Auswirkungen der US-Zölle
19.09.2025 Wirtschaft, Gewerbe, Beinwil/FreiamtDie US-Zölle sind ein Dauerthema. Welche Auswirkungen haben sie auf Freiämter Unternehmen? Mit dieser Frage wurden diverse Firmen konfrontiert. Eine allgemeine Verunsicherung wird generell festgestellt.
Viel Vertrauen in die Diplomatie
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Die US-Zölle sind ein Dauerthema. Welche Auswirkungen haben sie auf Freiämter Unternehmen? Mit dieser Frage wurden diverse Firmen konfrontiert. Eine allgemeine Verunsicherung wird generell festgestellt.
Viel Vertrauen in die Diplomatie
Die Gsell Medical Plastics AG aus Muri exportiert Medizintechnik-Produkte, auch in die USA
Noch sei kaum etwas spürbar. Weil die Kunden ihre Produkte in die USA importieren und die Strafzölle selbst zahlen. «Aber mittelfristig braucht es Lösungen», sagt Simon Gsell, Geschäftsführer der Gsell Medical Plastics AG. Bedenken, dass diese nicht gefunden werden, habe er nicht. «Ich vertraue auf die Schweizer Diplomatie und Innovation.»
Annemarie Keusch
Ein künstliches Hüftgelenk? Implantate für eine Rückenoperation? Dann sind nicht selten Teile aus der Produktion der Gsell Medical Plastics AG im Körper. An der Pilatusstrasse in Muri fertigt die Firma Hightech-Kunststoff-Komponenten für die Medizintechnik an. Implantate sind eines ihrer Kerngebiete. Mit dem Modell eines künstlichen Kniegelenkes in der Hand erklärt Simon Gsell: «Fast in sämtlichen orthopädischen Implantaten sind auch Kunststoffgleitflächen vorhanden.» Er führt die Gsell Medical Plastics AG in zweiter Generation und weiss: «Die Qualität dieser Komponente ist mitentscheidend für die Langlebigkeit eines Implantates.»
1984 gründete René Gsell, ein Unternehmer mit Pioniergeist und Leidenschaft für innovative Lösungen, die Firma. Schon früh erkannte er das Potenzial in der Medizintechnik mit Hochleistungskunststoffen und legte damit den Grundstein für die heutige Spezialisierung. Dazu sagt Simon Gsell: «Wir sind weltweit eines der führenden Unternehmen für röntgentransparente Instrumente und Fixationssysteme.» Rund hundert Mitarbeitende zählt das Unternehmen. «Als KMU ist die Firma äusserst innovativ, schnell und zuverlässig.» Produziert wird ausschliesslich in Muri, vor zwei Jahren wurde eine Tochterfirma in den USA gegründet.
In genau jenem Land also, dessen Präsident immer wieder für Aufruhr sorgt. Gerade auch, wenn es um Strafzölle geht. 39 Prozent betragen jene, die für Produkte aus der Schweiz bezahlt werden müssen. «Der amerikanische Markt ist wichtig für uns», sagt Simon Gsell. Und dennoch fügt er an: «Kurzfristig spüren wir noch keine Effekte der Strafzölle.» Der Grund liegt darin, dass die Kunden die Produkte importieren und entsprechend mehr zahlen. «Es kommt uns zugute, dass unsere Branche stark reguliert ist.» Bis ein neues Produkt validiert, auditiert, getestet und zugelassen ist, dauert es. «Entsprechend können unsere Kunden nicht vom einen auf den anderen Tag den Zulieferanten wechseln», sagt Gsell, der in Bettwil lebt.
Aber ändert sich mittel- bis langfristig nichts, könnte auch die Gsell Medical Plastics AG vor Herausforderungen gestellt werden. «Aktuell stellen wir grössere Bestellungen noch zurück, um eine allfällige Zolländerung abzuwarten, doch dies ist nur ein kurzfristiges Verschieben.» Aber Gsell ist überzeugt: «Die Amerikaner sind auf unsere Schweizer Innovationskraft angewiesen.» Und er glaube an die Fähigkeiten der Diplomatie.
Um Risiko zu minimieren, Standort in USA gegründet
Grundlegendes plant die Firma wegen der hohen Strafzölle nicht zu verändern. «Es gab Anfragen, ob ein Teil der Produktion in die USA verlegt wird. Das ist kein Thema und wir produzieren auch in Zukunft ausschliesslich in der Schweiz. Wir vertrauen auf den Standort Muri und sind auf unsere hervorragend ausgebildeten Fachkräfte angewiesen. Aber unsere Kunden werden uns den Weg weisen.» Und die USA ist im Medizintechnik-Bereich dominant. «Dennoch, Bedenken habe ich keine. Wir sind breit abgestützt», sagt Simon Gsell.
Gsell ist überzeugt, dass noch bis Ende Jahr eine Verbesserung der Situation erreicht werden kann. «Der beste Fall sähe so aus, dass die Schweiz bessere Konditionen hat als Europa», sagt er. Mindestens gleiche Konditionen, davon geht er aus. «Weil wir mit unserem Lohnniveau und den höheren Produktionskosten sowieso schon im Nachteil sind.» Und eben, Simon Gsell vertraut auf die Diplomatie und auf die Strategie der Gsell Medical Plastics AG: breit aufgestellt sein, auch in einer Nische. «Wir sind stolz auf unsere Swissness und schauen sehr positiv in die Zukunft.»
Mehr Infos: www.gsell.ch.
«Wir brauchen uns nicht zu verstecken»
Jure Batur, CEO der Similasan in Jonen, glaubt an den Wirtschaftsstandort Schweiz
Trotz der aktuellen Unberechenbarkeit: Die Similasan will und muss sich weiter auf dem US-Markt behaupten. Nach zweieinhalb Jahren im Krisenmodus soll das Pharmaunternehmen aus Jonen wieder durchstarten.
Thomas Stöckli
In zehn verschiedenen Sprachen ist sie zu lesen, die Willkommensbotschaft im Eingangsbereich der Similasan in Jonen. Rund die Hälfte der Produkte, die hier gefertigt werden, gehen in den Export. Im Frühjahr 2023 seien es noch über 70 Prozent gewesen, sagt CEO Jure Batur. Doch dann hat die US-Behörde Food and Drug Administration über Nacht einen ganzen Industriezweig stillgelegt. Mit Anpassungen der regulatorischen Vorgaben, für die es in der Schweiz mehrere Jahre Vorlauf gäbe.
Dies weil ein Konkurrent bakteriell kontaminierte Augentropfen in den Handel gebracht hatte. Für die Similasan fielen damit am US-Markt 90 Prozent des Umsatzes weg. «Dabei hatten wir uns 40 Jahre nichts zuschulden kommen lassen», so Batur.
Unvermeidliches Klumpenrisiko
Jetzt, zweieinhalb Jahre später, ist das Joner Unternehmen immer noch im Krisenmodus. Der Personalbestand wurde von 150 auf 90 Mitarbeitende reduziert, der geplante Umbau in der Produktion dennoch angepackt. Zehn Millionen liess man sich das in abgespeckter Version kosten. In der Zwischenzeit läuft die Produktion erst auf Sparflamme. «Die Mitarbeiter sind bereit, die neuen Anlagen sind bereit, wir warten nur noch auf die Freigabe der Behörde», so Batur. In der Schweiz hat das Unternehmen deshalb schon etwas Marktanteil verloren, weil nicht immer alles lieferbar war.
Der Schweizer Markt ist derzeit der wichtigste. Aber der sei noch vor der Krise gesättigt gewesen, «jetzt haben wir wieder Potenzial», sagt Batur. Ausgebaut werden soll der Absatz neben der Schweiz auch nach Kanada, Österreich, Südafrika und in die Niederlande. Und auch den Rückgang im US-Markt will man mindestens wettmachen. «Das birgt zwar ein Klumpenrisiko», ist sich Batur bewusst, «der US-Markt ist aber zu gross, als dass man ihn links liegen lassen könnte.»
Planung in Szenarien
«Nur wenn das US-Geschäft wächst, kann auch der Standort Jonen stärker wachsen», sagt Batur. Angesichts der aktuellen Ungewissheit ist man allerdings eher im Wartemodus, plant in verschiedenen Szenarien. Als Teil der Pharmabranche ist Similasan von den aktuellen Zöllen nicht betroffen. Noch nicht. Und Trump habe gar schon von 255 Prozent Zöllen für die Branche gesprochen. «Das würde alles kaputtmachen», so Batur. Mit den Retailern in den USA ist Similasan im Austausch. Während die einen Verständnis zeigen und offen sind für eine verträgliche Lösung – sprich: eine teilweise Weitergabe allfälliger Zölle an die Kundschaft –, spielen andere ihre Marktposition knallhart aus.
Eine Verlagerung der Produktion in die USA ist allerdings keine Option. Das würde Millionen kosten und wohl fast drei Jahre dauern. In anderen Ländern sei man seit Jahren den Vertrieb am Aufbauen. In Asien gestaltet sich dies schwierig, weil hier die eigenen Traditionen der Medizinprodukte gepflegt werden. In Südamerika bestehe Potenzial, allerdings mahlen die Mühlen der Administration hier besonders langsam: «Für eine Registrierung in Brasilien mussten wir zehn Jahre warten», so Batur. In den USA hingegen ist das Unternehmen bestens vernetzt und hat sich funktionierende Distributionskanäle erschlossen. «Die Migros hat in der Schweiz 762 Läden, in den USA gibt es gegen 10 000 Walmart- und 8700 Walgreen-Filialen», veranschaulicht der Similasan-CEO die Grössenverhältnisse. Insgesamt waren die Produkte vor der Krise so in über 50 000 US-Geschäften erhältlich.
Am Ende des Tunnels
Was die Augentropfen für den US-Markt anbelangt, arbeitet Similasan inzwischen mit einem Lohnhersteller zusammen. Aus einer Vielfalt von 150 Produkten gilt das gerade mal für drei, vier. Die überwältigende Mehrheit wird in Jonen hergestellt, verpackt und versandt. Und nach zweieinhalb Jahren Krise soll es hier nun wieder vorwärtsgehen. «Ich habe unsere Leute immer vorgewarnt, dass dies ein Marathon wird und kein Sprint», sagt Jure Batur. Trotzdem sei es schwierig, abzuschätzen, wie lange die Strecke wirklich ist. Und man dürfe die Krise nicht zur neuen Normalität werden lassen. «Wir sind am Ende des Tunnels», zeigt er sich optimistisch und beschreibt, wie sich unter den Mitarbeitenden wieder vermehrt positive Energie zeige.
Was wünscht sich der Similasan-CEO angesichts der Lage von der Politik und den Wirtschaftsverbänden? «Ich bin der Meinung, die Schweiz sollte Stärke zeigen», so Jure Batur. So schwach, wie man sich zuweilen darstelle, sei man nämlich bei Weitem nicht. «Wir haben qualitativ hochwertige Produkte. Im Falle der Similasan sind die fast 100 Prozent ‹Swiss made› – ja, ‹Jonen made›.» Um den Industriestandort Schweiz mache er sich denn auch keine Sorgen: «Wir brauchen uns nicht zu verstecken», sagt er. Und fügt an: «Ich gehe davon aus, dass sich die Lage wieder beruhigen wird. Auch Trump hat ein Ablaufdatum und dann kommt wieder eine andere Regierung.»
Unsicherheit und abwarten
Umfrage beim Gewerbe: Welche Auswirkungen haben US-Zölle auf Freiämter Unternehmen?
Die US-Zollerhöhungen sind in aller Munde. Fragen zu den Auswirkungen haben die Mitglieder des Gewerbevereins Muri und Umgebung sowie die Präsidenten der Industrievereinigung Muri und Umgebung und der Aargauer Industrie- und Handelskammer (AIHK), Regionalgruppe Freiamt beantwortet.
Verena Anna Wigger
Philippe Widmer ist Präsident der AIHK-Regionalgruppe, er erklärt, dass im Freiamt rund 200 Mitgliederfirmen angesiedelt sind. Da diese Betriebe in unterschiedlichen Branchen tätig sind, sei aus heutiger Sicht eine pauschale Aussage schwierig. Grundsätzlich könne er jedoch aus der eigenen Erfahrung seines Produktionsbetriebs, der Aluminiumgiesserei Wizol AG in Sarmenstorf, sagen, dass die meisten produzierenden Kleinbetriebe Zulieferer seien und dementsprechend indirekt oder direkt von den neuen Zöllen betroffen sind. Dies weil ihre Kunden weltweit verkaufen. Dazu habe es im Freiamt auch grosse Unternehmen, welche direkt in die USA exportieren. «Zurzeit herrscht eine abwartende Stimmung», sagt Widmer. Je nach Tätigkeit findet hier ein starker Rückgang der US-Exporte statt und das habe grosse Auswirkungen auf die Auftragslage.
So richtig greifbar sei die Krise noch nicht für alle Beteiligten. Widmer persönlich geht davon aus, dass sich die Lage auf Ende Jahr zuspitzen wird, «dass sich die Wirtschaft abkühlt und es in einigen Betrieben zu ruhig sein wird». Natürlich hoffe er, dass er mit diesen Prognosen falsch liege, denn nach Covid, dem Krieg in der Ukraine, dem starken Anstieg der Energiekosten und nun diesem Zollstreit kommen die ausserordentlichen Ereignisse kurz hintereinander, was eine grosse Herausforderung darstellt.
Abwarten
Ähnlich sieht es der Präsident der Industrievereinigung Muri und Umgebung (IVM), Stefan Heggli. «Bis jetzt merken wir persönlich noch nichts», er gehe davon aus, dass einige ihrer Kunden damit zu kämpfen haben und dies dann indirekte Auswirkungen auf seinen Betrieb, die Heggli-Gubler AG in Muri, geben werde. Die Firma ist im Bereich für spanlos umgeformte Blechteile im Metalldrückverfahren tätig. Innerhalb der IVM sei das Thema noch nicht mit allen Mitgliedern besprochen worden, so der Präsident. Zudem gebe es natürlich Überschneidungen der Mitglieder mit der AIHK.
Weniger international tätig
Die Umfrage im Gewerbeverein zu direkter oder indirekter Betroffenheit und Auswirkungen hat nur ein kleiner Teil der Mitglieder des Gewerbeverbands Muri und Umgebung beantwortet. Doch die Stimmungslagen der Rückmeldungen sind mehrheitlich so, dass es für die Unternehmen der in der Region Muri ansässigen Vereinigung weniger oder gar keine Auswirkungen gibt, da viele Betriebe regional oder lokal produzieren. Aber auch weil sie sich in Sparten bewegen, deren Produkte unabhängig von der US-Zollpolitik sind. Aus den Rückmeldungen gab es jedoch auch Eingaben aus der Baubranche, dass Lieferanten von Betrieben dem Zolldiktat der USA unterliegen. Doch auch diese zeigen bis anhin keine Auswirkungen durch die amerikanische Zollpolitik.
Im eigenen Betrieb spürbar
Die KSM Stoutz AG in Muri, die auf technischen Apparatebau spezialisiert ist und mehrheitlich mit Chromstahl Komponenten für die Lebensmittelund Pharmabranche herstellt, spürt die Folgen der US-Zölle deutlich. «Insbesondere, weil ein Teil unserer Kunden amerikanische Muttergesellschaften hat oder direkt in die USA exportiert», erklärt Sebastian Stoutz in seiner Rückmeldung.
KSM Muri spüre eine Marktunsicherheit durch Projektverzögerungen. Das wiederum generiere eine schwierige Marktsituation für Partner, daraus resultiere vermehrte Unsicherheit. «Grössere Aufträge werden momentan pausiert und Investitionen reduziert.» Diese Unsicherheit werde sich unmittelbar auf das Umsatzwachstum auswirken. Stoutz sieht darin aber auch eine Chance in der aktuellen Situation. «Freigewordene Produktionskapazitäten können nun verstärkt für lokale Kunden und kleinere Projekte genutzt werden», so Stoutz weiter.
Das Familienunternehmen hofft auf ein künftiges Handelsabkommen, welches mehr Planungssicherheit verschaffen würde. «Dies würde sowohl die transatlantischen als auch die europäischen Geschäftsbeziehungen wieder stabilisieren», so die einhellige Meinung der Unternehmerfamilie Stoutz, erklärt Sohn Sebastian Stoutz von KSM Stoutz in Muri. In der Zwischenzeit werden sie alles daran setzen, flexibel zu reagieren und sowohl ihren internationalen als auch heimischen Kunden bestmögliche Lösungen bieten.
Für so was gewappnet
Die Georg Utz AG und ihr vorausschauender Umgang mit den Handelshemmnissen
Obwohl die Bremgarter Traditionsfirma in den USA aktiver ist denn je, ist man vom trumpschen Zollhammer nur am Rande betroffen. Der Grund – die Georg Utz AG betreibt in Indianapolis eine eigene Produktionsstätte.
Marco Huwyler
«Natürlich ist der Himmel auch für uns nicht immer wolkenlos und blau», sagt Carsten Diekmann. Denn auch wenn beim Geschäftsführer der Georg Utz AG die Sorgenfalten in diesen Tagen weit weniger ausgeprägt sind als bei anderen Wirtschaftsvertretern, schlägt man sich auch beim Bremgarter Hersteller für Mehrwerkverpackungen mit der allgegenwärtigen Thematik US-Zölle herum. «Unsere Kunden in der Schweiz und in Europa spüren für ihre Exporte die US-Zölle – was auch nachgelagert Auswirkungen auf unsere Aufträge von jenen Kunden haben wird», sagt Diekmann.
Der 56-Jährige führt derzeit deshalb viele Gespräche mit teils langjährigen Geschäftspartnern. «Dabei erkenne ich natürlich die nüchterne Realität, dass Mehrkosten von 39 Prozent nicht einfach kompensiert werden können.» Deshalb sei der Markt vielerorts im Wandel, was auch die Georg Utz AG betreffe. «Wir sehen als internationale Unternehmensgruppe aber nicht nur das Risiko sondern auch die Chancen, die ein Wandel immer mit sich bringt», sagt Diekmann.
Bereits vor Jahren vorgesorgt
Zumal der Utz-Geschäftsführer auch allen Grund für Optimismus hat. Denn das Bremgarter Familienunternehmen hat seit vielen Jahren eine eigene Produktionsstätte in Indianapolis. Damit braucht der Industriebetrieb seine Produkte nicht nach Übersee zu exportieren – und ist von den US-Zöllen nicht direkt betroffen. «Die vor Jahren durch Familie und Verwaltungsrat getroffene Entscheidung, in den USA eine lokale Produktion aufzubauen, macht sich bezahlt, obwohl zum Zeitpunkt der Entscheidung von Donald Trump und seinem Team noch nichts zu hören war», lächelt Diekmann.
Für den Utz-Geschäftsführer ist es «sehr schön zu sehen», dass sich die langfristig abgestützte Strategie, lokal zu produzieren, auszahlt und Früchte trägt. «Denn so sind wir, wenn sich die Rahmenbedingungen einmal schnell und ohne Vorwarnung verändern – wie eben jetzt – gut gewappnet.»
Gut gefüllte Auftragsbücher
Kommt hinzu, dass sich die Auftragslage in den USA bestens entwickelt. «Unser hochmoderner Standort in Indianapolis profitiert zurzeit sehr vom Automatisierungstrend und der Standardisierung der Lieferketten», erklärt Diekmann. In den USA gebe es einen grossen Nachholbedarf in der Effizienzsteigerung von Logistikprozessen und im Bereich Mehrwegverpackungen, die in automatisierten Anlagen laufen – also genau in jenen Geschäftsfeldern, in denen Utz aktiv ist. «Das gibt uns in den USA einen starken Rückenwind.» Das wiederum führt dazu, dass der US-Zollhammer beim Bremgarter Unternehmen wohl nicht für Einbussen sorgt und keine Stellen abgebaut werden müssen. «Im Gegenteil. In den USA werden sogar noch weitere Kollegen und Kolleginnen eingestellt, weil die Auftragsbücher gut gefüllt sind», sagt Diekmann. Insgesamt sei auch die Abhängigkeit der anderen Produktionsstandorte von den Wirtschaftsbedingungen in den USA gering. Man lebt auch in Europa von vielen lokalen Handelsbeziehungen mit stabilen Partnerschaften.
«Vielleicht zu gutgläubig»
Dennoch verfolgt der Utz-Geschäftsführer die Entwicklungen rund um Trump und dessen Zölle mit gemischten Gefühlen. «Zölle und regulierende Steuern haben immer einen eingreifenden Effekt, der die freie Marktwirtschaft beeinflusst und verändert. Es werden künstliche Handelshemmnisse aufgebaut, die bestehende und etablierte Lieferketten stören oder sogar stoppen», sagt Diekmann. Das sei für die Wirtschaft insgesamt nicht gut – und damit auch für die Utz nicht. Überrascht war Diekmann aber nur bedingt. «Wenn wir ehrlich zu uns selbst sind, hat Präsident Trump viele Dinge im Wahlkampf angekündigt und angedroht. Vielleicht waren wir als Europäer auch etwas zu gutgläubig oder auch blauäugig und haben gedacht, so schlimm kommt es bestimmt nicht.» Es gelte nun mit den Verhältnissen umgehen zu lernen. «Donald Trump ist ein harter Verhandler, der erst einmal einen Anker setzt und sich dann stufenweise dem Gegenüber annähert. Vielleicht nicht das Verhaltensmuster, welches wir kennen und mit unseren Werten teilen. Fakt ist aber auch, dass die US-Regierung demokratisch gewählt wurde und wir das akzeptieren müssen.»
«In der Champions League»
Die grosse Herausforderung angesichts der wechselnden Bedingungen und der Weltlage generell sei es, flexibel zu bleiben, findet Diekmann. Durch die globale Verkettung von acht Produktionsstandorten von Bremgarten über Amerika, Mexiko oder China sei Utz diesbezüglich gut aufgestellt. «Durch die verschiedenen Standorte können wir optimal reagieren.» Zumal der globale Produktionsverbund digital miteinander vernetzt sei. «Dadurch sind wir schnell und agil in der Reaktion auf Kundenanforderungen und Spezialwünsche.»
Ein Spritzgiesswerkzeug, welches heute noch in Bremgarten produziere, könne schon nächste Woche in England oder in den USA laufen. Durch die Standardisierung der Prozesse, Qualität und Produktionsmaschinen sei man vergleichsweise sehr schnell. «Vielleicht nicht ganz so schnell wie bei einem Reifenwechsel in der Formel 1, aber um in der Sportsprache zu bleiben – in der Champions League können wir ohne Probleme mitspielen», schmunzelt der Utz-Geschäftsführer. US-Zölle hin oder her gehe es bei Utz deshalb weiter nach dem bewährten Motto: «Kühler Kopf, warmes Herz und schaffende Hände.»
Immobilienmarkt wichtiger als Zölle
Die Targo Tresore AG in Rudolfstetten nimmt die Zollschwankungen mit Gelassenheit
Hochwertige Tresore scheinen ein krisensicheres Produkt sein. Joel Bundi, Geschäftsinhaber der Targo Tresore AG, wirkt trotz hoher US-Zölle und ihrer Orientierung auf Exporte entspannt.
Die Targo Tresore AG wurde 1957 in Berikon gegründet und wird heute in dritter Generation durch Joel Bundi geführt. Seit 1983 produziert sie ihre Tresore in Rudolfstetten. Heute beschäftigt sie neben dem Chef vier Mitarbeiter. Die Tresore, die hier gemacht werden, sind gefragt – auch in den USA. Dennoch erklärt Joel Bundi: «Das Hin und Her der US-Zölle spüren wir nicht direkt, da wir in den USA mit einem Zwischenhändler arbeiten.»
Export als zentraler Bestandteil
Seine Firma bezeichnet die USA mit 20 Prozent des Gesamtgeschäfts und Deutschland mit 10 bis 15 Prozent als ihre stärksten Märkte. Daneben liefert sie aber auch in andere Länder. Bundi gibt zu bedenken: «Indirekt spüren wir das Hin und Her der US-Zölle aber natürlich schon. Abfedern lässt sich das kaum – besonders nicht bei Aufträgen, die bereits verkauft und bezahlt waren, bevor die Strafzölle in Kraft traten.» Dort würden sie schlicht Marge verlieren. «Bei allen neuen Bestellungen kalkulieren wir die Strafzölle mittlerweile mit ein.» Bundi bezeichnet den Export als eines der zentralen Bestandteile seines Geschäfts. «Vor allem im Bereich der Luxustresore ist die Nachfrage aus dem Ausland gross. Während Standardtresore mehrheitlich in der Schweiz bleiben, gehen die hochpreisigen, individuell gefertigten Stücke zu einem grossen Teil ins Ausland.» Der Geschäftsführer gibt zu bedenken, dass er seit sieben Jahren von wirtschaftlichen Schwankungen kaum direkte Auswirkungen auf das Geschäft spüre. «Was sich allerdings sehr wohl bemerkbar macht, sind die Zinsen und der Immobilienmarkt», erklärt er. «Wenn das Kaufen von Eigenheimen attraktiv ist, werden mehr Häuser gebaut oder gekauft – und genau dort finden unsere Tresore ihren Platz, sei es beim Neueinbau oder beim Umzug von einer Wohnung ins Haus.»
Bewusst verschlankt
Die Zukunft der Targo Tresore AG sieht er positiv. «Ich habe die Firma letztes Jahr bewusst stark verschlankt und wir stellen uns seither Schritt für Schritt neu auf.» Momentan würden sie praktisch ausschliesslich für bereits verkaufte Aufträge produzieren. «Die Nachfrage übersteigt unsere Kapazitäten.»
Das nächste Ziel sei, ein eigenes Lager aufzubauen. «Damit können wir unsere Margen verbessern, die Planung vereinfachen und die Kommunikation deutlich effizienter gestalten. Kurz gesagt: Wir sind zwar in einer intensiven Aufbauphase, aber die Perspektiven sind hervorragend.» --rwi