Daniel Marti, Chefredaktor.
Das nationale Parlament solle doch weiblicher und jünger werden. So lautete ein vielfältiger Wunsch von vielen Seiten aus der Schweizer Bevölkerung. Und siehe da: Herr und Frau Schweizer hielten sich vor knapp vier Wochen an ...
Daniel Marti, Chefredaktor.
Das nationale Parlament solle doch weiblicher und jünger werden. So lautete ein vielfältiger Wunsch von vielen Seiten aus der Schweizer Bevölkerung. Und siehe da: Herr und Frau Schweizer hielten sich vor knapp vier Wochen an diesen Wunsch. Der Nationalrat wurde im Durchschnitt jünger und deutlich mehr Frauen schafften den Sprung ins Bundeshaus. Erfreulich. Gut gemacht. Schliesslich soll in einem Parlament auch das Volk, das aus knapp 51 Prozent Frauen besteht, einigermassen abgebildet werden. Das sollten doch auch wir Männer so akzeptieren. Reine Männerclubs sind out, Frauenbeteiligung (auch ohne Quote) macht meistens alles angenehmer, freundlicher, umgänglicher, ausgewogener.
Mit dem Wahltermin gab es auch ein kleines Durchschnaufen auf der Redaktion. Denn die Flut an Wahlempfehlungen wurde abrupt gestoppt. Parteifreunde, Kollegen, Weggefährten, sonstige Freunde und Sympathisanten machen in Wahlempfehlungen jeweils ihren Lieblingskandidaten der Leserschaft schmackhaft. In solchen Wahlempfehlungen werden nur immer die allerbesten Züge der Kandidierenden beschrieben. Selten bis nie ein Wort über ein klitzekleines negatives Ereignis oder einen schwächelnden Charakterzug. Politiker (und Politikerinnen) sind eben nur Strahlemenschen – zumindest bis zur Wahl. Und danach?
Jetzt kann ich es ja zugeben, der Einstieg in die Politik hätte mich auch immer gereizt. Ein geordneter Parlamentsbetrieb ist schliesslich eine Grundbasis der Demokratie. Aber aktive Politik ist halt nicht mit dem Job in Einklang zu bringen – die Beobachterrolle ist auch ganz spannend. Und die passende Partei – wie bei vielen Schweizerinnen und Schweizern auch – gibt es für mich nicht. Ich pflücke mir oft nach subjektivem Geschmack das Beste vom gesamten Parteienangebot heraus. Und wenn überhaupt: Wer würde für mich eine Wahlempfehlung schreiben? Bitte, nur positiv natürlich. Ganz schwierig.
Immerhin habe ich kürzlich eine glorreiche Wahl geschafft: Keine Angst, ich wurde nicht in den National- oder Gemeinderat gewählt. Sondern im Familienrat bestätigt. Einstimmig. Alle Stimmen von allen – Frau und zwei Söhne. Ich glaube, sogar die beiden Hauskatzen hätten mir ihre Stimme gegeben. Und das alles ohne glänzend gefärbte Wahlempfehlung.