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17.05.2022 Spitex125 Jahre Spitex Freiamt
Bereits 1896 wurde in Wohlen der Krankenpflegeverein gegründet. 125 Jahre später ist der inzwischen zur Spitex gewandelte Verein in Wohlen immer noch aktiv. Und weiterhin autonom, auch wenn für die Zukunft ein Zusammenschluss oder eine ...
125 Jahre Spitex Freiamt
Bereits 1896 wurde in Wohlen der Krankenpflegeverein gegründet. 125 Jahre später ist der inzwischen zur Spitex gewandelte Verein in Wohlen immer noch aktiv. Und weiterhin autonom, auch wenn für die Zukunft ein Zusammenschluss oder eine Fusion nicht ausgeschlossen werden. Zum Jubiläum verschenkt der Verein ein rares Gut: Zeit. --chh
Sich selber etwas Zeit schenken
Die Spitex Wohlen kann ihr 125-Jahr-Jubiläum feiern
Am 13.Dezember 1896 wurde im «Sternen» in Wohlen der Krankenpflegeverein des Bezirks Bremgarten gegründet. Zwar wurde dieser sechs Jahre später bereits aufgelöst, aber die Spitex Freiamt als heutige Nachfolgerin gibt es immer noch. Und sie kämpft teilweise mit den gleichen Problemen wie damals.
Chregi Hansen
Es ist ein kleiner Schatz, den Geschäftsleiterin Christine Kaspar Frei in den Händen hält: das Protokollbuch aus den Anfängen des Vereins. In feinsäuberlicher Handschrift und in Tinte sind die vielen Aktivitäten hier notiert. Ganz viele Erinnerungen sind hier vermerkt.
Auch das Kassenbuch aus dieser Zeit liegt noch vor. Jedes Mitglied ist mit Ein- und Austrittsdatum vermerkt und mit den bezahlten Beiträgen. Der Jahresbeitrag belief sich vorerst auf 4Franken. Im ersten Jahr resultiert ein Gewinn von 930 Franken. Trotzdem kam der damalige Präsident Robert Müller zum Schluss: «Obwohl das finanzielle Ergebnis zufriedenstellend ist, muss man sich vorsehen, dass es nicht anders wird.»
Damals gab es keine Pflegeschulen
«Es macht Spass, in diesen alten Aufzeichnungen zu blättern», erklärt Christine Kaspar Frei, die Leiterin der Spitex Freiamt. Besonders auch darum, weil der Verein schon damals mit den gleichen Problemen kämpfte wie heute: das Finden von genügend Personal und die Finanzen. «Es gab zu dieser Zeit noch keine Pflegeschulen und keine Krankenkassen», macht Kasper deutlich. Darum habe der Krankenpf legeverein Wohlen schon früh die Zusammenarbeit mit anderen Organisationen wie den Samaritern gesucht oder auch eigene Kurse angeboten. «Der Verein war von Anfang an weitsichtig und pionierhaft unterwegs», kann die Geschäftsleiterin heute feststellen.
Das fing an mit der Gründung des Krankenpf legevereins des Bezirks Bremgarten, initiiert vom Vorstand der Gemeinnützigen Gesellschaft, im Dezember 1896. Damit gehörte Wohlen zu den ersten Gemeinden, welche ein solches Angebot schufen. Sechs Jahre später teilten sich Wohlen und Bremgarten in zwei separate Vereine auf. Die Personalsorgen waren akut, der Präsident forderte von der Bevölkerung Verständnis – auch «die tüchtigsten Wärterinnen werden müde und nachlässig, wenn sie mehrere Nächte gearbeitet haben». Auch die Finanzsorgen waren gross, darum musste die Pflegetaxe von 1.50 auf 2.50 Franken erhöht werden. Und es wurde über den Anschluss an eine andere Organisation nachgedacht.
Brockenstube sorgte für zusätzliche Einnahmen
Personal und Finanzen bereiteten immer wieder Sorgen. Deshalb waren im Verein immer wieder innovative Lösungen gefragt. So unterstützte er beispielsweise früh die erste Pflegerinnenschule der Schweiz, was zur Folge hatte, dass Wohlen besser an ausgebildetes Personal kam. Oder man eröffnete im Jahr 1966 eine Brockenstube, um zusätzliche Einnahmen zu generieren. «Wir müssen den Hut ziehen vor den Leistungen von damals», erklärt Kasper.
Stolz ist man im Verein aber auch auf die Leistungen von heute. Die Spitex Freiamt, zu der neben Wohlen auch Waltenschwil gehört, kümmert sich um rund 180 Kunden, beschäftigt 37 Mitarbeiterinnen und bietet ihre Dienste rund um die Uhr an. Dabei arbeitet man eng mit anderen Spitex-Organisationen zusammen, die sich beispielsweise um Kinder oder psychisch Kranke kümmern. «Wir haben keine Berührungsängste, weder zu öffentlichen noch zu privaten Spitex-Organisationen», erklärt Präsident Pascal Gregor.
Man sehe sich nicht als Konkurrenten, sondern suche nach Partnerschaften. Und schliesse auch nicht aus, sich später allenfalls einer grösseren Organisation anzuschliessen und zu fusionieren, so Gregor weiter. «Wir wollen weiterhin Leistungen von hoher Qualität anbieten. Als mittelgrosse Organisation kommen wir bei Personalausfällen schnell an den Anschlag», erklärt Kaspar. Dann kommt es schon vor, dass die Geschäftsleiterin während einer Medienorientierung noch den Telefondienst übernehmen muss. «In einer grösseren Einheit lassen sich solche Ausfälle besser abfedern», lacht sie.
Besonderes Geschenk
Die Spitex sei heute ein enorm wichtiger Pfeiler in der Gesundheitsversorgung. Die Menschen werden immer älter, und die Krankenhäuser schicken die Patienten immer früher nach Hause. Dazu kommen die neuen Wohnformen im Alter und die veränderten Bedürfnisse und Anforderungen. So reicht laut Vertrag mit den Krankenkassen einmal Duschen pro Woche. «Das ist schon lange nicht mehr zeitgemäss», findet Kaspar. Klar ist darum aber auch, dass nicht alle erbrachten Leistungen verrechnet werden können, weshalb der Verein weiterhin auf die Vereinsbeiträge und Spenden angewiesen ist.
Die Herausforderungen bleiben gross. Zum Glück blieb die Spitex Freiamt bisher von Personalproblemen verschont. Dies auch darum, weil sie selber eine Ausbildungsinstitution ist. Und immer auch versucht, den Mitarbeiterinnen entgegenzukommen und attraktive Bedingungen zu bieten. Dazu gehört nicht zuletzt das Jubiläumsgeschenk, das sich die Spitex Freiamt selber macht. Sie verschenkt das, wovon die Mitarbeiterinen meist zu wenig haben. Zeit für die Kunden. «Wir schenken jeder Mitarbeiterin acht Stunden im Jahr, welche sie für Kontakte nutzen kann, ohne dass sie verrechnet werden», erklärt Präsident Gregor. Denn im Normalfall seien die Zeitfenster bei den Besuchen sehr eng. «Hier wollen wir ein klein wenig entgegenwirken», sagt Gregor.
Jubiläums-GV am 9. Juni
Geschäftsleiterin Christine Kaspar Frei freut sich über diese Geste. Für viele kranke Menschen, vor allem für die älteren, sei die Spitex manchmal der einzige Kontakt am Tag. «Gerade in der Coronazeit wurde das Problem der Einsamkeit verstärkt. Es ist toll, wenn die Mitarbeiterinnen sich nun auch etwas Zeit nehmen, einmal ein persönliches Gespräch zu führen, ohne gleich auf die Uhr zu schauen», sagt sie. Und Ja, das koste den Verein etwas. «Aber wir verfügen über ein gewisses Vermögen und möchten das Geld denen zurückgeben, die es brauchen», so der Präsident. Der nun hofft, dass die Mitglieder diesem Vorschlag an der Jubiläums-GV vom 9. Juni auch zustimmen. Wobei er und Kaspar keinen Zweifel haben, dass dem so sein wird.