Eltern in der Trauer unterstützen
31.10.2019 MutschellenHebamme Paola Suter-Peron kennt die Sonnen- und Schattenseiten ihres Berufs
Paola Suter-Peron ist seit vierzig Jahren Hebamme. Meist ist ihr herausfordernder Beruf mit viel Glücksgefühlen verbunden. Doch es gibt auch die andere, tragische Seite. Dann, wenn ein ...
Hebamme Paola Suter-Peron kennt die Sonnen- und Schattenseiten ihres Berufs
Paola Suter-Peron ist seit vierzig Jahren Hebamme. Meist ist ihr herausfordernder Beruf mit viel Glücksgefühlen verbunden. Doch es gibt auch die andere, tragische Seite. Dann, wenn ein Kind früh verstirbt. Um Unterstützung für Betroffene zu bieten, organisiert sie Trauerfeiern.
Sabrina Salm
An die tausend Geburten hat Paola Suter-Peron miterlebt. Unzähligen Müttern hat sie bei der Vorbereitung der Geburt und den Eltern in den ersten Wochen mit ihren neugeborenen Kindern geholfen. Diese Kinder sind erwachsen geworden, und zum Teil betreut sie diese bei deren ersten Schritten im Elternsein. Sie hat unter anderem im Spital Baden gearbeitet. Seit 1989 ist sie als frei praktizierende Hebamme in der Region tätig. «Das Wohl der Kinder und der ganzen Familie liegt mir sehr am Herzen», sagt sie. Und: «Es ist einfach schön, dabei zu sein, wenn langsam eine Familie entsteht.»
Aufwühlende Situation
Doch es gibt auch belastende Seiten des Berufs. «Ich habe einige sehr tragische Situationen erlebt», erzählt Paola Suter-Peron. Sie spricht hier den Verlust der Kinder während der Schwangerschaft, die stille Geburt oder das Ableben des Neugeborenen kurz nach der Entbindung an. «Diese Schicksalsschläge gehen mir nahe», sagt sie, die selber Mutter und Grossmutter ist. «Es ist tragisch, wenn ein eigentlich gesundes Kind nicht auf dieser Welt bleibt und noch vor dem Leben stirbt.» Trotz aller medizinischer Abklärungen kommt das noch vor. Mehr, als man ahnt. «Wenn ich Eltern betreue, die dieses schreckliche Erlebnis durchmachen müssen, ist es auch für mich eine sehr emotionale und aufwühlende Situation», erzählt Paola Suter-Peron. Denn wie kann man die richtigen Worte finden, die den Eltern Kraft geben? Mit dem Kind stirbt für die Eltern auch ein Traum. Vom Moment an, wo der Schwangerschaftstest positiv ausgefallen ist, hätten sie sich mit einem Kinderwagen im Wald spazieren gesehen. Mit dem Kind sterbe eine Vorstellung von der Zukunft – und egal, ob es in der 12. Woche oder in der 38. passiert, es ist immer unbegreiflich und unendlich schmerzvoll.
Vor vierzig Jahren wurde das Thema Totgeburt in der Ausbildung zur Hebamme nur am Rand thematisiert. «Ich war noch Lernende, als ich mit einer Totgeburt konfrontiert wurde. Ich erhielt wenig Unterstützung und schwamm regelrecht», erinnert sich Paola Suter-Peron. «Nach diesem Erlebnis habe ich ein Extramodul besucht, das sich mit dem Thema befasst. Es ging darum, wie ich mich schützen kann, damit ich es aushalte und den betroffenen Personen helfen kann.»
Darüber redete man nicht
Das Thema früh verlorene Kinder beschäftigte sie in ihrer ganzen Karriere. So gab sie den Frauen, die einen solchen Schicksalsschlag durchlebten, Rückbildungskurse. «Es war jahrelang ein grosses Tabu, darüber zu sprechen. Auch hat man früher den Eltern ihr tot geborenes Baby gar nicht gezeigt», erzählt sie weiter, «man hatte das Gefühlt, man würde sie so schützen.» Doch seit einigen Jahren hat ein Umdenken stattgefunden. «Für viele Eltern ist es wichtig, dass sie ihr früh verlorenes Kind sehen und berühren können. Sie sollen sich für die Begrüssung und fürs Abschiednehmen Zeit lassen.» Der Verlust eines früh verlorenen Kindes sei ausserdem so schwierig, weil man keine gemeinsamen Erinnerungen hat. «Gemeinsame Momente und schöne Erlebnisse spenden Trost. Wer sein Kind so früh verlor, dem fehlt dies.»
Spuren hinterlassen
Noch in der Zeit, als in der Gesellschaft dem Abschied von früh verlorenen Kindern wenig Raum gegeben wurde, begegneten Paola Suter-Peron und zwei weitere Frauen diesem Umstand. «Wir waren die Ersten, die das Thema enttabuisiert haben.» Mit «wir» meint Paola Suter-Peron Karin Klemm, damals Seelsorgerin des Spitals Baden, und Frauenärztin Franziska Tschopp. Sie haben im Jahr 2002 erstmals eine Trauerfeier für früh verlorene Kinder organisiert. Seither gedenken Betroffene und Beteiligte einmal jährlich der Kinder, die früh verstorben sind. «Heute wird besser darüber gesprochen und es gibt zum Glück mehrere Fachstellen, die Unterstützung bei einem solchen Verlust anbieten.» Ausserdem gebe es nun einige Gedenkstätten für früh verlorene Kinder. Dies aus dem Bedürfnis heraus, sichtbar zu machen, dass diese Kinder hier waren und nicht nur in den Herzen ihrer Eltern Spuren hinterlassen haben.
Raum zum Trauern bieten
Für die Betroffenen und Angehörigen ist es in dieser Situation meist schwierig, Möglichkeiten der Bewältigung und des Austausches zu finden. Die Trauerfeier in Baden, gestaltet von Seelsorgenden, einer Frauenärztin und von Hebamme Paola Suter-Peron, bietet die Möglichkeit, einmal im Jahr mit anderen zusammen an die Kinder zu denken, die nicht mit uns leben. Sei es, weil sie krank waren, weil sie aus unerfindlichen Gründen aufhörten zu atmen oder weil die Eltern sich nicht für das Leben entscheiden konnten. «Es soll Raum zum Trauern bieten.» Die Trauerfeier ist nicht konfessionell und steht allen Menschen jeglicher religiöser Bindung offen. «Sie ist allen zugänglich, die möchten.» Es gebe Leute, die schon seit Jahren kämen und solche, die nur einmal da waren. Nach der Feier hat man die Möglichkeit, über seinen Verlust zu sprechen oder einfach nur einen Tee zu trinken. «Jeder kann es so machen, wie er will.» Während der Trauerfeier wird für jedes Kind eine Kerze angezündet.
Seit der ersten Trauerfeier im Jahr 2002 ist eine Pusteblume mit davonfliegenden Samen auf der Einladung zu sehen. «Sie ist ein gutes Sinnbild für den Anlass. Die Blume, wie sie ist, vergeht, doch mit dem Samen, der davonfliegt, bleibt sie in einer anderen Form weiterhin am Leben.»
Trauerfeier in Baden
Die Trauerfeier bietet den Betroffenen Raum, um der früh verlorenen Kinder zu gedenken. In diesem Jahr wird die Feier am 24. November um 17 Uhr in der reformierten Kirche in Baden angeboten. --sab