Fussball-Star zum Anfassen
29.11.2019 MutschellenEr schoss Tore in der Schweiz, Deutschland und England. Dazu war er jahrelang wichtiger Teil der kroatischen Nationalmannschaft. Mladen Petric, heute 38 Jahre alt und im Fussball-Ruhestand, sprach vor den Supportern des FC Mutschellen. Und er überzeugte mit spannenden Geschichten aus dem ...
Er schoss Tore in der Schweiz, Deutschland und England. Dazu war er jahrelang wichtiger Teil der kroatischen Nationalmannschaft. Mladen Petric, heute 38 Jahre alt und im Fussball-Ruhestand, sprach vor den Supportern des FC Mutschellen. Und er überzeugte mit spannenden Geschichten aus dem Nähkästchen einer starken Profikarriere. --spr
Veganer Petric kriegt Pediküre
Der frühere Star-Fussballer Mladen Petric zu Gast bei den Supportern des FC Mutschellen
Die Karriere ist zwar vorbei, doch seine Geschichten bleiben enorm spannend. Der frühere Profi-Fussballer Mladen Petric plauderte vor 90 Supportern des FC Mutschellen aus seinem riesigen Nähkästchen. So entstand ein herrlich unterhaltsamer Abend.
Stefan Sprenger
Kürbiscremesuppe? Mladen Petric möchte nicht. «Ich ernähre mich seit wenigen Wochen vegan», sagt der Ex-Fussballprofi. Als Petric die Suppe ablehnt, lächelt er aber verschmitzt. Um ihn herum sind nun lauter ungläubige Gesichter. Ist er wirklich Veganer? Es verstreichen einige Sekunden. Petric lächelt jetzt nicht mehr. «Ich meine es ernst, imfall.»
Es ist nicht die einzige Überraschung, die der frühere Top-Stürmer auf Lager hat. Bei seinen Erzählungen wird vor allem eines klar: Mladen Petric war nicht nur ein brillanter Fussballer in den Top-Ligen Europas, sondern er ist auch ein hochsympathischer und intelligenter Typ.
Meier macht Hüppi Konkurrenz
Eines vorneweg: Ein paar seiner heissen Storys dürfen auf Wunsch nicht in der Zeitung abgedruckt werden. Das macht aber gar nichts, denn er hatte so einiges zu erzählen. Schon die Geschichte, wieso er überhaupt an den Supporter-Anlass des FC Mutschellen gekommen ist, ist besonders. FC-Mutschellen-Sportchef Christian Meier hat Mladen Petric im Frühling kennengelernt. Beide absolvierten einen Sportmanagement-Kurs an der HSG in St. Gallen. Meier und Petric wurden Freunde. Meier lädt Petric an den Supporter-Anlass ein als Star-Gast. Petric sagt Ja. Eine Gage will er nicht. Das Geld solle man lieber den Mutscheller Junioren geben.
Und so kam es, dass am vergangenen Montagabend 90 Supporter des FC Mutschellen den Worten von Petric lauschten. Petric kam von seinem zu Hause in Athen extra nach Berikon. Meier interviewte Kumpel Petric. Und der FCM-Sportchef machte seine Sache hervorragend. Mit Witz, Charme und Know-how stellte er dem Fussball-Profi die richtigen Fragen. Die Dienste von Matthias Hüppi, dem früheren Sportmoderator und heutigen FC-St.-Gallen-Präsident, wurden eigentlich nicht benötigt. «Chrigi machte das wirklich super», meint Hüppi, der trotz Wegzug von Berikon nach wie vor bei den FCM-Supportern mitmischt.
«Petric: Verpiss dich»
Meier geht das Leben von Petric chronologisch durch. Geboren am 1. Januar 1981 in Ex-Jugoslawien, kam er in die Schweiz, in den Aargau. In Neuenhof, wo er aufwuchs, startete seine Fussball-Karriere. Mit 17 Jahren Profi, FC Baden, und 1999 zu den Grasshoppers. GC-Manager Erich Vogel sei «in einer Nacht-und-Nebel-Aktion» im Hause der Petrics aufgetaucht und hat das junge Supertalent verpflichtet. Unter GC-Trainer Roy Hodgson gibt er dann sein NLA-Debüt. Petric verdrängt einen gewissen Stéphane Chapuisat von der Sturmposition.
2001 und 2003 wird er mit GC Schweizer Meister. Petric erzählt von der Meisterfeier, als plötzlich ein FC-Basel-Schal vor seine Füsse geworfen wurde. 3000 GC-Fans riefen: «Anzünden.» Petric, ein 22-jähriger Jüngling, tat dies. Heute sagt er: «Dummerweise habe ich das getan.» Er bereut das. Denn im Jahr 2004 unterschreibt Petric beim FC Basel. Er beschreibt einen «interessanten ersten Arbeitstag». Er stieg in sein Auto in Zürich und ging auf die Autobahn Richtung Basel. Je weiter der Profifussballer Richtung Norden fuhr, desto öfter erkannte er Botschaften an den Autobahn-Brücken. Die Botschaft der FCB-Fans: «Petric: Verpiss dich» und «Hau ab, Petric». Der Höhepunkt: An der Autobahnausfahrt Richtung «Joggeli» stand: «Ausfahrt für Petric gesperrt».
Der Elfmeterkiller
Was heute für Lacher sorgt, war damals heftig für den Fussballer. Der Tag wurde noch schlimmer: Am Ende der ersten Trainingseinheit kamen mehrere Dutzend Vermummte auf das Trainingsgelände des FC Basel. Sie wollten Petric stellen. Dieser entschied sich dafür, mit den Fans zu reden. Gemeinsam mit dem damaligen FCB-Trainer Christian Gross stand Petric hin, traf sich mit den Fan-Verantwortlichen und entschuldigte sich öffentlich für die Schal-Verbrennung. Viele Basler haben ihm verziehen, auch dank seinen starken Leistungen und den vielen Toren, die er in der Zeit zwischen 2004 und 2007 beim FC Basel schoss. Er wurde einmal Schweizer Meister und 2007 Torschützenkönig der Super League. «In Basel hatte ich eine sehr gute Zeit», meint Petric heute.
Er schoss so viele Tore in seiner Karriere, doch eine ganz andere Aktion machte ihn unsterblich beim «FCB». Im Europapokal-Spiel zwischen Basel und Nancy sah der damalige FCB-Goalie Costanzo in der 90. Minute die Rote Karte. Basel konnte nicht mehr wechseln. Petric ging ins Tor – und hielt den Elfmeter. «Ich glaube, von da an war mir in Basel niemand mehr böse.» Ein einziges Tor zu verhindern – statt viele zu schiessen – brachte ihm schliesslich die Erlösung bei den Fans.
Klopp kommt, Petric geht – und wird beim HSV ein Star
Ab 2007 folgt die internationale Zeit bei Petric. Er wechselt zu Dortmund, zum BVB, zu jenem Verein, den er schon als Kind toll fand. «In Dortmund hat alles gepasst», erzähl Petric. Bis ein gewisser Trainer namens Jürgen Klopp kam – und Petric wurde mit HSV-Spieler Mohamed Zidan «getauscht». Also war der Aargauer nun in Hamburg beim HSV. Ihm passen die Stadt und die Menschen dort. Seine Tochter wird geboren. Und er ist vier Jahre nacheinander Hamburgs Topskorer in der Bundesliga, kommt zweimal in den Halbfinal der Europa League. Petric wird ein Mega-Star. «Ich konnte mich in der Öffentlichkeit kaum mehr frei bewegen.» Er kriegt einen Platz im «Walk of Fame» beim HSV-Stadion.
«Darf ich kurz auf die Toilette?»
Petric erzählt, dass er fast bei Bayern München gelandet wäre. «Mit dem HSV haben wir den Bayern erstaunlich oft Punkte geklaut, meistens durch meine Tore, deshalb wollten sie mich wohl nach München holen.» Luis Van Gaal, damaliger Bayern-Trainer, wollte Petric. Doch Van Gaal geht und Jupp Heynckes kommt. Dieser holte dann einen anderen Spieler, den Kroaten Mario Madzukic.
Da ist man beim Thema Länderspielkarriere angelangt. Petric hat den Schweizer und den kroatischen Pass. Er spielte für die Schweizer Juniorenauswahlen, entschied sich aber letzten Endes für die kroatische Nationalmannschaft. «Wieso?», fragt Moderator Christian Meier. Petric meint lachend: «Darf ich kurz auf die Toilette?» Während die 90 Zuhörer lachen, wird der frühere Star-Kicker ernst. «Ganz ehrlich, das war so ein unglaublich schwieriger Entscheid. Man sollte diese Möglichkeit einem jungen Spieler gar nicht erst geben.»
Sein Tor stürzt England ins Tal der Tränen
Er habe sich 100-mal entschieden – und seine Meinung wieder geändert. Er wusste nicht, was machen. Am Ende entschied er sich für Kroatien, auch weil mit dem Schweizerischen Fussballverband ein paar negative Dinge passiert sind und die Kroaten enorm um ihn gebuhlt haben.
Petric spielte über 40-mal für die Kroaten. Herausragend war der Auftritt gegen England im Wembley-Stadion. Er sei damals enorm nervös gewesen. «Es fühlte sich so an, als habe ich einen Rucksack dabei gehabt, der gefüllt war mit lauter Steinen.» Ein Schulterklopfer des damaligen Kroatien-Trainers Slaven Bilic habe ihn befreit. «Die Menschlichkeit war mir in meiner Karriere immer wichtig. Und Bilic ist sehr herzlich.» Petric schoss dann das entscheidende Tor zum 3:2. Dies führte dazu, dass sich das englische Team nicht für die Endrunde qualifizierte.
Tipp: «Game Changer»
Apropos England: Er kickte 2012/13 für den FC Fulham in der Premier League. «Unglaublich» sei es gewesen. Fulham war enorm familiär und gleichzeitig so professionell, wie er es noch nie zuvor erlebte. Die medizinische Abteilung umfasste 26 Leute. Jeder Spieler hatte seinen eigenen Physiotherapeuten. Die Mutscheller Supporter staunen. Der Verein stellte sogar seine eigenen Vitaminpräparate her. «Irgendwie haben die mittels ‹Schläckstängel› gemessen, wie stark dein Immunsystem ist. Verrückt», meint Petric. Beim FC Fulham gab es zudem für alle Spieler Mani- und Pediküre. FC-St.-Gallen-Präsident Matthias Hüppi meint lachend: «Pediküre muss ich bei unserem FC St. Gallen auch mal ausprobieren.»
Petric findet Gefallen am Erzählen. Und selbst nach über einer Stunde hört man ihm gerne zu. Er erzählt, wie sehr ihm Osteopathie bei einer Verletzung geholfen hat. Er spricht über positive und negative Aspekte eines Lebens als Profifussballer. Und er erklärt, wieso er sich nun vegan ernährt. Er habe die Dokumentation «Game Changer» auf Netflix gesehen. «Ich habe sehr viel Positives gehört, deshalb probiere ich es nun aus.» Und deshalb verzichtet er auf die Kürbiscremesuppe, die nach seinem Interview serviert wird. Heribert Isler, Oberhaupt der Supportvereinigung des FC Mutschellen, kann aber helfen. Er bringt Mladen Petric eine vegane Suppe. «Hammer. Danke vielmals.»