Ein Leben in einem Jahr
24.12.2019 Beinwil/FreiamtDen Rotary Club Freiamt gibt es seit 50 Jahren – ein wichtiger Teil sind die Jugendaustausche
Josefina Chapelet ist aus Argentinien, Rachel Caton aus Australien. Beide lebten sie ein Jahr lang im Freiamt, lernten die hiesige Kultur kennen. «Es ist eine ...
Den Rotary Club Freiamt gibt es seit 50 Jahren – ein wichtiger Teil sind die Jugendaustausche
Josefina Chapelet ist aus Argentinien, Rachel Caton aus Australien. Beide lebten sie ein Jahr lang im Freiamt, lernten die hiesige Kultur kennen. «Es ist eine unglaublich tolle Erfahrung», sagen die beiden. Gleich tönt es bei zwei Studentinnen, die aus dem Freiamt in ihr Austauschjahr aufbrachen.
Annemarie Keusch
Viel wusste sie nicht. Käse, Schokolade, Zürich. Trotzdem wollte sie in die Schweiz. Josefina Chapelet aus Argentinien erinnert sich an die nicht einfache Zeit. Nur wenige Plätze für Austausche in Europa waren vorhanden. Prüfungen und Interviews sollten klären, wer zuerst und wer zuletzt wählen kann. Josefina Chapelet konnte als Dritte wählen, zwei Plätze in der Schweiz waren zu vergeben. «Ich habe mich schon damit abgefunden, dass es nicht klappt», sagt sie. Geklappt hat es aber und «ich habe geweint vor Freude». Nur Deutsch lernen, das sei nicht ihr Ziel gewesen, vielmehr wollte sie in einem Land leben, das gleich vier Sprachen vereint.
Zwar stand es nicht zuoberst auf der Wunschliste, trotzdem ganz zufrieden mit ihrem Land ist die Australierin Rachel Caton. Ihre ältere Schwester befand sich im Austauschjahr – und steckte Rachel an. Italien, das sollte ihr Ziel sein. Geworden ist es die Schweiz. «Auch gut.» Überrascht war sie hingegen von der Sprache. «Laut Informationen meiner Schwester dachte ich, dass in der Schweiz Deutsch gesprochen wird», sagt sie und schmunzelt. Das Schweizerdeutsch erwischte sie aber nur anfangs auf dem falschen Fuss.
Kultur dank vier Familien besser kennenlernen
In vier Gastfamilien haben die Austauschschülerinnen das Jahr verbracht. So ist das Konzept von Rotary International. «Eine gute Sache», finden die beiden. Obwohl es am Anfang schwierig gewesen sei. «Du kommst in die Schweiz, kennst niemanden. Nach drei Monaten in einer Familie bist du heimisch geworden. Diese dann zu verlassen, war nicht einfach», sagt Josefina Chapelet. Trotzdem, dank der vier Gastfamilien habe sie viele Leute im Freiamt kennengelernt. Und die Distanzen sind klein, Besuche waren immer möglich.
Anfangsschwierigkeiten hatte auch Rachel Caton. «Ich wusste, wann die Züge fahren, fühlte mich zu Hause.» Den Wechseln aber vor allem Positives abgewinnen, kann auch Ueli Ineichen, langjähriges Mitglied von Rotary Freiamt. «Sie lernen die Kultur so viel besser kennen.» Oft sind es die Familien, deren Kind im Austausch weilt, die eine Gastschülerin oder einen Gastschüler aufnehmen. In der Schweiz ist dies gar Pflicht.
An sechs Ks halten
Josefina Chapelet und Rachel Caton besuchten während einem Jahr die Kanti Wohlen. Auch dort war der Start nicht einfach. «Mittlerweile geht es besser mit der Sprache und wir haben Freunde gefunden.» Viel mehr als der Name und das Heimatland konnten die beiden jungen Frauen anfangs nicht auf Deutsch sagen. Ein zweiwöchiges Sprachcamp in Fiesch zu Beginn half. Dieses ist von Rotary organisiert und für die Austauschstudenten obligatorisch.
Überhaupt, einfach nur ihr Leben geniessen können die Schülerinnen und Schüler aus anderen Ländern nicht. Es gibt Regeln. Die sechs Ks müssen eingehalten werden: keine Drogen, kein Lenken eines motorisierten Fahrzeugs jeglicher Art, keine feste Beziehung, kein Alkohol in ungeschütztem Rahmen, kein Downloaden von verbotenem Material im Internet, keine Tattoos und Piercings. Bei Verstössen droht die sofortige Rückreise. «Das gibt es sehr selten», sagt Ueli Ineichen.
Acht Kilogramm Schokolade
Die Schuluniform, sagt Josefina Chapelet. Das vermisse sie. «In Argentinien muss ich nicht jeden Tag überlegen, was ich anziehe.» Rachel Caton vermisst wie Josefina Chapelet ihre Familie, die Freunde. «Auch der Strand fehlt mir», sagt sie. Aber es gibt auch einiges, das beide nach ihrer Rückkehr – Josefina Chapelet ist schon zurück in Argentinien, Rachel Caton reist am 10. Januar nach Australien – vermissen werden. Bratwurst, Raclette, das GA, den Schnee und sogar die SBB. Abhilfe schaffen sie mit vielen Souvenirs, die sie nach Hause nehmen. «Ein Racletteöfeli muss unbedingt mit», sagt Rachel Caton. Acht Kilogramm Schokolade packte Josefina Chapelet ins Gepäck.
Sie sind beide noch sehr jung, Josefina 17-, Rachel 16-jährig. Beide sprechen vom gefüllten Rucksack, von den vielen Erfahrungen. «Es ist nicht ein Jahr in einem Leben, es ist ein Leben in einem Jahr.» Eines, das beide nicht missen wollen.
Den Rucksack gefüllt
Gleich tönt es bei Sara Wohler und Salome Guger. Die Wohlerin und die Dottikerin absolvierten beide mit Rotary Freiamt ein Austauschjahr – Wohler von 2015 bis 2016 in den USA, Guger von 2017 bis 2018 in Peru. «Neben vielen Erinnerungen bleibt natürlich die Sprache, die ich jetzt in der Kanti weiterlerne», sagt Salome Guger. Sie habe zudem viel über sich selber gelernt, mehr Selbstvertrauen gewonnen. «Allgemein lässt sich sagen, dass ich meinen Rucksack für die Zukunft mit vielen wertvollen Erfahrungen gepackt habe.»
Auch Sara Wohler erinnert sich mit guten Gefühlen an ihr Austauschjahr, «auch wenn es nach der Rückkehr in die Schweiz nicht immer einfach war, beispielsweise in der Schule wieder anzuknüpfen». Die vielen Eindrücke hätten ihr aber geholfen, ihr Leben in der Schweiz und sich selber so zu gestalten, wie sie es für richtig halte. Und alle vier nennen sie die Freundschaften, die entstanden sind. Das, was es eben zum Leben braucht, auch wenn dieses nur ein Jahr dauert.