«Ich provoziere für die Sache»
07.01.2020 PolitikInterview mit Gemeindeammann Christian Baumann
Seit zehn Jahren ist Christian Baumann Gemeindeammann von Zufikon. Regional Bekanntheit erlangt er, weil er sich auch mal öffentlich kritisch äussert.
Roger Wetli
Klartext spricht ...
Interview mit Gemeindeammann Christian Baumann
Seit zehn Jahren ist Christian Baumann Gemeindeammann von Zufikon. Regional Bekanntheit erlangt er, weil er sich auch mal öffentlich kritisch äussert.
Roger Wetli
Klartext spricht der Ammann auch während des Interviews. Er bleibt dabei immer sachlich. Mehrfach betont er, dass es ihm nicht um seine Person, sondern um das Dorf gehe. In seinem Amt müsse er aber auch mal nach vorne sehen und seine Meinung äussern. Im Mittelpunkt stünde er deswegen nicht sehr gerne.
Die erste Hälfte der neuen Amtsperiode ist vorbei. Wie sieht Ihre Bilanz dazu aus?
Christian Baumann: Im Gemeinderat ist es wieder möglich, sich auf die Sachgeschäfte zu konzentrieren. Wir ziehen am gleichen Strick und in die gleiche Richtung. Das färbt auch auf die Arbeit der Verwaltung ab.
Welches waren dabei die positivsten Ereignisse?
Neben der guten Zusammenarbeit im Gemeinderat ist es ein Vorteil, dass wir die Finanzen im Griff haben. Denn wenn diese stimmen, funktioniert eine Gemeinde in geordneten Bahnen. Die Steuereinnahmen entsprechen unseren Erwartungen. Sehr gefreut hat mich der nahtlose Übergang von unserem Gemeindeschreiber Felix Etterlin an seinen Nachfolger Uwe Krzesinski. Das ist nach 44 Jahren Tätigkeit nicht selbstverständlich. Krzesinski und ich harmonieren gut. Ich habe ihm mein Vertrauen geschenkt und er leistet hervorragende Arbeit.
Gab es etwas, was Sie gestört hat?
Ich wurde im Internet als Lügner bezeichnet und musste deswegen zweimal Strafanzeige erstatten. Solche Situationen sind sehr belastend. Ich bin froh, dass dieses Kapitel abgeschlossen ist.
Sie sind bekannt dafür, dass Sie kein Blatt vor den Mund nehmen. Geschieht das eher impulsiv?
Das hat nichts mit Impulsivität zu tun, sondern mit Wahrnehmung und Authentizität. Mir hat mal jemand gesagt, dass man bei mir weiss, woran man ist. Das ist eines der grössten echten Komplimente, welches man in der Politik erwarten darf. Dass ich mir mit meiner Meinung nicht nur Freunde mache, ist normal. Ich kann und will es aber auch nicht allen recht machen. Wobei bei mir immer die Sache im Vordergrund steht. Werde ich gefragt, positioniere ich mich. In den zehn Jahren als Gemeindeammann habe ich mich nie für etwas eingesetzt, hinter dem ich nicht stehen kann.
Bei der Geschäftsführerfrage des KESD getrauten Sie sich, sich öffentlich kritisch zu äussern. Warum?
Weil ich von zwei anderen Gemeindeammännern angefragt wurde. Der KESD gehört nicht zu meinen Ressorts. Ich habe mich nach der Anfrage in das Thema eingearbeitet und musste dabei sehr viele Unzulänglichkeiten feststellen. Darum engagierte ich mich im Sinne einer seriösen Führungsverantwortung und Personalpolitik.
Welche Reaktionen hat das ausgelöst?
Sehr unterschiedliche. Von aussen sind mir weitere Unzulänglichkeiten zugespielt worden. Es war mir klar, dass ich provoziere. Entsprechend gab es auch Gegenreaktionen.
Auch gegenüber dem Kanton äussern Sie sich immer wieder kritisch. Wie gestaltet sich die Zusammenarbeit?
Auch hier provoziere ich immer im Sinne und im Interesse von Zufikon. Ich werde vom Kanton wahrgenommen und auch akzeptiert. Ich hoffe, dass ich dabei immer realistisch bleibe. Ein Beispiel: Die einst vorgesehene sehr kostenintensive Sanierung der Zugerstrasse ist zurzeit sistiert. Von der ersten Offerte des Kantons zur zweiten lagen sage und schreibe deutlich mehr denn 100 Prozent.
Und wie sieht die Situation bei der Anpassung der Bibenloskreuzung aus?
Sie liegt zu mindestens 95 Prozent auf Bremgarter Boden, hat aber auch starke Auswirkungen auf Zufikon. So staut der Verkehr von der Sädelstrasse her und provoziert Ausweichverkehr über die Stiefelstrasse. Eine Zählung ergab dort täglich 3600 Fahrzeuge. Der Kanton ging von der Hälfte aus. Auf mehrfache Intervention sieht er jetzt bei der Bibenloskreuzung raschen Handlungsbedarf. Die Kantonsverantwortlichen wissen jetzt, dass es eine der Kreuzungen im ist, die am stärksten befahren wird, und haben deshalb eine höhere Priorität gesetzt. Ein grosser Vorteil ist, dass das für die Umbauten benötigte Land bereits dem Kanton gehört. Verflüssigt sich aber dort der Verkehr, staut es in Richtung Pegasus-Kreisel und in Wohlen noch mehr. Auch dort wird es Handlungsbedarf geben. Die neuen Berechnungen einer Verkehrszunahme reichen bis zirka 2040.
Die aktuelle Amtsperiode dauert noch zwei Jahre. Was möchten Sie in dieser Zeit erreichen?
Der Baustart am Bibenlos wäre wunderbar. Seit Jahren ist auch der Wunsch nach einem Dorfzentrum als Begegnungsstätte vorhanden. Diesbezüglich gibt es Bewegung. Die Planung ist jetzt aufgegleist mit dem Ziel, dieses Projekt in den kommenden zwei Jahren umzusetzen. Daneben beschäftigt uns auch die Ablösung des Leiters der Abteilung Bau und Technik. Die neue Person ist gewählt. Bei dieser Gelegenheit passen wir diese Abteilung auch gleich den heutigen und absehbaren Bedürfnissen an. Abgeschlossen haben wir jetzt die Bevölkerungsumfrage. Deren Auswertung wird in nächster Zeit den Gemeinderat beschäftigen. Dazu haben wir Workshops geplant.
Sie haben in der Vergangenheit schon angedeutet, dass Sie in zwei Jahren wohl nicht mehr als Gemeindeammann kandidieren werden. Wie weit ist dieser Gedanke?
Das ist beschlossene Sache und auch intern so kommuniziert.
Können Sie sich überhaupt jetzt schon eine Zeit ohne diese intensive und fordernde Lokalpolitik vorstellen?
Selbstverständlich. Ich werde mich bei Bedarf auch weiterhin im Sinne der Öffentlichkeit einsetzen und aktiv bleiben. Es muss aber nicht zwingend im eigenen Dorf sein.
Wo sollte Zufikon in zehn Jahren stehen?
Als eigenständige Gemeinde mit ländlicher Umgebung, nicht zu stark überbaut und mit zirka 5000 Einwohnern. Schön wäre, wenn wir noch zusätzliches Gewerbeland einzonen könnten. Dies stünde im Einklang mit unserer langjährigen Strategie und hoffentlich auch im Sinne unserer Bevölkerung. Natürlich sollten die Finanzen im Lot bleiben, so wie sie es heute sind. Zudem sollte die freie Fläche südlich der Ättigüpfstrasse als grüne Lunge zugunsten der Natur und damit der Zufiker Bevölkerung erhalten bleiben.