Sein Herz schlägt im 2-Takt
26.05.2020 MuriDer Murianer Xaver Huber – ein Töfflibueb mit Leib und Seele
Als Xaver Huber mit Ende 40 seine Leidenschaft für das Töffli wiederentdeckte, hatte noch niemand das Töffli-Revival für möglich gehalten. ...
Der Murianer Xaver Huber – ein Töfflibueb mit Leib und Seele
Als Xaver Huber mit Ende 40 seine Leidenschaft für das Töffli wiederentdeckte, hatte noch niemand das Töffli-Revival für möglich gehalten. Heute sucht man einen Töfflikult wie in der Schweiz anderswo lange.
Susanne Schild
In vielen Ländern sind Menschen auf Mofas angewiesen – vor allem im asiatischen Raum – aber nicht etwa, weil es grossen Spass macht, mit 30 Stundenkilometern durch die Gegend zu knattern, sondern weil Autos entweder zu teuer oder nicht wendig genug sind. In Vietnam beispielsweise sind mehr Mopeds auf den Strassen unterwegs als Autos. Auf den Philippinen werden Töffli sogar mit Soundsystemen und Neonlichtern aufgepimpt und illegale Strassenrennen veranstaltet – «the Töffi and the furious» quasi.
Mofa ist die Abkürzung für Motorfahrrad. Den Ursprung hat das Töffli in der Weltwirtschaftskrise 1929. Damals war die Mobilität stark eingeschränkt und durch die Ausstattung eines gewöhnlichen Fahrrads mit einem Motor war vielen Menschen auf einen Schlag geholfen. In der Schweiz stiess das Töffli jedoch erst in den 60er-Jahren auf Popularität. In der Arbeiterschicht und in der Landwirtschaft wurde es schlagartig zum Kassenschlager und der Sprung in die Jugendszene war nur noch eine Frage der Zeit.
Der coolste fahrbare Untersatz
In den 1970er- und 1980er-Jahren waren sie bei der Dorfjugend der coolste fahrbare Untersatz überhaupt. Danach fristeten sie für lange Zeit ein tristes Dasein in Kellern, in Scheunen oder in der hintersten Ecke der Garage, bis sie vor zehn Jahren ein Revival erleben durften. «Mit dem Töffli bringe ich immer meine Jugend in Verbindung», bestätigt auch Töfflibueb Xaver Huber. Mit vierzehn kaufte er sich sein erstes Töffli. «Zu der Zeit gab es noch den gelben Ausweis mit Foto. Das Gefährt wurde damals auch Pubertätsbeschleuniger oder Sackgeld-Verdunster genannt.» Damals unternahm er mit acht Kollegen seine erste grosse Tour über den Gotthardpass ins Tessin.
Jedes Töffli hat seinen Reiz
Eine Tasche, ein Schlafsack und ein Zelt waren sein Gepäck. «Unsere Töffli waren leicht optimiert. Wir haben das Beste rausgeholt.» Mit Ende 40 fng sein Herz wieder an, im 2-Takt zu schlagen. Xaver Huber entdeckte auf einem Online-Auktionsportal eine alte 502 Sachs. «Da stand für mich fest, dass ich mir wieder ein Töffli kaufen werde.»
Gesagt, gekauft. Er investierte viel Zeit in das alte Gefährt und richtete es wieder her. «Hoher Lenker, runder Tank und neu lackiert.» Mittlerweile besitzt er sechs Töffli. «Ein Lieblingstöffi habe ich nicht. Jedes ist auf seine Art etwas Besonderes.» Wobei es nicht auf die Geschwindigkeit ankomme, sondern auf das Aussehen. Wenn das Töffi dann wieder in die Gänge gebracht ist und richtig gewartet wird, dann sollte es die nächsten 20 Jahre laufen. «Das Töffli ist ein Stück Schweizer Kulturgut, da gehen in mir die Emotionen hoch», so der Töfflibueb. Anfänglich war er noch allein on Tour.
Männerromantik pur
Das änderte sich schnell. Aus einem Ausfug mit einem Kollegen entstand nach und nach eine Töffli-Gemeinschaft. «Zu Spitzenzeiten waren wir mit mehr als 20 Leuten unterwegs. Wir kreierten unseren eigenen Patch «2-Takt-Kult Rüsstal 5620»». Der Töffli-Liebhaber nimmt an diversen Events teil. Dazu zählt das Red Bull Alpenbrevet. Die Fahrer reisen aus ganz Europa an, um die 120 Kilometer lange Strecke zu fahren. Auch beim «ÖMM», dem Ötztaler Mopedmarathon mit Start- und Zielort Sölden, war er mit dabei. Am «ÖMM» fahren rund 1400 Fahrer mit ihren Mopeds vier Alpenpässe. Auf einer Strecke von 238 Kilometern werden 5500 Höhenmeter überwunden, unter anderem das Timmelsjoch. Ausserdem durchfährt man vier Klimazonen. «Ich fuhr damals um 6 Uhr morgens los und kam um 17 Uhr an. Danach ist man richtig müde und ausgepowert, doch für ein Bier reicht es immer noch.» Es sei immer wieder ein unglaubliches Gefühl, mit vibrierendem Sattel über die Pässe zu fahren. «Eine einmalige Kombination aus Freiheit und Gemütlichkeit. Wenn man mit 35 Stundenkilometern durch die Lande tuckert, ist das die perfekte Entschleunigung zum hektischen Alltag.»
Das Töffli ist für Xaver Huber nicht nur ein Fortbewegungsmittel, es ist ein Lifestyle. «Es gibt kein anderes Fahrzeug, mit dem du dermassen die Landschaft geniessen kannst.» Deshalb ist für Xaver Huber jede Tour schön. Ob es nun von Bremgarten nach Mühlau mit seinen Töfflibueb-Kollegen geht oder er mit seiner Lebensgefährtin um den Zugersee knattert, jede Ausfahrt hat für ihn seinen Reiz. «Ob nun um den Hallwilersee oder zum Fischen, ich fahre wo immer nur möglich abseits der Hauptstrassen. Ich benutze vorwiegend Feld- und Flurwege. Hier kann man es richtig geniessen. Born to be wild mit 30 Stundenkilometern», scherzt er.
Auf die Frage, ob er eines seiner Töffli gegen eine Harley eintauschen würde, antwortet er: «Niemals, eine Harley fährt mittlerweile fast jeder. Aber ein restauriertes Töffli gibt es immer nur einmal. Die Töffli sind nicht totzukriegen. Weder als einzelnes Exemplar noch als Gattung. Dafür sorgen so ein paar Alt-Angefressene wie ich hoffentlich noch lange.»