Eleganz und Dominanz
26.02.2021 SportConny Kissling war zweimal an Olympia dabei
Conny Kissling aus Oberwil-Lieli war eine absolute Kapazität im Freestyle-Skiing. Ihre Leistungen brachten ihr gleich drei Olympische Medaillen ein.
Die Liebe hat die ehemalige Freestyle-Skierin Conny Kissling ...
Conny Kissling war zweimal an Olympia dabei
Conny Kissling aus Oberwil-Lieli war eine absolute Kapazität im Freestyle-Skiing. Ihre Leistungen brachten ihr gleich drei Olympische Medaillen ein.
Die Liebe hat die ehemalige Freestyle-Skierin Conny Kissling ins Freiamt geführt. Sie ist die Ehefrau des Swiss-Ski-Präsidenten Urs Lehmann. Wie ihr Gatte, war Kissling ebenfalls Spitzensportlerin. Als Freestyle-Skiing noch eine junge Sportart war, hat sie in diesem Bereich ihre Kolleginnen dominiert. Ob Aerials, Buckelpiste oder Skiballett, sie brachte überall hervorragende Leistungen.
Zehnmal in Folge gewann Kissling den Gesamtweltcup. An den Olympischen Spielen in Calgary 1988 und Albertville 1992 gewann sie zwei Bronzemedaillen und einmal Gold. Das Manko: Da Freestyle-Skiing damals eine Demonstrationssportart war, wertet das IOC ihre Medaillen nicht. Das stört die ehemalige Spitzen-Athletin aber nicht. Die gelernte Ballett-Tänzerin ärgert mehr, dass ihre liebste Disziplin, das Skiballett, nie ins offizielle Olympia-Programm aufgenommen wurde. --jl
Tänzelnd zur Goldmedaille
Serie «Freiämter Olympioniken»: Conny Kissling aus Oberwil-Lieli – Olympia 1988 in Calgary und 1992 in Albertville
Conny Kissling war eine Pionierin im Freestyle-Skiing. Die Athletin war in der vergleichsweise jungen Sportart über Jahre absolut dominant. Sie gewinnt bei zwei Olympiateilnahmen zwei Bronzemedaillen und einmal Gold. Medaillen, die ihr vom IOC nicht angerechnet werden. Für die Olympionikin spielt Sport auch heute noch eine zentrale Rolle in ihrem Leben.
Josip Lasic
Olympia 1988 in Calgary. Eine Sportart feiert ihre Premiere. In Calgary fanden sechs Wettkämpfe im Freestyle-Skiing statt, das damals den Status einer Demonstrationssportart hatte. Die damals 27-jährige Conny Kissling holte Bronze in den Disziplinen Ballett und Moguls (Buckelpiste) und erreichte in der Disziplin Aerials (Springen) den 6. Rang. «Es war ein grossartiges Erlebnis», erzählt die Sportlerin. «Wir sind vor 45 000 Zuschauern gestartet. Ich habe mich gefühlt wie eine weltberühmte Musikerin, die ein Konzert gibt.» Mit dem Unterschied, dass eine weltberühmte Musikerin keine Medaille von einem Mitglied der britischen Königsfamilie – in Fall von Conny Kissling war es Prinzessin Anne – überreicht bekommt.
Kissling sorgt für Furore zwischen anderen Pionieren. Olympia in Calgary hat etwas Mystisches an sich. Es waren die Spiele des olympischen Gedankens und der Paradiesvögel. Der Brite Michael Edwards, besser bekannt als «Eddie the Eagle», nahm im Skispringen teil. Seine Geschichte sollte später verfilmt werden, genauso wie jene des ersten jamaikanischen Bobteams, bekannt durch die Komödie «Cool Runnings». Es war ein besonderes Jahr, um an den Olympischen Spielen zu glänzen.
Das Tanzen liegt ihr im Blut
Heute lebt Conny Kissling in Oberwil-Lieli. «Es gefällt mir gut in der Region», berichtet sie. «Ich lebe nicht gern direkt in der Stadt.» Sie ist seit 2002 mit dem Swiss-Ski-Präsidenten Urs Lehmann verheiratet. 2004 kommt Tochter Nina zur Welt. Mit ihren Leistungen im Freestyle-Skiing hat die in Olten geborene Athletin geholfen, den Weg für das Freestyle-Skiing zu ebnen. Mittlerweile sind gleich fünf Disziplinen der Sportart olympisch. Neben den Aerials und der Buckelpiste gibt es auch im Halfpipe, Skicross und Slopestyle Olympia-Wettkämpfe. Ausgerechnet das Skiballett, der Favorit von Conny Kissling, wurde nie olympisch. «Es war meine Disziplin. Ich komme vom Ballett, vom Tanzen. Musik, Bewegung, Akrobatik, das war meine Welt.»
Obwohl sie auch in anderen Freestyle-Disziplinen erfolgreich war, hat sie nie ihre Wurzeln aus dem Tanzen vergessen. Und sie kann es noch, wie sie letztes Jahr bei der SRF-Tanzshow «Darf ich bitten?» bewiesen hat. Conny Kissling, heute 59 Jahre alt, fegte mit Tochter Nina zu «Uptown Funk» von Bruno Mars über das Parkett. Das Tanzen liegt ihr im Blut. «Meine Geschwister und ich, wir durften Sport treiben. Es sollte aber möglichst etwas sein, bei dem die Eltern uns nicht gross in der Gegend herumfahren müssen.» Die Sportlerin besucht eine Ballettschule in Olten. Und wird immer besser. Sie legt diverse Prüfungen der «Royal Academy of Dance» ab, darf am Stadttheater Basel vortanzen und schafft den Sprung ins Ensemble.
Eine Klasse für sich
Obwohl die Freestlye-Skierin aus dem Unterland stammt, ist ihr der Skisport ebenfalls ans Herz gewachsen. «Die Schweiz ist nicht so gross. Auch als Unterländer bist du schnell in einem Skigebiet», sagt Kissling lächelnd. «Wir gingen mit der Familie regelmässig in Sörenberg Ski fahren. Irgendwann habe ich einen jungen Mann beobachtet, der einen Sprung durchgeführt und dabei einen Salto geschlagen hat. Meine Kollegen und ich wollten so etwas auch ausprobieren. So begann sich das Ganze zu entwickeln.»
Conny Kissling ist 19 Jahre alt, als sie zum Freestyle-Skiing kommt. Dadurch, dass sie Ski fahren kann und eine gute Tänzerin ist, scheint sie prädestiniert für die Sportart zu sein. «Ich denke, dass ich ganz gute Grundlagen hatte», erklärt sie. «Es gab in den Anfangsjahren der Sportart beispielsweise Athleten aus Japan, die akrobatisch enorm stark waren. Sie konnten sich aber kaum auf den Ski halten.» 1986 findet im französischen Tignes die erste vom Weltverband FIS organisierte Weltmeisterschaft im Freestyle-Skiing statt. Die Freiämterin gewinnt auf Anhieb den Weltmeistertitel im Kombinationswettkampf aus den drei Disziplinen Aerials, Moguls und Ballett. Die Olympischen Spiele in Calgary gelten gleichzeitig als zweite Weltmeisterschaft, wo sie zweimal Bronze holt. Sie gewinnt später noch drei Silbermedaillen an Weltmeisterschaften.
106 Weltcupsiege kann sie bis zu ihrem Karriereende 1992 verbuchen. Den Gesamtweltcup gewinnt Conny Kissling zehnmal in Serie. Sie ist zehnfache Europameisterin.
Der Abschied nach Albertville
Ihre Leistungen brachten Conny Kissling eine zweite Olympia-Teilnahme ein. 1992 in Albertville startete sie nicht mehr im Springen, wohl aber auf der Buckelpiste und im Ballett. Die Buckelpiste hatte mittlerweile ihren Weg ins offizielle Olympia-Programm gefunden. «Mir lief dieser Wettkampf aber im Vergleich zu Calgary nicht besonders gut», erzählt Kissling. Sie beendet ihn nur auf Rang 13. Im Ballett, das wie die Aerials nach wie vor eine Demonstrationssportart ist, gewinnt die Athletin dafür Gold. «Das war perfekt. Das Tüpfelchen auf dem i. So hatte ich einen wunderbaren Abschluss für meine Karriere.»
Einziger Wermutstropfen: Sowohl die beiden Bronze-Medaillen in Calgary als auch Gold in Albertville holt Kissling in Disziplinen, die zu diesem Zeitpunkt Demonstrationssportarten sind. Offizielle Medaillen werden ihr vom IOC daher nicht angerechnet. «Das hat mich nie gestört», sagt sie. «Ich habe es nie so betrachtet. Ich war an den Olympischen Spielen dabei, habe Leistung gezeigt und Medaillen gewonnen. Alles andere spielt keine Rolle.» Mit nur 31 Jahren beendet Conny Kissling ihre Karriere. Dabei wären die nächsten Olympischen Spiele greifbar gewesen. Fanden bis 1992 die Sommer- und Winterspiele im gleichen Jahr statt, wurden sie danach versetzt ausgetragen. Die nächsten Winterspiele wären nur zwei Jahre später in Lillehammer gewesen. «Ich war in Lillehammer, allerdings nur als Co-Kommentatorin des Schweizer Fernsehens», sagt Kissling. In Norwegen waren zwar die Aerials nach der Buckelpiste auch ins offizielle Programm aufgenommen worden, doch Skiballett fand gar nicht mehr statt. «Ich war in Lillehammer, als Andreas Schönbächler Gold in den Aerials holte. Der hat zuvor mit mir trainiert. Das war auch schön», erzählt sie. «Für mich war Albertville wirklich der perfekte Abschluss.» Um das Ganze abzurunden, wurde sie 1992 noch Schweizer Sportlerin des Jahres.
Eine Community: «Bring back skiballet»
Sport blieb auch nach der Karriere wichtig für die Olympionikin. 17 Jahre lang arbeitete sie beim Modeunternehmen «Willy Bogner», das unter anderem Sportkleidung und -ausrüstung vertreibt, im Marketing und PR-Bereich. Daneben ist sie Botschafterin für den Sportartikelhersteller «Salomon» und die «Laureus Stiftung Schweiz». Kissling arbeitet ebenfalls als Instruktorin für Pilates und diverse Fitnessrichtungen und gibt Schneesportkurse für Firmen und Private.
Ansonsten begleitet sie ihre mittlerweile 16-jährige Tochter Nina, die jetzt ihre erste Saison FIS-Rennen fährt. «Sie hat es zuerst auch mit Freestyle-Skiing versucht, wandelt jetzt aber mehr auf den Spuren des Vaters. Ihr sagt die Geschwindigkeit bei den Skirennen mehr zu», sagt Kissling lächelnd. Als Ehefrau des ehemaligen Abfahrts-Weltmeisters und jetzigen Swiss-Ski-Präsidenten Urs Lehmann tangiert der Sport ihr Leben ohnehin noch sehr stark. «Ich denke, dass es das gegenseitige Verständnis fördert, dass wir beide früher Leistungssport betrieben haben und nach wie vor viel Zeit dafür investieren.»
Die Zeit, die Conny Kissling in das Freestyle-Skiing investiert hat, hat sich nicht nur für sie gelohnt, sondern auch für künftige Generationen von Freestyle-Skiern. «Ich erinnere mich, wie ich in Calgary interviewt werden sollte, aber zuerst meine Ski holen musste. Der Journalist hat mich gefragt, ob ich niemanden habe, der das für mich tut. Ich bin froh, dass heutige Freestyle-Skier nicht mehr mit so Dingen zu kämpfen haben.»
Nur, dass Skiballett von der Bühne verschwunden ist, das schmerzt die Olympionikin noch. «Ich bin allerdings in Kontakt mit ehemaligen Freestylern. Es ist eine richtige Community entstanden mit dem Namen ‹Bring back skiballet›. Wer weiss, vielleicht kommt es wieder.» Sie vergleicht Skiballett mit Eiskunstlauf auf Schnee. Der Tanz auf den Skiern wird für sie immer etwas Besonderes bleiben.