Eine etwas andere Degustation
07.05.2021 KelleramtDie Kulturkommission führte einen Online-Bierkurs durch
Rund 60 Personen nahmen kürzlich an einem pandemiekonformen Biervortrag mit Degustation teil. Als Experten konnte die Unterlunkhofer Kulturkommission dazu den Mitinhaber der Brauerei «Erusbacher & ...
Die Kulturkommission führte einen Online-Bierkurs durch
Rund 60 Personen nahmen kürzlich an einem pandemiekonformen Biervortrag mit Degustation teil. Als Experten konnte die Unterlunkhofer Kulturkommission dazu den Mitinhaber der Brauerei «Erusbacher & Paul» Otto Sorg gewinnen.
Roger Wetli
«Ich sehe, dass euch unser ‹Calista Golden› fruchtig, süss, sauer, intensiv schmeckt und euch an Pfirsich, Johannisbeere oder Grapefruit erinnert», stellte Braumeister und Brauereimitinhaber Otto Sorg fest. Zuvor leitete er das ein, worauf alle Teilnehmenden nach einer Stunde Biertheorie gewartet hatten: die Degustation. Dazu war allen Angemeldeten zuvor ein Paket mit vier Flaschen unterschiedlicher Biersorten und zwei Biergläsern zugestellt worden. «Aus technischen Gründen haben wir euch normale Biergläser mitgegeben», bedauerte Sorg. «Denn eigentlich hätten es Tulpengläser sein sollen. Diese sind zum Degustieren besser geeignet, da man mit ihnen durch die Nase mehr Geschmacksnuancen wahrnehmen kann. Ich selber trinke Bier fast ausschliesslich aus solchen Gläsern.»
Einigkeit beim Schwarzbier
Die 60 Teilnehmenden folgten gespannt den Ausführungen des Bierexperten. Viele hatten sich in kleinen coronakonformen Gruppen vor dem Bildschirm versammelt. Kulturkommissionspräsident Oliver Oggenfuss und Braumeister Otto Sorg sendeten direkt aus der Brauerei Erusbacher & Paul in Villmergen. Die Kommentare zu den Degustationen wurden per Handy direkt in den Online-Vortrag abgegeben. Einigkeit über den Geschmack herrschte beim Schwarzbier. Viele gaben Nuancen von Kaffee, Schokolade, Kakao und einer Röstung an. «Das hatte ich erwartet», gestand Otto Sorg. «Der Kaffeegeschmack dominiert bei diesem Bier. Er wird durch eine Röstung des Braumalzes erzielt.»
Vielfältiger waren die Empfindungen dagegen beim Urtyp-Bier. «Hier haben wir teilweise Gegensätze wie mild und bitter, wobei ein Gerstensaft auch beide Nuancen vereinen kann. Zudem empfindet jeder einen Geschmack etwas anders», kommentierte Sorg. Malzig, Honig und Caramel waren dagegen Begriffe, die beim kräftigen Doppelbock-Bier dominierten. Es war mit einem Alkoholgehalt von 7 Volumenprozent das gehaltvollste. Otto Sorg erinnerte sich dabei an die Lancierung 2001. «Es war unser erstes Spezialbier. Damals waren solche Getränke noch weitgehend unbekannt – auch deren höherer Alkoholgehalt. Also tranken die Leute es wie normales Bier und waren anschliessend noch geselliger als sonst.» Überhaupt habe die Biervielfalt in den letzten 20 Jahren stark zugenommen, wusste der Braumeister.
In 21 Jahren von 81 auf 1200 Brauereien
Otto Sorg blickte auf die Geschichte des Bieres zurück. Es wurde vor über 3000 Jahren von den Sumerern erfunden und später von den Ägyptern verehrt, während Römer und Griechen wohl eher Wein bevorzugten. «Einen Siegeszug erlebte das Brauen mit der Dampfeisenbahn und den ersten Kühlmaschinen. Letztere revolutionierten den Brauprozess und waren entsprechend zuallererst in den Brauereien anzutreffen», so Sorg. Mit der Erfindung der Bierraschenabfüllung 1885 verdrängte Bier den Wein als Schweizer Nationalgetränk. Damals zählte die Schweiz 530 Brauereien. «Durch Verdrängung schrumpfte diese Zahl bis 1990 auf 32. Als wir unsere Brauerei vor 21 Jahren gründeten, waren es immerhin wieder 81. Heute zählen wir 1200 Brauereien, die für die Biersteuer angemeldet sind», ist Sorg begeistert. «Alleine in den letzten sechs Jahren hat sich die Anzahl Brauereien verdoppelt.»
Für den ausgebildeten Braumeister ist das eine gute Sache. «Die Vielfalt an verschiedenen Biersorten hat massiv zugenommen und beträgt in der Schweiz heute rund 4000. Das macht es als Brauer sehr spannend.» Sorg lebt von seiner Firma. Rund 880 dieser Brauereien würden aber als reines Hobby betrieben. Die Biersteuer zahle man ab einer Produktion von 400 Liter pro Jahr. «Um davon ohne Nebenjob leben zu können, braucht man einen Ausstoss von mindestens 50 000 bis 100 000 Liter. Wir selber brauten 2019 um 700 000 Liter Bier.»
Sorg ging auch auf die Pandemie ein. So sei das letzte Jahr sehr schwierig gewesen. «Unser Absatz läuft normalerweise zu 80 Prozent über Restaurants und Events. Um das bereits gebraute Bier vor dem Ablaufdatum zu retten, produzierten wir daraus Bierbrand.» In diesem Januar sei in der Schweiz gar ein Drittel weniger Bier getrunken worden. «Das trifft uns brutal. Die Öffnung der Beizen hilft jetzt.»
Zutaten für Bio-Biere fehlen
Die Teilnehmenden fragten Sorg, wieso seine Firma kein Bio-Bier anbiete. «Beim Malz als Zutat wäre das kein Problem. Der Hopfen ist aber stark schädlingsanfällig und muss gespritzt werden. Es laufen aber Bestrebungen für die Züchtung resistenter Sorten», wusste er. Eine weitere Frage zielte auf die Beigabe von Kohlensäure: «Das wird teilweise gemacht. Unsere Kohlensäure stammt aber ausschliesslich aus dem Brauprozess», so Sorg.
Auch der Trend zu alkoholfreien Bieren wurde angesprochen. Sorgs Brauerei bietet bisher keines an. «Die Herstellung solcher Biere ist sehr anspruchsvoll und schwierig, die Ergebnisse oft geschmacklich nicht so überzeugend», führte der Braumeister aus.
Weniger Selbstverköstigung
Otto Sorg mag sein Getränk auch nach 21 Jahren als selbstständiger Brauer noch. «Ich kann es immer noch geniessen.» Früher sei in den Brauereien noch richtig gesoffen worden. «Ich kannte zu Lehrzeiten einen Braumeister, der pro Nachtschicht eine Harasse Bier getrunken hat und anschliessend noch nach Hause gefahren ist.»
Es waren solche Ausführungen, die den Vortragsteilnehmenden besonders gefielen. Auch Kulturkommissionspräsident Oliver Oggenfuss war sehr zufrieden: «Die Organisation ging relativ einfach und speditiv. Das Wichtigste ist, dass die Teilnehmenden Spass hatten. Das ist ja schlussendlich die Aufgabe der Kulturkommission. Dieses Ziel zu erreichen, ist in der aktuellen Situation nicht unbedingt einfach, uns mit der Online-Variante aber sehr gut gelungen.»