«Mister Challenge League»
22.05.2020 SportMartin Rueda war der Trainer, mit dem der FC Wohlen in die zweithöchste Klasse im Schweizer Fussball aufgestiegen ist. Viermal war er Trainer der Freiämter, konnte aber auch in anderen Vereinen überzeugen. Was macht Rueda heute? --red
Rueda und die ...
Martin Rueda war der Trainer, mit dem der FC Wohlen in die zweithöchste Klasse im Schweizer Fussball aufgestiegen ist. Viermal war er Trainer der Freiämter, konnte aber auch in anderen Vereinen überzeugen. Was macht Rueda heute? --red
Rueda und die brennende Stube
Serie «Die schillernden Namen des FC Wohlen»: Martin Rueda
Martin Rueda war in den letzten 20 Jahren viermal Trainer des FC Wohlen. «Mein Herzensverein», sagt der 57-Jährige. Der Aufstiegstrainer von 2002 hat in Wohlen Kultstatus. Seit 2016 ist er aber ohne Trainerjob, hat dafür im Leben ohne den Fussball seinen Tritt gefunden.
Stefan Sprenger
Die letzte Fussball-Erinnerung ist ein Desaster. Ein Trauerspiel. «Der tiefste Tiefpunkt», wie Martin Rueda sagt. 2016 brach der FC Wil auseinander. Dubiose türkische Investoren sorgten dafür, dass der Ostschweizer Club sich in seine Einzelteile auflöste. Im September 2016 erkauften sie Rueda vom FC Wohlen, wollten mit ihm in die Super League aufsteigen. Im Dezember wird er bereits entlassen. Die Löhne werden nicht gezahlt, Punkteabzug, drohende Insolvenz. Der Verein ist am Abgrund. «Das alles mitzuerleben, hat mir zugesetzt», sagt Rueda heute. Es war sein letztes Engagement als Trainer. Seither bleibt er dem Fussball fern.
Er kanns nicht mehr: «Das ist lächerlich»
Vor Kurzem hörte er, dass sich ein Amateurverein nach ihm erkundigte und ihn möglicherweise als Trainer engagieren wollte. «Es hiess dann, ich sei zu lange weg von der Fussballbühne und dass ich keine Mannschaft mehr trainieren könne. Das ist lächerlich.» Er ist überzeugt, dass es noch gehen würde. Denn Ruedas Leistungsausweis ist beachtlich. Als Profispieler kickte er für GC, Wettingen, Luzern und Xamax. Der Abwehrspieler war zudem in der Nationalmannschaft und an der Weltmeisterschaft 1994 im Kader. Und auch als Trainer hat er einen beachtlichen Palmares. Winterthur, Aarau, GC-Nachwuchs, Young Boys, Dubai, Wil und Lausanne. Und immer wieder der FC Wohlen.
Rueda und Wyder, das klappte von Anfang an
Die Liebesgeschichte zwischen Martin Rueda und dem FC Wohlen beginnt im Jahr 1999. Ryszard Komornicki ging. Und FCW-Präsident Andy Wyder wählte die Nummer von Rueda. «Andy Wyder hat mich kontaktiert, konsolidiert und engagiert.» Im Frühling 1999 treffen sie sich erstmals im Restaurant Sonne im zürcherischen Birmensdorf. Wyder will Rueda. «Und ich habe mich vom ersten Moment an pudelwohl gefühlt.» Er sagt Ja zum FC Wohlen. Als Spielertrainer und Gallionsfigur soll er den Erfolg auf die Paul-Walser-Stiftung bringen. Es war Ruedas erster Job nach seiner Aktivkarriere. Eine Liebe beginnt. Und auch eine tiefe Freundschaft mit Andy Wyder, die bis heute hält.
Eine Liebe, die sofort gelingt
In der Saison 1999/00 war alles neu für Rueda. «Der Vorteil war, dass ich als Spielertrainer auf dem Rasen viel mitgeben konnte.» Die Liebe gelingt. Der FC Wohlen spielt gross auf, feiert viele Siege. «Und in der Paul-Walser-Stube erlebten wir alle grandiose Nächte voller positiver Stimmung.» Die Saison wird aber nicht gekrönt. In den Aufstiegsspielen zur Nationalliga B scheitern die Wohler an Locarno (1:3 und 3:3). «Wir haben im Abschluss gesündigt. Es war ein Ende, das wir nach einer tollen Saison so nicht verdient haben», blickt er zurück.
«Jetzt brannte die Paul-Walser-Stube»
Rueda wechselt zum FC Winterthur in die NLB. Die Zürcher hatten Aufstiegsambitionen. «Ich wollte vorankommen, sofort den nächsten Schritt machen, ich wäre besser in Wohlen geblieben. Aber im Nachhinein ist man immer schlauer.» Es passte nicht in Winterthur.
Rueda kommt zurück. Aber nicht mehr als Spielertrainer. «Ich war damals fast 40 Jahre alt. Es war genug mit Selberspielen.» Was folgt ist eine Saison für die Geschichtsbücher. In den Aufstiegsspielen wird er Colombier eliminieren (4:1 und 2:2) und muss sich dann in einer Dreierpoule behaupten. Gegen YF Juventus gibt es einen Last-Minute-Sieg (1:2) durch ein Tor in der 92. Minute. Und am 8. Juni 2002 ist es soweit: Dem FC Wohlen reicht ein 0:0 gegen Schaffhausen für den Aufstieg in die Nationalliga B. «Eine Riesensache. Eine Saison voller Höhepunkte fand am Ende die Krönung. Jetzt brannte die Paul-Walser-Stube», erinnert sich Rueda lachend zurück. Dieser 8. Juni ist für ihn bis heute ein Highlight geblieben. Spätestens ab diesem Tag war es eine Liebe, die brannte – und bis heute nicht mehr erlosch.
Nach der ersten NLB-Vorrunde in der Geschichte des FC Wohlen geht Rueda. Er folgt wieder seinem Credo, immer voranzukommen, und wird Trainer beim FC Aarau in der Super League. Nach der Rückrunde muss er gehen und landet beim Nachwuchs der Grasshoppers, wo er zwei Saisons lang bleibt.
Wyder: «Er ist mehr als nur ein Trainer»
Am 1. Juli 2007 folgt die längste Liaison zwischen Rueda und dem FC Wohlen. Seine sanftmütige, faire und umgängliche Art wird enorm geschätzt. Er wird drei Jahre bleiben, 100 Spiele an der Seitenlinie stehen und im Schnitt 1,41 Punkte holen. Unvergessen die Saison 2007/08. Zuerst in Abstiegsnöten kämpfte sich der FCW an die Tabellenspitze. Eine Euphorie entwickelt sich in Wohlen. Jetzt brennt nicht mehr die Paul-Walser-Stube, sondern die Niedermatten. Mit Spielern wie Goran Karanovic, Enrico Schirinzi und Überflieger Alain Schultz erreicht man am Ende den sagenhaften 4. Rang.
2010 geht Rueda erneut. Dieses Mal klappt es beim neuen Verein. Er steigt mit Lausanne in die Super League auf, schafft die Europa-League-Qualifikation. 2012 geht er zu den Young Boys, wird dort entlassen. 2013 geht er nach Dubai, er wird dort ebenfalls entlassen. Dann folgt das bislang letzte Kapitel der Liebe zwischen Martin Rueda und dem FC Wohlen. Präsident Andy Wyder sagte einst: «Rueda ist jederzeit herzlich willkommen. Er ist für den FC Wohlen viel mehr als nur ein Trainer.» Der Schweiz-Spanische Doppelbürger wird sportlicher Leiter in der grandiosen «Sforza-Saison». «Es war eine positive Zeit. Ich konnte Ciriaco Sforza zusehen und lernen, wie andere Trainer vorgehen.» Der FCW beendet die Saison auf dem 3. Rang. Ruedas Rekord ist geknackt. Als Sforza geht, übernimmt Rueda im Sommer 2015 das Team.
Folgte er dem Ruf des Geldes?
Er zügelt nach Villmergen und wird endgültig ein Freiämter. Doch es folgt eine schwierige Saison. «Viele Spieler aus der Erfolgssaion sind gegangen. Es war ein Neuanfang. Wir hatten nur schon Mühe, einen Assistenztrainer zu finden. Vieles war schwierig.» Der FC Wohlen dümpelt am Tabellenende rum.
Im September 2016 klopft der FC Wil an und möchte Rueda. Der FCW legt ihm keine Steine in den Weg, wie es sich in einer Partnerschaft gehört. Damals sagten viele, Rueda folge dem Ruf des Geldes. «Das stimmt so nicht. Ich sah die Chance, wieder voranzukommen.» Denn die Ostschweizer liebäugelten mit einem Aufstieg in die Super League. Doch daraus wurde nichts. Die türkische Investorenblase explodierte. Und Rueda ist fortan ohne Trainerjob.
«Nein, es machte mich nicht immer glücklich»
Machte es ihn glücklich, immer nach mehr zu streben, anstatt dort zu bleiben, wo er sich wohlfühlte? «Nein, es machte mich nicht immer glücklich. Aber ich will mich eben immer verbessern. Mein Antrieb war es, höher zu coachen. Ich wollte in die Super League, ich hatte Ambitionen.» Nun hat er seit vier Jahren kein Team mehr trainiert.
Dafür fand er den Tritt in die Arbeitswelt. Rueda arbeitet in Adliswil bei einer Autogarage als Teamleiter für Gebrauchtwagen. Er zügelte innerhalb des Freiamts, um seinen Arbeitsweg zu verkürzen. Er hat nach wie vor dieselbe Freundin wie schon vor zehn Jahren, und er ist glücklich, wie er sagt. Doch: «Manchmal stelle ich mir vor, wie es wäre, wieder auf dem grünen Rasen zu stehen und ein Team zu trainieren. Aber es ist so, wie es ist. Ich erlebte in meiner Karriere viele Höhepunkte, aber auch viele schlechte Momente. Der FC Wohlen war aber immer ein positives Erlebnis.»
In den Niedermatten hat er schon längst ein imaginäres Denkmal und wird für immer der Aufstiegstrainer bleiben. Und, wer weiss, vielleicht treffen sich die Wege irgendwann wieder? «Ganz ehrlich, ich weiss es nicht, ob ich nochmals als Trainer tätig sein will.» Trotz UEFA-Pro-Lizenz, trotz grossem Fussball-Sachverstand und der Leidenschaft: Martin Rueda hat etwas die Schnauze voll vom Fussballbusiness. Ein Comeback würde er sich vielleicht für den FC Wohlen überlegen. Vielleicht geht dann diese besondere Liebesbeziehung in ein fünftes Kapitel.