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31.12.2019 KulturIn Sachen Kultur hat Wohlen mehr zu bieten, als viele meinen – ein unvollständiger Rückblick
Wenn von den grossen Aargauer Kulturzentren die Rede ist, dann wird meist Aarau, Baden, Boswil oder Muri genannt. Wohlen gilt als Mauerblümchen. Zu Unrecht, wie ...
In Sachen Kultur hat Wohlen mehr zu bieten, als viele meinen – ein unvollständiger Rückblick
Wenn von den grossen Aargauer Kulturzentren die Rede ist, dann wird meist Aarau, Baden, Boswil oder Muri genannt. Wohlen gilt als Mauerblümchen. Zu Unrecht, wie ein Blick ins vergangene Jahr beweist.
Chregi Hansen
Insgesamt viermal im Jahr verteilt der Regierungsrat Swisslos-Fonds-Beiträge an Kulturprojekte. Zuletzt tat er dies vor drei Wochen. Die ernüchternde Bilanz aus Wohler Sicht: In die grösste Freiämter Gemeinde fliesst kein Rappen. Zum Vergleich: An das Künstlerhaus Boswil gingen allein bei dieser vierten Vergabe des Jahres rund 400 000 Franken.
Das ist nichts Neues. Und betrifft nicht nur die Swisslos-Gelder. Auch bei den Vergaben des Kuratoriums steht Wohlen nie in der ersten Reihe der Empfänger. Dieses hat im Jahr 2019 gerade mal drei Wohler Projekte als unterstützungswürdig eingestuft: den Sternensaal, das Kantiforum und die CD-Produktion von Jazzerin Sarah Chaksad. Via Swisslos flossen weitere Gelder an den Circus Monti, an das Zamba Loca, das Jugendtheater «infiziert», den Verein Begegnung der Kulturen und Andy Muntwylers Künstlergruppe Compagnie Roikkuva, die eng mit Wohlen verbunden ist.
Junge Szene
Alles in allem gingen im laufenden Jahr via Kuratorium und Swisslos-Fonds rund 110 000 Franken an Kulturschaffende aus Wohlen. Das ist wenig im Vergleich zu anderen Gemeinden wie Aarau, Baden, Lenzburg oder eben auch Boswil und Muri. Ist Wohlen also eine kulturelle Wüste? Ganz im Gegenteil, wie die letzten 12 Monate bewiesen haben. Den Einwohnern wird viel geboten, und zwar in allen Kultursparten. Neben den etablierten Anbietern wie Sternensaal, Kantiforum oder Konzertfonds etabliert sich eine junge Kulturszene.
Diese hat sich Ende letzten Jahres zum Verein für Kultur Wohlen formiert. Dieser sieht sich als Träger, unter dessen Dach vieles möglich sein soll. Selber ist man verantwortlich für die Sommerbar, welche dieses Jahr zum zweiten Mal stattfand und die das Isler-Areal während Wochen zum abendlichen Treffpunkt machte. Zudem ging im August auch das letzte Zamba-Loca mit einer Megaparty über die Bühne, und bereits zum 11. Mal luden verschiedene Lokale im November zum Dreiraumkultur. Und der Verein hat weitere Pläne – im kommenden Jahr soll das neue Open-Air Stoppelfäld Premiere feiern, am 21. und 22. August ist es so weit.
Weiter warten auf ein neues Kulturkonzept
Daneben verfolgt der Verein ein weiteres Ziel. Er träumt von einem Kulturzentrum für Wohlen. Und spannte dafür im Herbst mit der Kunstkommission zusammen. Gemeinsam lancierte man die Idee, für einen solchen Ort die leer stehenden Räume des alten Werkhofes in der Bleichi zu nutzen. Die erste Reaktion der Gemeinde auf diese Idee war allerdings eher verhalten. Nicht nur beim Kanton hat die Wohler Kulturszene einen schweren Stand, auch in der eigenen Gemeinde ist man eher etwas zurückhaltend.
Das zeigt sich auch bei der Überarbeitung des Kulturkonzepts, welches nicht so richtig vom Fleck kommt. Ein erster Entwurf, der unter Einbezug vieler Akteure aus dem Kulturbereich erarbeitet wurde, landete vor zwei Jahren in der Schublade. Er solle überarbeitet werden, hiess es. Passiert ist nichts. Und wie ist der Stand heute? «Die Überarbeitung des zurückgewiesenen revidierten Kulturkonzeptes soll verwaltungsintern vorgenommen werden», heisst es aktuell vonseiten der Gemeinde. Die Kulturkommission soll die Möglichkeit zur Mitwirkung erhalten, der Gemeinderat enger eingebunden werden. Vorerst gehe es darum, einen Zeitplan zu erarbeiten. Anders gesagt: Das Ganze wird wohl noch etwas dauern.
Dabei ist die Wohler Kulturszene so lebendig wie schon lange nicht mehr. Und mischen immer mehr Akteure mit. Etwa der Verein Schlössli Wohlen. Das älteste Gebäude eignet sich nicht nur für verschiedenste Events – von der Ausstellung über Konzerte bis zu Diskussionsrunden. Mit dem Herbstmond-Anlass ist der Verein auch selber aktiv geworden. Und plant fürs nächste Jahr bereits wieder ein grosses Kulturfest. Aber auch der ibw verdankt die Region kulturellen Hochgenuss. Neben der bereits traditionellen Jazz-Night konnten die Besucher diesmal auch eine Musik-Night besuchen. Eine schöne Bereicherung.
Der Kunst den gebührenden Platz geben
Für kulturelle Höhepunkte sorgten auch etablierte Organisatoren. Beispielsweise die bereits erwähnte Kunstkommission. Sie konnte dieses Jahr mehrere ganz besondere Ausstellungen gestalten. Allen voran diejenige von Vreni Schütz im Schlössli. Die Wohler Künstlerin sorgte auf eigene Initiative für ein umfassendes Rahmenprogramm während der vierwöchigen Ausstellung – eine Idee, welche gerne Nachmacher finden darf und die zusätzliche Menschen zur Kunst bringt. Ein besonderer Höhepunkt war auch die Ausstellung von Nicolas Witschi in der alten Werkhalle der Bleichi, welche unter Beweis stellte, welches Potenzial diese Räume haben. Und dem Neo-Wohler die Gelegenheit bot, seine Kunst genau so zu präsentieren, wie er es für richtig hielt.
Andere Veranstalter hatten es dieses Jahr schwerer. So muss der Filmklub derzeit pausieren, da das Kino nach einem Besitzerwechsel umgebaut wird. Nachdem jetzt endlich die Baubewilligung erteilt wurde, ist das Ende dieser Zwangspause absehbar. In die Bresche sprang während der Sommerwochen das Open-Air-Kino, das aus dem Wohler Kulturprogramm nicht mehr wegzudenken ist. Und das 2019 sein 25-Jahr-Jubiläum feiern durfte. Passend dazu ging der Wohler Kulturpreis an das Betreiberpaar Irene und Pitsch Bachmann – eine verdiente Würdigung ihres grossen Einsatzes.
Vom Seven-Konzert bis zur Bond-Night
Es ist fast unmöglich, die vielen kulturellen Höhepunkte der vergangenen 12 Monate aufzuzählen. Vor allem, weil es immer wieder neue und überraschende Veranstalter gibt. So erfüllten die Mitglieder der Stiftung Jacqueline und Rudolf Isler-Schwab sich und dem ganzen Freiamt einen lange gehegten Wunsch und organisierten ein Seven-Konzert im Park des Strohmuseums. Natürlich war der Event in kürzester Zeit ausverkauft. Auch die neue Sonderausstellung im Strohmuseum ist äusserst spannend und ideenreich umgesetzt. Mit dem Verein gegen öde Samstage gab ein alter und etablierter Partyveranstalter ein viel umjubeltes Comeback, und auch die legendäre Bond-Night wurde nach zehnjähriger Pause neu aufgelegt. Mancher Kulturexperte mag bei solchen Events die Nase rümpfen, für Abwechslung sorgen sie allemal. Und machen Wohlen zu dem, was es so gerne sein möchte: zu einem lebendigen und aktiven Ort. Und davon profitiert letztlich die ganze Region.