Brandstifter verurteilt
29.01.2021 MerenschwandIm Dezember 2019 brannte es in Merenschwand sechsmal. Vor Gericht hatte sich nun ein 38-Jähriger zu verantworten. Er gab fünf Brandstiftungen zu und wurde zu 48 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. --ake
Ein Dorf in Angst versetzt
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Im Dezember 2019 brannte es in Merenschwand sechsmal. Vor Gericht hatte sich nun ein 38-Jähriger zu verantworten. Er gab fünf Brandstiftungen zu und wurde zu 48 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. --ake
Ein Dorf in Angst versetzt
Im Dezember 2019 legte ein Merenschwander im Dorf an fünf Orten Brände – nun stand er vor Gericht
In der Anklageschrift waren sechs Brände aufgelistet. Den ersten stritt der Angeklagte ab. Er habe mit dem Brand des Spittels nichts zu tun. Wegen mangelnden Beweisen sprach ihn das Gericht in diesem Punkt frei. Trotzdem wurde er verurteilt, zu 48 Monaten Freiheitsstrafe, aufgeschoben zugunsten einer stationären Suchtberatung.
Annemarie Keusch
Hat der Angeklagte auch den Brand am 1. Dezember 2019 an der Schwanenstrasse 7 gelegt? Das war die zentrale Frage der Verhandlung am Bezirksgericht Muri. Hat er die Scheune angezündet und war er folglich schuldig daran, dass das angebaute Wohnhaus ebenfalls in Flammen aufging und die Lebensgrundlage einer Familie zerstört wurde? Der Angeklagte sagte Nein, mehrmals und deutlich. «Es gäbe gar kein Grund, weshalb ich es abstreiten sollte, wenn ich es gewesen wäre.» Den niedergebrannten «Spittel», das älteste Gebäude im Dorf, habe er nicht angezündet. «Ich kann mit ruhigem Gewissen sagen, dass ich damit nichts zu tun habe.»
Mehrmals hakte Gerichtspräsident Markus Koch nach. Auch, weil der erste Brand die mit grossem Abstand grösste Schadenssumme verursachte. Der Angeklagte war am Tatort, als Kind und Jugendlicher, weil die Scheune im Besitz seiner Familie ist. Und auch am Morgen nach dem Grossbrand war er da. «Ich bin aufgewacht, weil es immer wieder geknallt hat», schilderte der Angeklagte. Er ging auf den Balkon und sah direkt ins lodernde Feuer. Mit seinem Vater – bei dem er mit wenigen Unterbrüchen immer lebte – habe er die Situation beobachtet.
Den ersten Brand vom Balkon beobachtet
Im Rahmen dessen meldete der Angeklagte der Polizei eine verdächtige Person, die er vorher noch nie im Quartier gesehen habe. «Bei einem späteren Brand, bei dem Sie mittlerweile zugaben, dass Sie ihn legten, erzählten Sie auch, Sie hätten jemanden aus der Tiefgarage kommen sehen, und es stimmte nicht. Warum stimmt es diesmal?» Gerichtspräsident Markus Koch blieb skeptisch. «Es stimmt, meinem Vater ist die verdächtige Person auch aufgefallen. Und warum ich die Person in der Tiefgarage erfunden habe? Ich wusste schlicht nicht, was ich sagen sollte.»
Für die Oberstaatsanwaltschaft war klar, dass der Angeklagte auch den ersten Brand gelegt hat. In seinem Plädoyer sprach der Oberstaatsanwalt von klaren Indizien, davon, dass auch der erste Brand in die Reihe passe. Und er machte geltend, wie viel Glück alle Beteiligten hatten. «Es ist nur Zufall und Glück zu verdanken, dass niemand zu Schaden kam.» Der Verteidiger hielt in seinem Plädoyer fest, dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass der erste Brand gar nicht durch Brandstiftung entstanden ist. Und er sagte, sein Mandant sei wohl erst als Folge dieses Grossbrandes auf die Idee gekommen, selber Feuer zu legen.
Persönliche Probleme führten zu Brandlegungen
Sechs Jahre Freiheitsstrafe, aufgeschoben zugunsten einer stationären Massnahme, forderte die Oberstaatsanwaltschaft. 30 Monate Freiheitsstrafe, ebenfalls aufgeschoben zugunsten einer stationären Massnahme beantragte die Verteidigung. Dass der Angeklagte schuldig zu sprechen sei, dessen waren sich beide Seiten einig. Fünf Brände gestand er schon bei der zweiten Einvernahme nach seiner Festnahme Anfang Dezember 2019. Er hatte am 2. Dezember 2019 eine Sitzbank und eine Holzbeige vor einem Wohnhaus in Brand gesetzt, am gleichen Abend ein Holzmöbel und einen Schopf angezündet. Am 6. Dezember legte er Brand an einem ehemaligen Bauernhaus mit Scheune – gleich an zwei Orten, in der gleichen Nacht zündete er einen Schopf an und legte Brand an einem Anhänger in einer offenen Einstellhalle.
Warum er das gemacht hat, könne sich der Angeklagte noch heute nicht erklären. Er macht persönliche Probleme geltend, etwa in der Familie. Er verlor die Arbeit. Und vor allem habe er ein grosses Alkoholproblem gehabt. «Ich war ganz allgemein frustriert, hatte viel zu viele Probleme, die sich aufstauten.» Einige der von ihm in Brand gesteckten Objekte wählte er zufällig, andere waren ein Racheakt. Etwa setzte er das Wohnhaus des Schwanenwirts in Brand, weil dieser ihm Lokalverbot gegeben hatte. «Ich fand es nicht fair», begründet der Angeklagte vor Gericht. Grossen Schaden habe er nie anrichten wollen, bei keinem der Brände. Das betonte er auch, als Gerichtspräsident Koch vorbrachte, es sei nur dem Glück und Zufall und der Bereitschaft der Feuerwehr zu verdanken, dass nicht mehr Schaden entstand.
«Verstecke mich nicht hinter Alkoholproblem»
Einen gewichtigen Beweggrund für seine Taten konnte der Angeklagte nicht liefern. «Ich habe nichts studiert», sagte er mehrmals, während er alle fünf Brände im Detail schilderte. Er habe in einer schlechten Phase gesteckt, habe viel zu viel getrunken. «Ich wusste gar nicht, was ich mache.» Und Nein, er verstecke sich nicht hinter seinem Alkoholproblem. «Es ist der Ursprung. Seit der Verhaftung habe ich keinen Schluck Alkohol mehr getrunken. Ich bin ein anderer Mensch.» Die Brände zu legen, sei eine Art Hilfeschrei gewesen. «Ich wollte mich niemandem anvertrauen mit meinen Problemen, schämte mich.» Warum er denn so viel getrunken habe? «Um meine Probleme zu vergessen.»
Sein Hilferuf sei gehört worden, sagte Gerichtspräsident Koch bei der Urteilsbegründung. «Schliesslich haben Sie laut genug geschrien.» Zu 48 Monaten Freiheitsstrafe verurteilte ihn das Gericht. Weil der Angeklagte laut Gutachten Alkoholiker sei, sei die Strafe zugunsten stationärer Massnahmen aufzuschieben. Schon seit September befindet sich der Angeklagte im vorzeitigen Massnahmenvollzug. Diesen Weg muss er weitergehen, will er nicht ins Gefängnis.
Taten nicht verniedlichen
Verurteilt hat das Bezirksgericht den Angeklagten wegen fünf der sechs von der Oberstaatsanwaltschaft aufgelisteten Bränden und wegen mehrfachem Hausfriedensbruch. «Wir wissen nicht zweifelsfrei, dass Sie auch den ersten Brand gelegt haben», begründete Koch. Es seien keine Beweise erbracht. Nach dem Grundsatz «Im Zweifel für den Angeklagten» werde er in diesem Punkt freigesprochen.
Verniedlichen, was er gemacht habe, wolle das Gericht aber gar nicht. Koch wird laut. «Wissen Sie überhaupt, was Sie getan haben?» Nachdem eine Brandserie im August 2019 ein ganzes Dorf in Aufruhr gebracht hat, habe er eine zweite gelegt. «Sie haben ein ganzes Dorf, eine ganze Region verunsichert. Das können Sie nicht damit begründen, dass Sie besoffen gewesen seien.» Und er könne dem Gericht nicht angeben, dass er nicht grosse Brände beabsichtigte. «Sie wollten, dass es grosse Feuer gibt. Sie wollten grossen Schaden anrichten und es ist nur der Feuerwehr und viel Glück zu verdanken, dass es nicht gelang.»
Letzte Chance der Gesellschaft
Was Koch am meisten enervierte: «Ich habe Ihnen mehrmals das Wort gegeben, gefragt, ob Sie noch etwas sagen wollen. Sie wollten nicht.» Nicht einmal eine ernst gemeinte Entschuldigung sei von ihm gekommen. «Das schulden Sie dem ganzen Dorf, der ganzen Region.» Die 48 Monate im Massnahmenentzug sei die letzte Chance, die ihm die Gesellschaft gebe, irgendeinmal den richtigen Weg zu finden. Dieser sei noch lange nicht gefunden, auch wenn er seit 14 Monaten keinen Alkohol mehr trinke. «Für Sie gibt es schlicht keinen Alkohol mehr, nicht einmal im Hustensirup. Damit muss fertig sein.»
Zur Freiheitsstrafe kommt eine Geldstrafe von 40 Tagessätzen à 30 Franken. Über die diversen Zivilforderungen beriet sich das Gericht noch nicht, damit es überhaupt möglich war, am Verhandlungstag noch ein Urteil zu eröffnen.