Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Jemand guckt immer
Man geht in die Ferien und denkt, man sei allein dort. Jedenfalls seien keine weiteren Leute aus Bremgarten da. Doch weit gefehlt. Wieder zu Hause auf dem ...
Heidi Ehrensperger, Bremgarten.
Jemand guckt immer
Man geht in die Ferien und denkt, man sei allein dort. Jedenfalls seien keine weiteren Leute aus Bremgarten da. Doch weit gefehlt. Wieder zu Hause auf dem Wochenmarkt, wird man gefragt, ob es schön gewesen sei im Tessin. Selbst vor dem einsamen Kloster in Bigorio wurde man also gesehen. Noch direkter erlebten wir das in Wien: Wir warteten auf die nächste U-Bahn – und entdeckten gute Bekannte aus Bremgarten. Wie kommt das? Tun wir alle dasselbe? Reisen Herr und Frau Schweizer alle just ins Tessin und nach Wien?
Eine Bekannte erzählt mir, dass sie selbst auf der abgelegensten griechischen Insel ohne Flugplatz noch Leute aus dem Freiamt gesehen hätte. Das Phänomen, dass man überall Bekannte antreffen kann, ist also weit verbreitet. In einem anderen Jahr, auch in Wien, ruft unsere Gastgeberin aus der Wachau an, bei der wir oft eine Ferienwohnung mieten. Und sie fragt als Erstes: «Gell, ihr seid nicht zu Hause? Ihr wurdet von unseren aktuellen deutschen Feriengästen in Wien an der Bushaltestelle gesehen!» Wir sind verblüfft, denn wir sind tatsächlich in Wien und hatten vor ein paar Stunden an der besagten Bushaltestelle gewartet.
Offensichtlich ist die Welt kleiner, als ich gedacht hatte. Mit einem Berufskollegen aus München sprach ich über meine Herkunft. Er sagte mir, dass er in München mit einem Schweizer zusammenarbeite, aber diesen werde ich wohl kaum kennen. Ich fragte aus Neugier nach – und es stellte sich heraus, dass dieser Schweizer im gleichen kleinen Freiämter Dorf aufgewachsen ist wie ich. Ein Schulkollege meines Bruders.
Sind das nun alles Zufälle oder Zeichen dafür, dass die Welt ein Dorf ist? Die Schweiz ist das ganz sicher: Da treffe ich im Qi-Gong-Kurs in Poschiavo auf eine Frau aus dem Wallis. Ich erwähne, dass ich im Wallis einen Polizisten kennen würde. Sie guckt mich mit grossen Augen an. Ich nenne etwas zögerlich seinen Namen – und er war der ehemalige Babysitter ihrer Kinder!
Also lernt der Mensch daraus: Wenn das alles so ist, gilt es mehr Vorsicht walten zu lassen beim selbstvergessenen Nasenbohren vor einer Ampel. Jemand guckt immer. Und erst recht, wenn man irgendwo über andere Leute spricht… Nur Gutes!