehene Info-Sendung mit durchschnittlich über 700 000 Zuschauern –, lächelt Pilgrim kurz davor in der Werbung dem Publikum entgegen. Und das seit Wochen.

«Damit es nicht zu viel wird»

«Ja, ich bin manchmal im Stress. Und manchmal muss ich mich schützen, damit es nicht zu viel wird. Aber aktuell mache ich all die Tätigkeiten neben dem Fussball gerne. Ich verlasse so meine Komfortzone und schaffe Aufmerksamkeit für den Frauenfussball», sagt Alayah Pilgrim, 22 Jahre jung. Und natürlich ist es auch ein schöner Nebenverdienst.

Alayah Pilgrim (13 Länderspiele / drei Tore) lädt ein zu Kaffee und Walnüssen in ihrem Zuhause in Muri. In dem Dorf, wo sie in erster Linie nicht die Starfussballerin ist, sondern der Mensch Alayah, der hier zur Schule ging. Im Badweiher, wo am Mittwoch ein riesiges Wandgemälde feierlich eingeweiht wurde. Darauf zu sehen sind Alayah Pilgrim und Julia Stierli - die beiden Natispielerinnen aus Muri. «Das ist sehr cool und freut mich mega», so Pilgrim.

Ihre Mutter Tanja kommt nach Hause und umarmt sie zur Begrüssung. «Alles gut?», fragt sie als Erstes. Alayah nickt. Und sie sagt, wie wichtig ihr der Support der Mutter ist. «Sie hilft, wo sie nur kann. Sie ist ein offener und flexibler Mensch. Ihre Unterstützung für mich und meine Geschwister ist riesig. Und dafür sind wir ihr alle dankbar», erzählt die Profifussballerin.

Die Kinder versuchen, etwas zurückzugeben. Als die Mama vor wenigen Wochen ihren 54. Geburtstag feiert, kommen alle nach Rom und verbringen ein herrliches Wochenende miteinander. Alayah Pilgrim spielt in der «Ewigen Stadt» in Italien. Seit einem Jahr ist die Offensivspielerin bei der AS Rom und wird noch bis 2027 bleiben. Das letzte Jahr war sportlich schwierig. Verletzungen prägen ihre Saison. Patellasehnenentzündung, Bänderriss, Achillessehnenentzündung und die heftigste Verletzung: ein Knorpelschaden im Knie. «Auch da war meine Mutter für mich da, hat mich, so oft es nur ging, besucht und war mental eine gigantische Stütze.»

Der fliegende Bruder

Es benötigte viel Geduld, viel Zeit, viel Trainingsfleiss. Doch Pilgrim kämpft sich erfolgreich zurück, spielt am Ende der Saison regelmässig in der Serie A Italiens. Und sie wird rechtzeitig zum grossen Highlight wieder fit, der Frauenfussball-Europameisterschaft im eigenen Land. Vom 2. bis 27. Juli findet der Grossanlass in der Schweiz statt. Seit wenigen Tagen ist auch offiziell klar: Pilgrim steht im Kader und ist definitiv dabei. «Das Kribbeln beginnt», sagt Alayah Pilgrim und atmet auffällig tief aus. Sie erzählt von einem Atemcoach, den sie oft besucht. In ihrer Wohnung in Rom hängt ein Notizzettel, der sie täglich an die 13-minütige Atemübung erinnert. «Das hilft mir enorm. Ich bin gelassener, ruhiger, geduldiger.» Auch das Meditieren hat sie entdeckt – und ebenfalls gute Erfahrungen gemacht.

An diesem Sonntagnachmittag Ende Mai werden noch alle ihre liebsten Menschen im Zuhause in Muri auftauchen. Nur ihr Freund Elijah Okafor (der Bruder von Natispieler Noah Okafor) kann nicht dabei sein. Auch er ist Fussballer, spielt beim FC Lugano II. Auf der Terrasse im Elternhaus in Muri sitzt bereits Bruder Jalil, 29 Jahre alt. Innert Sekunden wird klar: Er ist ein angenehmer, hilfsbereiter und ruhiger Mensch. Das muss er auch sein, denn für beide seiner Jobs sind das Grundvoraussetzungen. Als Fachmann Betreuung kümmert er sich um geistig beeinträchtigte Menschen. Und zudem hat er sich mit seiner Leidenschaft selbstständig gemacht. Jalil Pilgrim bietet Gleitschirm-Passagierflüge an (www.flyfreak.ch). «Man kann mich buchen und mit mir zusammen fliegen. Ein einmaliges Erlebnis», sagt der Murianer. Fast so einmalig wie eine Fussball-EM im eigenen Land? Jalil zwinkert seiner Schwester Alayah zu: «Besser.» Ihr Bruder sagt sogleich: «Ganz ehrlich. Was Alayah macht, feiere ich sehr. Ich habe ihren Weg von Anfang an begleitet und bin wahnsinnig stolz auf sie. Sie lebt ihren Traum.» Eigentlich genau wie er.

Die singende Schwester

Aileen betritt die Terrasse mit einem frischen «Hallo». Und auch bei ihr wird sofort klar: Sie ist alles andere als Standard. Sie ist 27 Jahre jung, arbeitet als Psychologin in Windisch. Sie ist die tiefgründige Philosophin in der Familie. Sie artikuliert und gestikuliert selbstbewusst, sie hat ein buntes Herz, ist locker drauf. «Psychologie, Musik und Poesie, das mag ich», sagt sie. Aileen glaubt, «lebendig ist derjenige, der die Tendenz hat, von innen heraus zu erschaffen». Aileen ist auch in ihrer Musik tiefgründig. Ihr Künstlername ist «Noorai» – und man kennt sie in der Musikszene, im Freiamt sowieso. Durch das Singen und die Musik drückt sie sich aus, will Gefühle beim Zuhörer wecken, Freude bereiten. «Ein Ventil. Ein Sprachrohr», sei es für sie. Und: «Ich liebe das Singen. Und ich tue gerne, was ich liebe.» Genau wie ihre Geschwister Jalil und Alayah.

Der glückliche Opa

Als Letzter kommt Grossvater Jürg Pilgrim durch den Garten gewandert. Er wohnt gleich nebenan. Die rauchende Pfeife im Mund wackelt auf und ab, das fröhliche Gesicht ist dennoch gut sichtbar. Auch bei ihm muss man sagen, dass er definitiv kein durchschnittlicher 82-Jähriger ist. Seine Lebensfreude, sein Humor und seine Geradlinigkeit lassen sich sofort erkennen. Dr. iur. Jürg Pilgrim war Rechtsanwalt in Muri, ein bekannter Mann. Er war Gemeindepräsident, 16 Jahre lang Präsident der Schulpflege. Heute «geniesst er das Leben und will möglichst lange gesund bleiben», wie er sagt. Natürlich auch, damit er den Weg seiner Enkelkinder begleiten darf. Jürg Pilgrim blickt in die Runde. «Ich bin unglaublich stolz auf alle», sagt er. «Sie bringen es zu etwas im Leben.» Was bedeutet für ihn Erfolg? Er überlegt kurz und meint dann: «Den Mitmenschen etwas geben, für andere da sein und etwas Sinnvolles tun.»

Und das tun alle drei Enkel. Jalil mit dem Fliegen und seinem Job mit beeinträchtigten Menschen, Aileen mit ihrer Musik und dem Job als Psychologin und Alayah – die als Fachfrau Gesundheit im Spital Muri arbeitete und mit dem Fussball die Menschen begeistert. «Herrlich», meint Jürg Pilgrim. Sie folgen alle ihrem Herzen.

«Unser Land stolz machen»

Im Juli wird die Familie Pilgrim zum Fanclub mutieren und Alayah bei jedem Spiel im Stadion anfeuern, mit Trikot und Fahnen. Die Stimmung wird bei den Heimspielen der Nati grossartig werden. Das Interesse an der Frauenfussball-EM in der Schweiz ist gross. Es wurden fast alle Tickets verkauft (aktuell sind 570 000 Tickets weg).

Alayah Pilgrim möchte mit der Schweizer Nati begeistern. «Ich möchte unser Land und die Fans stolz machen.» In der Gruppe mit Norwegen, Finnland und Island muss das Weiterkommen das Ziel sein. «Wir dürfen kein Team unterschätzen. Aber wir haben definitiv eine Chance, um die Gruppenphase zu meistern und in die Viertelfinals zu kommen. Wir werden unser Bestes geben. Mit den Fans im Rücken wollen wir etwas bewegen. Und ich glaube, wir können an unserem Heimturnier weit kommen. Vielleicht sogar so weit, wie es nur die wenigsten erwarten.» Und sie persönlich? «Ich bin bereit. Ich will meine Qualitäten zeigen und dem Team helfen.»

Als Alayah diese Worte spricht, hört ihre Familie gespannt zu. Nun haben alle von ihren Leidenschaften und Träumen erzählt.

Die «riesige» Mama

Aber die wichtigste Person der Familie Pilgrim war eher ruhig. Mutter Tanja hat zugehört – und es genossen. «Wenn meine Kinder aus ihrem Leben erzählen, höre ich gerne zu», meint sie. Tochter Aileen sagt: «Ich glaube, wir alle haben eine tiefe Beziehung zu ihr.» Und sie beschreibt einen Song, den sie geschrieben hat, um ihrer Mutter Danke zu sagen. Jalil sagt: «Mama ist immer da. Es ist ein offenes Haus.» Alayah sagt: «Sie unterstützt uns alle riesig.» Der Mut, die Kreativität und der Support der Mutter sind wohl die Hauptgründe, dass alle drei Pilgrim-Kinder ihre Träume leben. Ob Fliegen, Musik oder Fussball.

Jürg Pilgrim sagt, er habe «immer gemacht, was ihm Spass macht». Dies hat er anscheinend auch seiner Tochter weitergegeben – und diese wiederum ihren Kindern. Sie leben alle ihre Träume. Was ist eigentlich das Hobby von Mutter Tanja? «Sie geht neuerdings gerne ins Gym», sagt Alayah lachend. Tanja Pilgrim – die den Familienladen offensichtlich hervorragend schmeisst, entgegnet: «Mein grösstes Hobby sind meine Kinder.»


Die EM in der Schweiz

Ab dem 2. Juli treten Europas beste Fussballerinnen bei der EM in der Schweiz an. Die Schweiz bestreitet ihre Vorrundenspiele (alle 21 Uhr, live SRF) am 2. Juli gegen Norwegen (in Basel), am 6. Juli gegen Island (in Bern) und am 10. Juli gegen Finnland (in Genf). Der Final findet am 27. Juli in Basel statt.

Nebst Verteidigerin Julia Stierli ist auch Stürmerin Alayah Pilgrim (beide aus Muri) im Nationalteam dabei. Mit Susanne Küng (Merenschwand/Wohlen) als Schiedsrichterassistentin und Fedayi San als Videoassistent sind zwei weitere Freiämter beim Grossanlass mit dabei.


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