Feuer in Entstehung löschen
05.11.2019 BettwilAn der «Gmeind» entscheiden die Bettwiler über die Einführung der Schulsozialarbeit
Mobbing, Schlägereien, Respektlosigkeit. «Wir sind überfordert damit», sagt Schulleiterin Isabella Dubler. Helfen soll die Schulsozialarbeit. Mit ...
An der «Gmeind» entscheiden die Bettwiler über die Einführung der Schulsozialarbeit
Mobbing, Schlägereien, Respektlosigkeit. «Wir sind überfordert damit», sagt Schulleiterin Isabella Dubler. Helfen soll die Schulsozialarbeit. Mit einem Pensum von zehn Prozent will sich Bettwil dem Kompetenzzentrum für Schulsozialarbeit in Muri anschliessen. Widerstand kam am Infoabend keiner.
Annemarie Keusch
Fragen blieben am Schluss keine mehr. Auch kritische Voten blieben aus. Martin Schneider, Leiter des Kompetenzzentrums für Schulsozialarbeit in Muri, Schulpflegerin Nicole Hürlimann und Schulleiterin Isabella Dubler scheinen überzeugt zu haben. Sie erläuterten, dass seit Anfang Jahr Probleme das Klima an der Schule Bettwil schädigen. «Einzelne Kinder werden regelmässig geplagt, sodass sie nicht mehr zur Schule wollen», verdeutlichte Nicole Hürlimann. Teilweise seien in die Streitereien auch Eltern involviert. Es gehe um Gewalt, um Mobbing und um einen respektlosen Umgang unter den Kindern. «Wir sind alle überfordert. Das Wohlbefinden und die Lernfähigkeit sind dadurch stark beeinträchtigt.»
Hürlimann ist überzeugt, dass der gesellschaftliche Wandel das Seine zu dieser negativen Entwicklung beiträgt. «Die Schnelligkeit bringt viele Herausforderungen, gerade im Bereich der sozialen Medien.» Aber auch die Eltern und die Lehrerschaft sehe sich steigenden Ansprüchen gegenübergestellt. «Auch sie brauchen Hilfe und auch sie könnten diese von der Schulsozialarbeit beziehen.»
Zum Wohl der ganzen Gemeinde
Es kam zum Feuerwehreinsatz. Mittels einer externen Krisenintervention versuchten die Beteiligten, das Feuer an der Schule Bettwil zu löschen. «Wir sind damit noch nicht fertig. Viele Gespräche, intensivierte Pausenaufsicht – dadurch ist die Situation besser geworden, aber nicht stabil», betont Isabella Dubler. Würde mit der Krisenintervention aufgehört, wäre die Schule nach wenigen Monaten wieder gleich weit. Das ist weder für die Schulleitung noch für Gemeinderat und Schulpflege ein gangbarer Weg. «Wir wollen die Feuer vielmehr in ihrer Entstehung bekämpfen, bevor die Flammen gross sind», sagt Nicole Hürlimann.
Ohne Angst zur Schule gehen. Dass sich die Kinder aufs Lernen und die Lehrer aufs Unterrichten konzentrieren können. Das sind die Ziele. «Die Kinder sollen wieder lernen, Konflikte fair auszutragen und Gewalt zu verhindern. Nicole Hürlimann ist überzeugt, dass die Schulsozialarbeit nebst den Kindern, den Eltern und der Schule auch der ganzen Gemeinde zugutekommt. «Mit einem besseren Klima bieten wir den Lehrern bessere Arbeitsbedingungen und sind attraktivere Arbeitgeber. Auch für Neuzuzüger ist eine gut funktionierende Schule ein wichtiges Argument.» Und nicht zuletzt könne Geld gespart werden. «14 800 Franken kosten die zehn Stellenprozente jährlich, eine externe Krisenintervention ist teurer.»
Leistungsvertrag ab 1. Februar
Seit August arbeiten die Schule Bettwil und das Kompetenzzentrum für Schulsozialarbeit in Muri in kleinen Projekten zusammen. Mit einem Ja an der «Gmeind» würde die Zusammenarbeit per 1. Februar intensiviert. Dann träte der Leistungsvertrag in Kraft. Neben dem Lösen von Problemen hofft Schulleiterin Dubler, die neben den 25 Stellenprozenten in Bettwil als Lehrerin in Bremgarten tätig ist, auch auf die Präventionsarbeit. Jemanden die Treppe hinunterstossen, auf dem Pausenplatz oder auf dem Nachhauseweg Schlägereien – solche Szenen will Dubler nicht mehr sehen und auch nicht mehr davon hören. «Wir selber können die verfahrene Situation nicht lösen. Jede Schule wäre überfordert.»
«Du» für bessere Abgrenzung von Lehrerschaft
Komme hinzu, dass die Lehrer nicht immer ideale Ansprechpersonen für die Kinder seien, beispielsweise bei Problemen. «Wir Lehrer machen die Noten, das hemmt die Schüler teilweise.» Martin Schneider, Stellenleiter des Kompetenzzentrums in Muri, hat einen anderen Hut an. Er und seine Mitarbeiter sind Ansprechpersonen für die Kinder. «Damit sie dies besser verstehen, duzen sie mich», erklärte er.
Den vielen interessierten Eltern erklärte Schneider die Schulsozialarbeit. «Diese besteht zu rund 60 Prozent aus Beratungen.» Die Themengebiete seien breit, von Konflikten über psychische oder physische Gewalt bis hin zur Betreuungssituation zu Hause. Mehrmals erwähnt Schneider die Schweigepflicht. «Besteht keine Fremd- oder Selbstgefährdung, erzähle ich das mir Anvertraute nicht weiter.»
Was stark sein bedeutet
Mit der Schulsozialarbeiterin oder dem -sozialarbeiter reden zu können, soll niederschwellig sein. «Wir sind auf den Pausenplätzen präsent, gehen offen auf die Kinder zu. Alle im Schulhaus sollten uns kennen.» Gespräche seien das zentrale Instrument. «Wenn man sich genug Zeit nimmt, kann man auch komplizierte Zickenkriege mit vielen Involvierten lösen.» Natürlich, immer erfolgreich sei der Einsatz der Schulsozialarbeit nicht. Schneider betont, dass das Vorgehen dem Alter der Kinder angepasst ist. «Sie lernen im Kindergarten, das Znüni zu teilen, und später, dass stark zu sein nicht bedeutet, die Muskeln spielen zu lassen.»
Schulpf lege, Gemeinderat und Schulleitung – alle sind sich einig, dass die Zehn-Prozent-Stelle der Schulsozialarbeit der Gemeinde guttun würde. Entscheiden wird am Schluss das Stimmvolk an der «Gmeind». Astrid Mock, die zuständige Gemeinderätin, ist guter Dinge. «Wir haben eine gute Basis, auf der wir aufbauen können.»
Die Traktanden
Die Einwohnergemeinde Bettwil findet am 22. November in der Mehrzweckhalle statt. Dies sind die Traktanden: 1. Protokoll, 2. Budget, 3. Gesamtrevision Nutzungsplanung Siedlung und Kulturland mit Genehmigung Bauzonen- und Kulturlandplan sowie Bau- und Nutzungsordnung mit der vom Gemeinderat beschlossenen Änderung gegenüber der öffentlichen Auflage, 4. Einführung der Schulsozialarbeit an der Primarschule Bettwil im Rahmen einer Leistungsbeauftragung des Kompetenzzentrums der Gemeinde Muri mit Genehmigung eines Stellenpensums von zehn Prozent, 5. Erwerb Chäsiplatz mit Kompetenzerteilung an den Gemeinderat zum Erwerb der Parzellen 54 und 55 der Milchgenossenschaft Bettwil zu einem Preis von 900 000 Franken, 6. Verschiedenes.
Die Ortsbürger behandeln diese Traktanden: 1. Protokoll, 2. Budget der Ortsbürgergemeinde, 3. Budget des Forstbetriebs Lindenberg, 4. Verschiedenes.