«Überall nahe dran»
29.07.2022 SportDer Freiämter Sascha Amhof ist der oberste (operative) Schiedsrichter der Schweiz
Tessin, England, Malta. Sascha Amhof ist in diesen Tagen im Stress. Der Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) erzählt über seinen ...
Der Freiämter Sascha Amhof ist der oberste (operative) Schiedsrichter der Schweiz
Tessin, England, Malta. Sascha Amhof ist in diesen Tagen im Stress. Der Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim Schweizerischen Fussballverband (SFV) erzählt über seinen vielseitigen Job, was er vom VAR hält und wieso es immer schwieriger wird, genügend Schiedsrichter für die Spiele aufzubieten.
Stefan Sprenger
«Es ist immer was los», sagt Sascha Amhof, 42 Jahre alt. Ob beruflich als oberster Schiedsrichter der Schweiz oder privat als Familienvater. Vor wenigen Tagen gönnte er sich eine Auszeit im Tessin. Zeit mit der Frau und mit den dreijährigen Zwillingstöchtern. Der Sarmenstorfer (der heute in Erlinsbach lebt) ist nach den Kurzferien aber gleich wieder unterwegs – natürlich für den Fussball.
Grosses Lob für Susanne Küng
«Spontan», wie er sagt, hat er entschieden, an die Frauenfussball-EM nach England zu reisen. Die Schweizer Schiedsrichterin Esther Staubli leitete den Halbfinal zwischen Gastgeber England und Schweden. Beim 4:0-Sieg der Engländerinnen stand mit Assistentin Susanne Küng eine Freiä mter i n ( Meren schwa nd, Wohlen) an der Seitenlinie. «Ich bin stolz. Sie machten beide einen tollen Job. Es war sehr berührend», sagt Amhof. Fast 30 000 Zuschauer sind dabei, der Druck war dementsprechend gross. «Susanne Küng ist bescheiden, investiert viel und macht ihre Sache sehr gut. Ein grosses Kompliment an sie, sie ist ein grosses Vorbild», sagt Amhof weiter. Küng und Staubli zeigen, was man als Schiedsrichterin im Frauenfussball erreichen kann.
Ein Mann der ersten VAR-Stunde
Es sind lobende Worte von einem, der es wissen muss. Amhof war selbst jahrelang Spitzenschiedsrichter. Seit zwei Jahren ist er zu 100 Prozent angestellt als Leiter des Ressorts Schiedsrichter beim Verband (SFV). «Ich liebe, was ich tue. Mein Job ist ein Privileg.» Seine Aufgaben: «Den Laden zusammenhalten», wie er lachend sagt. Konkret ist er – zusammen mit seinen acht Mitarbeitern – verantwortlich für alle Tätigkeiten rund um das Schiedsrichterwesen. Seien es administrative Tätigkeiten oder die Aus- und Weiterbildung.
Beim Video Assistant Referee (VAR) in Volketswil, wo alle Spiele der Super League «überwacht» werden, ist Amhof einer der Supervisoren. Seit der VAR vor drei Jahren eingeführt wurde, ist Amhof dabei. Ein Mann der ersten VAR-Stunde. «Ich bin überzeugt, der VAR ist eine gute Sache. Er hilft zu mehr Gerechtigkeit im Fussball.» Während früher der VAR nur bei klaren und offensichtlichen Fehlern eingriff, werden immer mehr auch kleinere Fehler korrigiert. «Fehler kann man nie ganz ausschliessen. Am Ende sind und bleiben die meisten Schiedsrichterentscheide subjektiv. Und Menschen, die subjektiv entscheiden müssen, machen Fehler.»
Allerdings wird die Quote der Fehlentscheide massiv gesenkt. Amhof wird sogar etwas Stammtisch-philosophisch, wenn er sagt: «Unsere Gesellschaft akzeptiert immer weniger Fehler. Sofort wird gemotzt. Es ist gefährlich, wenn wir die menschlichen Fehler nicht mehr akzeptieren. Ob im Sport oder im Alltag.»
VAR im Schwingen?
Amhof äussert sich auch zum Schwingen, wo der VAR aktuell ein Thema ist. «Wer den VAR nicht hat, der will ihn. Die Schwinger müssen selber beurteilen, ob sie das wollen oder nicht. Es ist eine Grundsatzentscheidung.»
Zurück zu seinen Aufgaben im nationalen Verband. Dort ist Amhof gemeinsam mit vier Mitarbeitern für die Einteilung der rund 350 Schiedsrichter zuständig – alle Spiele von der Super League bis zur 2. Liga interregional brauchen Schiedsrichter und Assistenten. «Das ist eine ziemliche Challenge», so Amhof.
Mehrfacheinsätze verhindern Kollaps des Spielbetriebs
Es gibt auch auf dieser Stufe kurzfristige Änderungen, Ausfälle und Absenzen, auf die man teilweise erst wenige Stunden oder Tage vor dem Spiel reagieren kann – und in der Coronazeit haben zudem einige Dutzend Schiedsrichter ihren Job «gekündigt». Damit der Spielbetrieb aufrechterhalten werden kann, müssen einige Unparteiische mehrmals pro Woche in die Hosen steigen. Ohne diese Bereitschaft der Schiedsrichter für Mehrfacheinsätze wäre der Kollaps des Spielbetriebs wohl kaum zu vermeiden. «Der Druck steigt», sagt Amhof – und man überlegt sich im Verband weitere Schritte, um dem entgegenzuwirken. «Beispielsweise mit einer gezielten Aus- und Weiterbildung», so der Freiämter.
Beim Spiel an der Frauenfussball-EM zwischen England und Schweden war Amhof übrigens privat, auch wenn die Zusammenarbeit mit den Schiedsrichterinnen Staubli und Küng in sein berufliches Portfolio fällt. Wenige Stunden nach Abpfiff der Partie ist er bereits wieder beruflich unterwegs nach Malta, wo er als UEFA-Schiedsrichter-Beobachter ein Spiel in der Conference-League-Qualifikation begleitet.
Neuer Job an der WM in Katar?
Amhof will «so weitermachen». Denn sein Job gefällt ihm enorm. «Es macht mir Freude. Ich bin überall nahe dran wie kaum ein anderer und kann die Schiedsrichter begleiten. Ich war für diese Arbeit schon im Wembley in London, in der Allianz Arena in München und an unzähligen weiteren Orten. Meine Ambition ist es, noch viele Jahre diesen Job auszuführen», sagt der Sarmenstorfer.
Apropos Sarmenstorf: Amhof war am Aargauer Cupfinaltag in Baden, als «Sarmi» den Titel holte, live dabei. «Das habe ich mir nicht entgehen lassen.» Amhof, der nach wie vor mit einem Auge auf den FC Sarmenstorf schielt, ging privat an das Spiel – mit Frau und Kindern. «Familie und Fussball, das ist mein Leben», sagt er und kündigt an, dass er wohl auch an der Fussball-WM in Katar, die im November startet, eine Aufgabe haben wird. Welche das ist, will er noch nicht verraten.