Dem Bauch-Gefühl gefolgt
26.11.2021 SportHandball, 2. Liga: Mutschellens Spielertrainer Mario Obad vor dem Duell gegen Muotathal II (Samstag, 18 Uhr, Burkertsmatt)
Acht Spiele, acht Siege. Der HC Mutschellen reitet mit Spielertrainer Mario Obad auf einer Erfolgswelle. Diese soll auch morgen Samstag im Duell gegen ...
Handball, 2. Liga: Mutschellens Spielertrainer Mario Obad vor dem Duell gegen Muotathal II (Samstag, 18 Uhr, Burkertsmatt)
Acht Spiele, acht Siege. Der HC Mutschellen reitet mit Spielertrainer Mario Obad auf einer Erfolgswelle. Diese soll auch morgen Samstag im Duell gegen den Tabellendritten aus dem Muotathal nicht abreissen. Dass der frühere kroatische Nationalspieler im Freiamt gelandet ist, liegt an einer Verkettung zahlreicher Bauchentscheidungen.
Josip Lasic
Mario Obad sticht sofort ins Auge, wenn er durch die Burkertsmatthalle marschiert. 1,97 m gross und 97 kg schwer ist der Hüne kaum zu übersehen. Auch handballerisch ist Obad ein ganz Grosser. Er war Profi in Kroatien, Österreich und Frankreich. Der Kroate war auch Teil des Nationalteams seines Heimatlandes. Obwohl er «nur» zehn Spiele für die «Cowboys», wie die Nationalmannschaft in Kroatien genannt wird, absolviert hat, ist das eine grosse Ehre. Das Team hat zahlreiche Medaillen bei Olympia, Welt- und Europameisterschaften geholt. Wer in Kroatiens Nationalteam spielt, kann Handball.
Jetzt ist Mario Obad Spielertrainer bei Mutschellen. Es ist auch seiner Qualität und Erfahrung zu verdanken, dass die Freiämter unaufhaltsam durch die 2. Liga marschieren und aus acht Spielen acht Siege geholt haben. Doch wie landet ein Mann vom Kaliber eines Obad auf dem Mutschellen? «Ich habe in meinem Leben viele Entscheidungen aus einem Gefühl heraus getroffen», erzählt Obad. «Einige mögen auf den ersten Blick falsch gewirkt haben, doch jede Entscheidung war ein kleines Puzzlestück, das mich am Ende hierhergeführt hat.»
Aus Anstand auf Mutschellen
Das beginnt bereits bei den Verhandlungen mit Mutschellen. «Der sportliche Leiter Alex Milosevic hat mich angefragt», erzählt der in Altdorf wohnhafte Obad. «Ich hatte ein Angebot, als Spielertrainer in Altdorf zu bleiben, und ebenso ein Angebot von Horgen. Da ich berufsbegleitend Physiotherapie studiere, war es für mich eigentlich keine Option, auch noch auf den Mutschellen zu fahren», erzählt der Kroate.
Er berichtet, dass er eigentlich nur aus Anstand zum Gespräch mit Milosevic und HCM-Präsident Pitsch Müller gegangen ist. «In der Halle hier hatte ich plötzlich so ein positives Gefühl. Die Burkertsmatt ist wunderschön. Es herrscht da eine gute Atmosphäre. Im Team ebenfalls. Die beiden konnten mich überzeugen.»
Vom Bürgerkrieg in Handball-Hochburg
Eigentlich fängt die Geschichte aber schon viel früher an. Mario Obad kommt 1982 in Mostar im damaligen Jugoslawien zur Welt. In den 1990ern tobt dort der Jugoslawien-Krieg. Mostar, das im heutigen Bosnien-Herzegowina liegt, wird im Krieg eingekesselt. «Da hatten wir als ganze Familie eine Art Vorahnung. Wir sind einen Tag vorher aus der Stadt geflohen. Hätten wir gewartet, wären wir nicht mehr rausgekommen.»
Die Familie flieht nach Metkovic im heutigen Kroatien. Obad fängt an Fussball zu spielen. Im Verein gibt es aber strukturelle Probleme. Obads Glück: Metkovic ist eine Handball-Hochburg in Kroatien. Zahlreiche kroatische Handballer, die später mit dem Nationalteam Medaillen an Olympischen Spielen, Welt- und Europameisterschaften holen sollten, wie der Superstar Ivano Balic, haben für den lokalen Verein gespielt. Das Abenteuer Handball beginnt für Mario Obad.
Von Paris nach Altdorf
«Meine Philosophie ist, dass alles im Leben aus einem Grund passiert und man die Dinge, die geschehen, immer positiv betrachten soll», sagt Obad. «Nicht jeder Vereinswechsel war förderlich für meine Karriere. Aber da, wo ich heute bin, gefällt es mir sehr gut. Ich bin ein überglücklicher Mensch.»
Obad durchläuft alle Nachwuchsnationalteams Kroatiens. 2005 gewinnt er mit der A-Mannschaft Silber an den Mittelmeerspielen. Für die EM 2006 in der Schweiz wird er beim letzten Cut aus dem Aufgebot gestrichen. Je zwei Beachhandball-Weltund -Europameisterschaften kommen zu seinem Lebenslauf dazu. Trotzdem bleibt es bei zehn Länderspielen für die Aktiven. «Ich habe nicht immer die grossen Angebote angenommen. Nach meiner Zeit in Österreich ging ich beispielsweise nach Kroatien zurück, um mein Sportstudium abschliessen zu können. Jetzt schliesse ich bald mein zweites Studium ab. Wie viele Ex-Profis können das von sich behaupten?»
Der Spielertrainer ist in Kroatien neben Metkovic auch bei Medvescak Zagreb, Cakovec und Nexe Nasice tätig. Dazu bei Bregenz in Österreich und Paris Créteil in Frankreich. Mit Nasice und Bregenz spielt er international. In den meisten Vereinen holt er Meister- oder Vizemeister-Titel des Landes. Nur zuletzt in Frankreich läuft es nicht. «Auch diesen Wechsel könnte man als Fehler betrachten. Ich habe dort wenig gespielt. Aber ich sehe es so: Ohne Créteil wäre ich nie in der Schweiz gelandet.»
Nach seiner Zeit in Frankreich kommt er nach Altdorf. «Ich wechsle also aus der 1. französischen Liga in die Schweiz, dort in die NLB und dann noch nach Altdorf.» Obad möchte sich langsam in Richtung Trainer orientieren und sucht einen Verein, wo er als Spielertrainer agieren kann. «Meine Frau scheut die Kälte. Ihr war es nicht so ganz geheuer mit Altdorf. Irgendwann haben wir uns aber dafür entschieden. Was soll ich sagen? Wir leben seit sieben Jahren dort. Es gefällt uns.»
Obad arbeitet als Physiotherapeut, seine Frau unterrichtet an kroatischen Schulen in der Schweiz. Die Umstellung im Handball fiel ihm zunächst schwer. «Ich war es gewohnt, sieben- oder achtmal die Woche zu trainieren. In Altdorf sah ich, bevor ich kam, auf der Website nur zwei Trainings und war überrascht.» Dennoch ist er erfolgreich mit dem Team. Besonders im ersten Jahr kratzen die Altdorfer am Aufstieg in die NLA. Nach vier Jahren kommt es zu Unstimmigkeiten mit dem Sportchef. Obad wechselt nach Stans, Altdorf steigt ohne ihn ab. Nach zwei Jahren in Stans wechselt er zurück zu Altdorf. Dann kommt der coronabedingte Saisonabbruch und das Angebot vom Mutschellen.
«Die Fans machen auch auswärts richtig Lärm»
«Alex Milosevic hat mich gebeten, dass ich vorbeikomme, damit er mir das Projekt zumindest vorstellen kann. Aber mir gefällt es hier.» Obad ist begeistert davon, dass Präsident Pitsch Müller vor einigen Jahren die NLB als Ziel genannt hat. «Das gefällt mir. Ich möchte ein Team mit Ambitionen. Und Pitsch redet nicht nur. Er ist ein Mann der Tat.» Auch die Fans des HC Mutschellen begeistern den handballverrückten Kroaten. «Die kommen auch in grossen Zahlen an Auswärtsspiele und machen dort richtig Lärm. Das haben viele Teams in der NLA und NLB nicht.» Und nicht zuletzt gefällt ihm die Mannschaft. «Man merkt ihnen den Zusammenhalt an und dass sie lange zusammen spielen. Es ist eine unglaubliche Harmonie. Gewisse Automatismen fehlen noch, welche bei Profis vorhanden sind. Aber die Jungs lernen sie und werden immer besser.» Und mit dem Verbessern des Teams ist Obad noch lange nicht fertig. Er hat vier Jahre Vertrag. Die will er erfüllen. Und morgen Samstag Muotathal II schlagen.

