«Alle mussten Abstriche hinnehmen»
07.01.2020 MutschellenInterview mit Gemeindeammann Peter Spring
Seit sechs Jahren ist Peter Spring Gemeindeammann in Widen. Zum zweiten Mal innert kurzer Zeit konnten die Steuern gesenkt werden. «Die Reduktion des Satzes ist angebracht», sagt der ...
Interview mit Gemeindeammann Peter Spring
Seit sechs Jahren ist Peter Spring Gemeindeammann in Widen. Zum zweiten Mal innert kurzer Zeit konnten die Steuern gesenkt werden. «Die Reduktion des Satzes ist angebracht», sagt der 64-Jährige.
Erika Obrist
Wie viele Hüte haben Sie daheim im Schrank?
Peter Spring: Früher hatte ich einen mittelgrossen Hut im Schrank. Heute sind es noch der mittlere und einige kleine Hüte. Und: Es hat noch Platz im Schrank.
Sie sind Gemeindeammann in Widen, Präsident des Gemeindeverbands Alterszentren Bremgarten, Mutschellen, Kelleramt, Präsident des Trägervereins Hasenbergturm und letztes Jahr standen Sie dem OK der MEGA 19 vor. Wie bringen Sie all diese Tätigkeiten unter einen Hut?
Ich habe im letzten Jahr meine hauptberufliche Tätigkeit aufgegeben. Ich habe noch einige Aufträge auf Mandatsbasis inne, die mir jedoch ausreichend Zeit lassen, die genannten Aufgaben auszuführen.
An der Abgeordnetenversammlung des Verbands Alterszentren letzten November gelang nach langer Zeit der Ungewissheit der Durchbruch: Der Umund Ausbau der «Bärenmatt» in Bremgarten wurde einstimmig genehmigt. Was brauchte es, um diese Einigkeit zustande zu bringen?
Ich bin sehr froh, dass das Projekt von allen Verbandsgemeinden getragen wird. Wirklich von allen. Vor einem Jahr hätte ich nicht gewagt zu sagen, dass diese Einigung noch im 2019 möglich wird. Am runden Tisch haben wir intensiv alle Vor- und Nachteile des Umbaus diskutiert. Dabei wurden wir von Architekt Severin Andermatt sehr gut begleitet. Um Einigkeit zu erzielen, mussten letztlich alle Beteiligten Abstriche von ihren Idealvorstellungen hinnehmen. Schliesslich haben wir einen Kompromiss gefunden, zu dem jetzt alle stehen. Bei all den Verhandlungen hat sich wieder einmal gezeigt, dass sich in der Politik oft die zweitbeste Lösung als die beste herausstellt.
Was steht jetzt noch an, um dem Vorhaben, das gemäss Schätzung 25,8 Millionen Franken kosten wird, in den Verbandsgemeinden zum Durchbruch zu verhelfen?
Jede Verbandsgemeinde muss das Vorhaben an der nächsten Sommer- «Gmeind» dem Souverän unterbreiten. Sieben von zehn Verbandsgemeinden müssen zustimmen. Ich bin guten Mutes, dass das gelingen wird. Die Finanzierung des Vorhabens ist danach Sache des Verbands.
Für den Bau eines Aussichtsturms auf dem Hasenberg hat der Kanton vor fast einem Jahr die Baubewilligung erteilt. Die Ortsbürgergemeinde Widen trägt einen wesentlichen Teil der Baukosten. Die Sponsorenaktion mit dem Verkauf der Stufen ist erfolgreich verlaufen. Wann folgt der Spatenstich?
Das Baubewilligungsverfahren ist sehr positiv verlaufen; es gab keine einzige Einsprache. Allerdings konnten bei der Submission nicht die erhofften Ergebnisse realisiert werden. Also müssen wir hier Anpassungen vornehmen.
Was heisst das konkret?
Konkret heisst das, dass wir Kosten einsparen müssen. Womöglich haben wir bei der Ausschreibung zu viel Wünschbares aufgeführt. Nun sind wir am Abklären, wo wir Abstriche vornehmen können, ohne dass die Qualität leidet. Ebenfalls klären wir ab, ob wir eine zweite Submission durchführen werden. Das hängt von der Grösse der Anpassung ab, die wir vornehmen müssen. Sicher ist, dass sich der Spatenstich um ein paar Monate verschieben wird. Die Eröffnung des Turms wird deshalb voraussichtlich erst im Frühjahr oder Sommer 2021 erfolgen statt wie erhofft im August 2020.
Startet der Trägerverein eine zweite Sponsorenaktion?
Ich bin sehr froh, dass die erste Aktion derart erfolgreich verlaufen ist. Eine zweite ist nicht vorgesehen. Aber wir vom Verein sind offen für Firmen, Gemeinden und Gönner, die den Bau des Aussichtsturms unterstützen wollen.
Die MEGA 19 war das Grossereignis schlechthin im letzten Jahr auf dem Mutschellen. Was ist Ihnen in bester Erinnerung geblieben?
Es hat grossen Spass gemacht, diese Ausstellung vorzubereiten und durchzuführen. Wir waren ein tolles Team im Organisationskomitee. Jüngere und erfahrene Mitglieder haben miteinander aufs gleiche Ziel hin gearbeitet. Höchst erfreulich auch, dass wir die Ausstellung so durchführen konnten, wie wir es in den Monaten der Vorbereitung geplant hatten. Es gab keine einzige Absage: nicht von Ausstellern, nicht von Teilnehmerinnen und Teilnehmern an den Podien, nicht von Künstlerinnen und Künstlern. Und die Besucherinnen und Besucher haben die gute Stimmung unterstrichen. Die MEGA 19 hatte für alle etwas – für einige war es wie eine Klassenzusammenkunft.
Was würden Sie rückblickend heute anders machen?
Ich würde besseres Wetter organisieren. (lacht) Wobei das feuchte Wetter gar kein grosser Nachteil war: Man konnte nicht in die Berge und nicht an den See – aber an die MEGA schon. Rückblickend betrachtet würde ich die Podien in die Hauptbesuchszeit legen, nicht mehr an den Rand.
Die Gemeinde Widen verfügt über wenig Gewerbebetriebe. Was unternimmt der Gemeinderat, um mehr Arbeitsplätze vor Ort zu schaffen?
Widen ist ein wunderschönes Dorf mit privilegierter Wohnlage. Wir haben die Voraussetzungen nicht, um grössere Betriebe anzusiedeln. Weil der Raum nicht vorhanden ist und weil grössere Flächen zu teuer wären. Deshalb sind wir bemüht, kleinere Gewerberäume zur Verfügung zu stellen. Nicht vergessen werden darf dabei, dass in Widen mit dem Alterszentrum, der Sika und dem Haus Morgenstern drei grössere Arbeitgeber ansässig sind. Der Gemeinderat ist stets daran interessiert, dass es Arbeitsplätze in der Nähe gibt: auf dem Mutschellen und in den Gewerbezonen von umliegenden Gemeinden.
Der Gemeinderat hat in der letzten Legislaturperiode die Bebauung der letzten Landreserven forciert. Wie weit sind die Projekte Heinrüti und Zentrum gediehen?
Im Gebiet Heinrüti ist der Gestaltungsplan rechtsgültig bewilligt. Nun wird die Planung eingeleitet, danach erfolgt die Baueingabe. Bei der Überbauung Zentrum erweist sich die Erschliessung, die ab der Bellikonerstrasse erfolgen soll, als recht schwierig. In einem ersten Schritt hat der Gemeinderat ein Betriebs- und Gestaltungskonzept für die Bellikonerstrasse in Auftrag gegeben. Liegt dieses vor, so dient es als Grundlage für die Erschliessung des Gebiets Zentrum hinter dem Eulenkreisel.
Sind diese grossen Bauvorhaben umgesetzt, so braucht es wohl mehr Platz in den Kindergärten und Schulhäusern. Wie weit sind hier die Vorkehrungen gediehen?
Die Schulraumplanung ist abgeschlossen. Sie beinhaltet den Neubau des Schulhauses 1 sowie den Bau einer Doppelturnhalle anstelle der heutigen Einfachhalle. Weiter beinhaltet sie Räume für die Tagesstrukturen. Auf Antrag der Schulpflege prüft der Gemeinderat zudem die Machbarkeit der Integration der Kindergärten auf dem Schulareal. Der Wettbewerb für die Schulraumplanung ist in Auftrag gegeben mit dem Ziel, die langfristig beste Lösung zu finden. Die Bedeutung dieses Vorhabens ist hoch: Es zieht die grösste Investition nach sich, welche die Gemeinde in den nächsten Jahren tätigen wird.
Beim neuen Mehrfamilienhaus an der Bremgarterstrasse tritt die Gemeinde selber als Bauherrin auf. Widerspricht das nicht Ihren Überzeugungen als FDP-Politiker?
Ganz und gar nicht. Die Einwohnerund die Ortsbürgergemeinde sowie die Werke verfügen über Kapital, das wegen der Negativzinsen brachliegt. Deshalb investiert die Gemeinde dieses Geld ins Schaffen von zusätzlichem Wohnraum. Das Geld ist so gut angelegt und wirft eine Rendite ab. Eine Rendite zu erzielen, ist auch für eine Gemeinde sinnvoll. Das bedeutet auch, dass wir mit dem Geld, das der Steuerzahler uns anvertraut, bestmöglich umgehen.
Weshalb wird die Gemeinde nicht auch aktiv beim Erstellen von altersgerechtem Wohnraum?
Damit Wohnen mit Service funktioniert, müssen die Dienstleistungen rund um die Uhr zur Verfügung stehen. Bei fünf bis sechs Wohnungen ist ein solches Angebot nicht möglich. Das Bedürfnis nach Wohnungen mit Serviceleistungen ist tatsächlich vorhanden, die Gemeinde hat jedoch keine eigenen Möglichkeiten, solche – zusätzlich zu den bestehenden Alterswohnungen – zur Verfügung zu stellen.
Zum zweiten Mal in kurzer Zeit wurde der Steuerfuss gesenkt – im Wissen, dass die Schulden ansteigen werden. Lebt die Gemeinde heute auf Kosten der nächsten Generation?
Nein, das tun wir nicht. Wir haben uns die Senkung des Steuersatzes auf 75 Prozent gut überlegt. Unser Ziel ist, den Satz möglichst lange konstant halten zu können. Da die Rechnungsabschlüsse stets besser ausgefallen sind als veranschlagt, war es angebracht, den Steuersatz zu senken. Nicht vergessen werden darf, dass die Überschüsse von den heutigen Steuerzahlern generiert werden; sie finanzieren damit auch künftige Investitionen. Sicher werden die Schulden ansteigen, doch wir wollen kein Geld auf Vorrat beziehen von den Steuerzahlern.
Die Hälfte der laufenden Amtsperiode ist um. Was möchte der Gemeinderat in der zweiten Hälfte auf den Weg bringen?
Das Hauptaugenmerk liegt auf der Schule. Das Beschaffen der notwendigen Infrastruktur wird den Gemeinderat in den nächsten beiden Jahren stark beschäftigen. Geklärt werden muss die Frage rund um die Asylunterkunft. Braucht es einen Neubau oder – angesichts sinkender Flüchtlingszahlen – doch nicht? Weiter sind wir konfrontiert mit den Bedürfnissen der Vereine, die einen Ausbau des Sportzentrums Burkertsmatt wünschen. Dann müssen wir noch unser ökologisches Legislaturziel umsetzen: Die Reduktion des Energieverbrauchs um bis zu 20 Prozent. Das erweist sich als sehr schwierig.
Weshalb?
Die Differenz zwischen Absicht und Machbarkeit ist gross. Einsparmöglichkeiten gibt es sicher bei der Strassenbeleuchtung und bei der Sanierung von Liegenschaften. Hier sind jedoch die Kosten sehr hoch. Beim Mehrfamilienhaus an der Bremgarterstrasse sind wir bezüglich Energieverbrauch vorbildlich, da es im Minergiestandard erstellt wird. Da in Gemeindeliegenschaften seit Jahrzehnten nicht mehr mit Öl geheizt wird, fördern wir erneuerbare Energien. Alles in allem erweist sich jedoch die Reduktion des Energieverbrauchs als das Legislaturziel, das am schwierigsten umzusetzen ist.
Und wenn auch dieses Ziel erreicht ist: Wie präsentiert sich die Gemeinde Widen in zehn Jahren?
Die Gemeinde Widen hat 4200 Einwohner und ist weitherum in der Region wegen ihrer Lage und ihrer Infrastruktur einer der beliebtesten Wohnorte. Finanziell steht die Gemeinde auf gesunden Füssen. Sie deckt die Bedürfnisse der Bevölkerung bezüglich Naherholung, Freizeit und Sport überdurchschnittlich ab und sie verfügt über eine gute Schulinfrastruktur.