BRIEF AUS FLORIDA
22.01.2021 KelleramtJoe Huber, Fort Myers.
Ursachen und Kuriositäten
Schon seit vielen Jahren fasse ich keine Vorsätze mehr für das neue Jahr. Ich habe einfach nur Wünsche. Einer davon war, dass ich fortan viel ...
Joe Huber, Fort Myers.
Ursachen und Kuriositäten
Schon seit vielen Jahren fasse ich keine Vorsätze mehr für das neue Jahr. Ich habe einfach nur Wünsche. Einer davon war, dass ich fortan viel Positiveres aus meinem Gastland berichten kann. Was allerdings am 6. Januar hier abging, deutet leider in keiner Art und Weise darauf hin. Analog zu Covid-19 gibt es jetzt jede Menge Experten, vor allem ausserhalb Amerikas, die ganz genau wissen, was die Gründe für diese schockierenden Zustände sind. Auch ich habe meine Theorie(n). Um die alle hier aufzuführen, reicht der Platz aber nicht aus. Sie würden wahrscheinlich sogar eine ganze Ausgabe dieser Zeitung füllen.
Man sollte nicht nur die letzten vier Jahre, sondern einige Jahrzehnte zurückgehen, um einige der Ursachen zu finden. Da ich schon bald 35 Jahre hier bin, habe ich einige Richtungsänderungen am eigenen Leib miterlebt. Ich mag mich an unsere Schweizer-Stammtisch-Gespräche erinnern, die wir in New York schon vor über 30 Jahren regelmässig hatten. Dort wagte der eine oder andere (und auch ich) eine dereinstige «Revolution» vorauszusagen. Dass sie aber wirklich kommen würde, glaubte natürlich keiner so richtig.
Sie ist nun aber da und man kann nur hoffen, dass sie, wie frühere Revolutionen auch, in der Zeit beschränkt ist und nicht in einem Bürgerkrieg endet. Da mich auch die Meinung von wirklichen Amerikanern – und nicht «eingekauften» wie mich – interessiert, habe ich viele der Mitbewohner in unserer Überbauung gefragt. Die Parteizugehörigkeit von jedem kann hier im Internet nachgeschaut werden. Darum schaute ich, dass die Balance zwischen Republikanern und Demokraten stimmt. Alle verurteilen die Stürmung des Capitols aufs Schärfste und sagen, dass dies nicht eine Reflexion des wahren Amerikas sei. Sie gehen auch mit mir einig, dass das Image der USA im Ausland einen fast unreparierbaren Schaden genommen hat, sind aber zuversichtlich, dass alles wieder gut kommt. So positiv sind sie halt.
Etwas sehr Bemerkenswertes hat sich in meinem Städtchen Fort Myers ereignet: Die traditionell in der letzten Januar-Woche stattfindende und sehr populäre Wohnwagen-Ausstellung wurde abgesagt. Ich rede hier von amerikanischen Wohnwagen, also halbe Häuser, in der Preisklasse so zwischen 100 000 und 250 000 Dollar. Abgesagt wurde die Ausstellung nicht etwa wegen Corona, sondern weil die Händler kein Inventar mehr haben zum Ausstellen. Alles ist verkauft. Und die Hersteller kommen nicht nach mit Produzieren. Das könnte darauf hindeuten, dass sich Tausende vorbereiten, mit diesen Vehikeln auf Reisen zu gehen, wenn es ernst wird.
Der Verrückte ist nun aus dem Weissen Haus ausgezogen, leider nach Florida, aber ein paar Hundert Kilometer von uns entfernt. Er wird uns nicht in Ruhe lassen und so quasi eine «Schattenregierung» bilden und weiterhin seine Meinung über eine Social-Media-Plattform – vielleicht auch seine eigene – kundtun und sein ebenso verrücktes Gefolge aufwiegeln. Garantiert.
Der in Jonen aufgewachsene Joe Huber wohnt seit 1986 in den USA. Lange Zeit in New York, nun in Fort Myers, Florida. Regelmässig berichtet er von seinem Leben und hält seine Gedanken als Auslandschweizer fest.