Grosse Aufgabe für Sforza
28.08.2020 SportDer Wohler Ciriaco Sforza übernimmt den FC Basel. Gestern wurde er offiziell vorgestellt. «Das ist etwas Grossartiges in Basel. Ich bin stolz, hier zu sein. Es sind Menschen hier, die sehr positiv sind. Es geht um Emotionen, um Herz. Die Philosophie passt zu mir. Wir wollen frech und ...
Der Wohler Ciriaco Sforza übernimmt den FC Basel. Gestern wurde er offiziell vorgestellt. «Das ist etwas Grossartiges in Basel. Ich bin stolz, hier zu sein. Es sind Menschen hier, die sehr positiv sind. Es geht um Emotionen, um Herz. Die Philosophie passt zu mir. Wir wollen frech und dominant spielen», so Sforza. Kurz vor seinem Wechsel hat ihn diese Zeitung zum Gespräch getroffen. --spr
«Es braucht Ruhe und Herz»
Der Wohler Ciriaco Sforza wurde gestern Donnerstag offiziell als neuer Trainer des FC Basel vorgestellt
Als Spieler unbestritten stark, als Trainer oft missverstanden. In der Fussballkarriere von Ciriaco Sforza gibts viele Auf und Abs. Etwas bleibt konstant: Seine Treue zu Wohlen. Nun wird er Trainer des grossen FC Basel. Diese Zeitung hat ihn getroffen.
Stefan Sprenger
Gestern wurde Ciriaco Sforza offiziell als Trainer vorgestellt. Der Wohler pocht an der Medienkonferenz auf die positive Stimmung beim FC Basel, freut sich auf den Neuanfang und die bevorstehende Arbeit. Sforza will «Erfolg haben und junge Spieler voranbringen». Momentan gibt es viele Negativschlagzeilen um den Verein, dazu sagt Sforza: «Mir gehts nicht darum, was von aussen herangetragen wird. Ich konzentriere mich auf das, was intern läuft. Und die Gespräche sind sehr positiv gelaufen.» Zur Verpflichtung von Sforza sagt FCB-Präsident Bernhard Burgener, dass man vier Kandidaten auf dem Schirm gehabt habe. «Sforza war die beste Wahl. Wir haben das Feuer gespürt.»
Wenige Tage vor seinem Wechsel zum FC Basel: Ciriaco Sforza bestellt sich einen Espresso im Restaurant «Marco Polo» in Wohlen. Dreitagebart, pinkes Shirt und gut gelaunt. Er erzählt, dass er womöglich bald innerhalb Wohlens umzieht, dass seine fünfjährige Tochter Estelle in diesen Tagen zum ersten Mal in den Kindergarten geht und er deswegen «ein bisschen nervös» sei, dass er die Coronaregeln stets einhält, beispielsweise wenn er seine Mutter Angela in Wohlen besucht – und dass er sich super wohlfühlt. «Wie es mir geht? Ach. Ich bin gesund, meine Familie auch, das ist das Allerwichtigste in diesen besonderen Coronazeiten», meint der 50-Jährige.
In Wohlen kennt und schätzt man den sensiblen Sforza
Man merkt bei diesem Treffen, wie verwurzelt und heimisch er in Wohlen ist. Wenn jemand das Lokal betritt, läuft es immer gleich ab. «Hoi Ciri, alles gut?» Alle schätzen ihn hier als Menschen. Und Sforza kennt alle mit Vornamen. Jahrzehnte im gleichen Dorf prägen eben. Und ob bei Bayern München oder zuletzt beim FC Wil, seine Wurzeln hat er nie losgelassen. Der Wohlfühlort, seine Heimat, hier, wo seine Mutter, seine Geschwister und seine Freunde leben, hier, wo er zur Schule ging. In Wohlen kennt man nicht nur den unantastbar scheinenden Fussballer und Trainer, sondern auch den sensiblen Menschen Ciriaco Sforza. In Wohlen lebt er gerne. Schon immer.
Natürlich auch jetzt, wo er den grossen FC Basel übernimmt. «Der FC Basel hat über die Grenzen hinaus Geschichte geschrieben. Mein Ziel ist es, weitere erfolgreiche Kapitel hinzuzufügen, national wie international. Ich freue mich auf diese grosse Herausforderung und danke dem FCB für sein Vertrauen», lässt sich Sforza in der offiziellen Medienmitteilung des FC Basel zitieren. Der ehemalige Nationalmannschaftscaptain Sforza unterschreibt einen Zweijahresvertrag beim FC Basel und beginnt am 1. September mit seiner Arbeit am Rheinknie. Der FC Wil bekommt gemäss «Blick» rund 300 000 Franken Ablöse, Sforza kann den Challenge-League-Verein dank einer Ausstiegsklausel verlassen.
Beim Treffen mit dieser Zeitung ist der FC Basel noch kein Thema. Der FC Wil noch sein aktueller Arbeitgeber. Nach einer eher negativen Erfahrung beim FC Thun und einer Auszeit gehe er nun wieder «mit viel Freude auf den Fussballplatz», wie er sagt. Sforza erzählt stolz: «Wir haben beim FC Wil einen Rekord erzielt.» Bei den «Effizienzkriterien» der Swiss Football League, welche die Einsätze von U-Nationalspielern ausweist, steht Wil an der Spitze. Sforza beweist einmal mehr, wie stark er als Talentförderer ist. Demonstriert hat er diese grosse Fähigkeit eigentlich bei allen Trainerstationen. FC Luzern, GC, FC Wil – und natürlich in der glorreichen Saison 2014/15 bei seinem FC Wohlen, seinem «Herzensverein». Spieler wie Simone Rapp, Roman Buess, Matteo Tosetti, Simon Grether, Joel Geissmann, Alban Pnishi oder Samir Ramizi schaffen nach der «Sforza-Saison» den Sprung in die Super League. Und auch jetzt – nach seiner Saison beim FC Wil – realisieren einige Spieler den Sprung in die höchste Liga. «Ich sehe es als Kompliment für die gute Arbeit», meint Sforza dazu.
Arbeit mit jungen Spielern: Worauf kommt es an?
Sein Geheimrezept im Umgang mit jungen Spielern? «Vertrauen braucht Zeit. Und es braucht Zeit für den nächsten Schritt. Ruhe ist dabei auch wichtig. Es benötigt Geduld, harte Arbeit und viel Herz. Und man muss auch die Tiefen überwinden, die man im jungen Fussballalter immer wieder hat», so Sforza. Der Talentförderer und «Rohdiamantschleifer», er weiss aus seiner eigenen Karriere bestens, worauf es ankommt. Mit 15 Jahren debütierte er beim FC Wohlen. «Damals war ich ein Baby unter Erwachsenen», erinnert er sich. Mit Spielintelligenz hat er sich damals durchgesetzt und spielte mit 16 Jahren schon bei den Grasshoppers.
Beim FC Basel soll er diese Fähigkeit als Talentförderer erneut beweisen. FC-Basel-Präsident Bernhard Burgener sagt: «Wir freuen uns sehr, mit Ciriaco Sforza einen Cheftrainer zu engagieren, der in der Schweiz verwurzelt und gleichzeitig international top vernetzt ist. Mit seinen eigenen internationalen Erfahrungen auf höchstem Niveau und seiner Fähigkeit, mit jungen Talenten umzugehen, passt er perfekt in unser Konzept und wird unseren Club entsprechend weiterentwickeln.»
Sforza wird beim Treffen mit dieser Zeitung gefragt, wo er denn als Trainer noch hinwill, was sind seine Ziele? «Geduldig sein, abwarten, das Trainerbusiness ist kein Wunschkonzert», antwortet er. Mit dem FC Basel erhält er nun eine riesige Chance, sich – und der ganzen Fussballschweiz – zu beweisen, dass er als Trainer mehr ist, als «nur» ein Talentförderer. Mit Sforza soll der Erfolg zurück in den St. Jakob-Park in Basel kommen. Der Start zur neuen Super-League-Saison ist am 12. September.
Hoffen auf gute Coronalösung
Corona-bedingt wird es eine besondere Spielzeit werden. Sforza, der stets zu sagen pflegt, dass Gesundheit das Wichtigste ist, meint dazu: «Ich verstehe jede Massnahme, wenn es um die Gesundheit geht. Ich hoffe, man findet ein gutes Konzept und eine saubere Lösung, die für alle Parteien passt.» Geisterspiele sind für ihn als Trainer kein Problem. «Für die Fans und die Spieler natürlich schwieriger. Es fehlt vieles.»
Ob mit oder ohne Zuschauer, Sforza will beim FC Basel etwas bewegen. Keine einfache Aufgabe. Der FCB durchlebt derzeit schwierige Zeiten. Die Klub-Legenden haben den Verein verlassen, die Führung rund um Präsident Bernhard Burgener steht schon länger in der Kritik. «Für Erfolg braucht es Ruhe und Herz», pflegt Sforza stets zu sagen. Ob diese Ruhe beim FC Basel vorhanden sein wird? Das neue Engagement des Wohlers Ciriaco Sforza wird auf jeden Fall eine der grössten Herausforderungen in seiner Karriere.
Karli Odermatt: «Beste Lösung»
Der Wechsel von Ciriaco Sforza zum FC Basel schlägt hohe Wellen. Einer, der eine klare Meinung und auch Insiderwissen hat, ist Alain Schultz. Er begann beim FC Basel mit seiner Fussballkarriere und erlebte Sforza in der Saison 2014/15 als Trainer. «Basel hat einen Juniorencampus, der viel Geld kostet und in den letzten Jahren vernachlässigt wurde. Deswegen ist die Verpflichtung von Sforza ein erster Schritt für den Neuanfang und – wenn Sforza mit den jungen Spielern in Ruhe arbeiten kann – ist er genau der richtige Mann für diesen Job.»
Übrigens: Alain Schultz ist der Göttibube von FC-Basel-Legende Karli Odermatt. Dieser sagt zur Sforza-Verpflichtung: «Super. Das ist die beste Lösung für den Neuanfang.»
Ebenfalls eine positive Meinung hat der Hägglinger Joel Geissmann, der gerade mit Lausanne in die Super League aufgestiegen ist. Er erlebte Sforza beim FC Wohlen als Trainer. «Ich traue ihm den Job zu. Er hat in seiner Trainervergangenheit überall seine Spuren hinterlassen und gezeigt, dass er jeden jungen Spieler besser machen kann. Ob er den hohen Ansprüchen des FCB auf allen Ebenen gerecht werden kann, wird sich zeigen. Wichtig ist, dass er sich wohlfühlt und mit Leuten zusammenarbeiten kann, denen er vertraut.» --spr