Weltkoch übernimmt Dorfbeiz
15.10.2021 KelleramtOberlunkhofen: Restaurant Central öffnet Ende November mit neuem Wirt
Mehrere Monate war das Restaurant Central in Oberlunkhofen geschlossen. Voraussichtlich am 20. November gehen seine Türen wieder auf. Fredi Seedorf möchte hier seine Mitte finden. Der ...
Oberlunkhofen: Restaurant Central öffnet Ende November mit neuem Wirt
Mehrere Monate war das Restaurant Central in Oberlunkhofen geschlossen. Voraussichtlich am 20. November gehen seine Türen wieder auf. Fredi Seedorf möchte hier seine Mitte finden. Der Weltenbummler hat schon alles erlebt.
Roger Wetli
«Es gibt wohl keine Küche, die ich nicht bekochen könnte», lacht der neue «Central»-Wirt Fredi Seedorf. Er zeigt seinen Lebenslauf und unterlegt, dass seine Worte wahr sind. Trotzdem möchte er sich nun in Oberlunkhofen auf einheimische Gerichte konzentrieren. Er, der für und in der ganzen Welt sämtliche gesellschaftliche Schichten bekocht hat – vom reichen Ölscheich, hohen Diplomaten, Hollywood- und Rockstar bis zum einfachen Büezer, Hobby-Tennisspieler und der Hausfrau. «Meine Frau bedauert, dass ich keine Fotos von mir und den berühmten Gästen gemacht habe. Aber so was brauche ich nicht. Für mich zählt jeder Gast gleich viel», unterstreicht er seine Bodenständigkeit.
Intensive Zeit
Dabei hätte Seedorf allen Grund zum Prahlen. Aufgewachsen im zürcherischen Rafzerfeld absolvierte er nach einem Welschlandjahr zuerst eine Kellnerlehre in Schwarzenburg, hängte dann eine Lehre als Koch im Hotel Stoller (heute «Mercure», Zürich) an. Anschliessend arbeitete er sich unter anderem in Davos, Gstaad und in St. Moritz hoch. «Immer in 5-Sterne-Hotels», erklärt er. 1985 erfolgte sein erster Einsatz im Ausland, konkret in Mexiko. Für die Luxushotelkette «Starwood» eröffnete er Ferienressorts und bildete Leute aus – und das weltweit. «Teilweise hatte ich 200 Köche unter mir. Auf den Bahamas waren es gar 580. Pro Tag servierten wir 24 000 Essen an Gäste und weitere 10 000 an das Personal. Einzelne Hotels hatten bis 28 Restaurants.»
Es sei eine sehr intensive Zeit gewesen. Mit dabei war immer seine Familie. Seine erste Tochter wurde in Nairobi, die zweite in Katar geboren. «Ich habe alles auf der Welt erlebt, was es gibt. Darunter drei Kriege, Vulkanausbrüche, das berühmte Erdbeben von 1985 in Mexiko. Auf einer Friedenskonferenz wurden wir auf der Strasse von Panzern geschützt.» Und er hat erfahren, wie diese Welt funktioniert: Er bekochte viele Weltkonferenzen. «Im Restaurant sprechen die Gäste frei. Das Personal hört alles, erzählt aber nichts weiter.»
20 Jahre führte Fredi Seedorf dieses Leben. Dann flüchtete er 1998 überstürzt mit seiner Familie in die Schweiz zurück. «Ich arbeitete in Indonesien, als es grosse Unruhen gab. Wir fühlten uns nicht mehr sicher.» Lange blieb er allerdings vorerst nicht, da ihn das Hotel Hilton nach München holte und er nach einem Zwischenjahr bei der Zürichsee-Schifffahrt nach Dresden beordert wurde. Ein alles zerstörendes Hochwasser zwang ihn wieder zurück in die Heimat. Dort wartete bereits die nächste grosse Aufgabe auf Seedorf: «Der Swiss Holiday Park in Morschach war pleite gegangen. Ab 2003 baute ich ihn wieder auf. Zuerst waren es acht Köche. Als ich zehn Jahre später die nächste Herausforderung annahm, beschäftigten wir 28 Köche. Seedorf wechselte als Küchenchef ins Schützenhaus Albigüetli in Zürich und danach ins Hotel Rigi Kaltbach.
Genügend aufgebaut
«Irgendwann merkte ich, dass ich genügend aufgebaut hatte. Ich wollte etwas Eigenes», so der heute bald 61-Jährige. Im luzernischen Rain fand er ein passendes Lokal. «Nur noch fünf Angestellte, 56 Plätze innen und 38 aussen. Alles übersichtlich, alles klein, das passte.» Kurz darauf kam noch ein kleines Bistro dazu. Aufgrund einer neuen Überbauung musste er dort weg. Das Tennisplatzrestaurant in Horw schien ihm eine gute Alternative. Zumal sie den Platz und das Restaurant bis 2022 erneuern wollten. «Es hätte alles gepasst. Jetzt gibt es aber Verzögerungen auf unbestimmte Zeit, weshalb ich erneut auf der Suche war», so Seedorf.
Als Dorfbeiz weiterführen
Durch einen Bekannten wurde er auf des «Central» in Oberlunkhofen aufmerksam. «Das Lokal gefällt mir. Und mit den Leuten der Raiffeisenbank habe ich rasch gemerkt, dass wir ähnlich ticken. Wir haben uns schnell gefunden. Sie sind ein wichtiger Partner für mich.» Dass er in Oberlunkhofen wohl keine «Weltfürsten» mehr bekochen wird, ist ihm egal. «Ich möchte definitiv nichts mehr Grosses. Lieber koche ich hier im ähnlichen Preissegment wie mein Vorgänger gutbürgerliche Schweizer Küche, dazu Znünis und Mittagsmenüs.» Er habe von den besten Köchen der Welt gelernt und beherrsche deren Menüs auch. «Vielleicht werde ich Spezialwochen oder -abende durchführen. In erster Linie möchte ich aber auf die Bedürfnisse und Vorschläge der Gäste eingehen und dafür saisonale und lokal produzierte Lebensmittel berücksichtigen.» Er könne zwar auf Sterne-Küche kochen und Gault-Millau-Punkte erreichen, wolle das aber nicht. «Das Essen soll durch den Geschmack überzeugen und nicht über eine verrückte, exklusive Anrichtung», ist er überzeugt. «Das ‹Central› ist eine Dorfbeiz. Ich freue mich darauf, sie auch so zu führen.»
Wie ein Hobby
Wer denkt, Fredi Seedorf arbeitet jetzt nur noch vier Jahre bis zu seiner Pension, der irrt. «Gastronomie ist für mich mehr Hobby als Beruf. Ich habe grosse Freude daran und arbeite gerne lange. Es macht mir Spass. In der Küche habe ich unendlich viele Möglichkeiten. Deshalb möchte ich das ‹Central› so lange führen, wie es meine Gesundheit zulassen wird.» Nur eines wird sich Fredi Seedorf voraussichtlich herausnehmen: Dass er das Restaurant am Sonntag schliesst. Die genauen Öffnungszeiten seien noch in Abklärung, der 20. Oktober als Neueröffnungsdatum noch nicht zu 100Prozent gesichert. «Allerdings habe ich schon so viele Restaurants aufgebaut, da wird es auch hier rechtzeitig klappen», ist er zuversichtlich. «Ende Oktober werde ich jedenfalls in Horw meine Siebensachen abziehen. Wobei die Inneneinrichtung im ‹Central› dieselbe bleiben wird. Die Gäste werden sich wohlfühlen.»