Strebel hat ausgezogen
06.09.2019 SportNach 20 Titelgewinnen tritt Daniel Strebel aus Waltenschwil nach der WM zurück
Seit 1996 ist Daniel Strebel Nationaltrainer der Schweizer Seilzieher. Er holte 20 internationale Titel. Am Wochenende in Irland ist er zum letzten Mal dabei. Eine Ära ...
Nach 20 Titelgewinnen tritt Daniel Strebel aus Waltenschwil nach der WM zurück
Seit 1996 ist Daniel Strebel Nationaltrainer der Schweizer Seilzieher. Er holte 20 internationale Titel. Am Wochenende in Irland ist er zum letzten Mal dabei. Eine Ära endet.
Stefan Sprenger
Solch aufopfernde und leidenschaftliche Figuren solle es viel mehr geben auf dieser Welt. Daniel Strebel, 57 Jahre alt, er lebt für den Seilzieh-Sport – und das schon seit Jahrzehnten. Seine vier älteren Brüder haben am 25. Februar 1977 den Seilzieh-Club Waltenschwil-Kallern gegründet.
«Tug of war» ist seine Bestimmung
Logisch, dass Daniel Strebel da wenig später auch mitmachte. Und er blieb der besonderen Sportart bis heute treu. «Die Leidenschaft ist wichtig.
Man muss die Ziele hartnäckig verfolgen und alles geben», sagt Strebel, der zudem Vorsitzender der Geschäftsleitung der Landi Freiamt ist. Er selbst hat bis 1991 selber aktiv «gezogen» und wurde danach erst Co-Trainer und 1996 Haupttrainer. Nach der U19 übernahm er 2003 die U23-Kategorie. Er mochte es immer, die jungen Nachwuchsathleten auf ihren Weg vorwärtszubringen. «Taktisch, technisch – man braucht das Gespür und das Auge, wie man das perfekte Team zusammenstellt.»
In all diesen Jahren hat er seine Euphorie für den Sport beibehalten. «Tug of war» – Seilziehen, es ist seine Bestimmung. Doch nach der WM und EM, die an diesem Wochenende in Irland stattfindet, ist Schluss. Dies hat mehrere Gründe. Beispielweise ist er mittlerweile Grossvater und möchte mehr Zeit für die Familie haben. Dass er seinem Seilzieh-Sport ganz den Rücken zukehrt, ist aber unmöglich.
Strebels Vermächtnis
Daniel Strebel tritt nach der WM in Irland am Wochenende als Trainer zurück
Castlebar in Irland wird zum besonderen Ort für Daniel Strebel. An diesem Wochenende will er die Schweizer U23-Seilzieher zum Titel führen. Und danach ist Schluss. Ein Mann, der mehrere Jahrzehnte dem Seilziehen gab, tritt ab. Und das mit einem Lächeln.
Stefan Sprenger
«Was war das allergrösste Ereignis Ihrer Seilzieh-Karriere?», wird Daniel Strebel gefragt. Er blickt aus dem Fenster und geht in seinem Kopf sein riesiges Archiv an Erinnerungen durch. Und er hat einiges zu erzählen nach so vielen Jahren. Bis 1991 hat er selber aktiv «gezogen». Er holte dabei einen Weltmeister- und einen Europameister-Titel. «Doch da gab es noch etwas Grösseres», sagt der Waltenschwiler.
Viele Orte besucht, viele Freunde gefunden
Er war von klein auf dem Seilzieh-Virus verfallen. Seine Brüder gehörten 1977 zu den Gründern des Seilzieh-Clubs Waltenschwil-Kallern. Strebel war fasziniert von diesem Sport. Kraft, Technik, Ausdauer, mentale Stärke, «dazu muss ein Team harmonieren und synchron ziehen. Wenn einer nicht stark zieht, dann haben alle anderen ein Problem», nennt Strebel nur ein paar Gründe seiner Faszination für diese Randsportart, die bis 1920 olympisch war.
Als aktiver Tauzieher schätzte er aber auch andere Dinge. «Ich durfte die Schweiz repräsentieren und habe viele Orte dieser Welt dank des Sports besuchen dürfen.» Der Umgang bei den Seilziehern – egal, woher sie kommen – ist immer freundlich und gesellig. So gab es auch einige witzige Abende. «Ich habe viele internationale Kollegen gesammelt», lacht Strebel, der das Seilziehen auch als Lebensschule sieht. «Denn man muss miteinander etwas erreichen, sonst ist man chancenlos.» Diese Erfahrung konnte er in vielen Lebenssituationen gebrauchen – beispielsweise in seinem Job als Vorsitzender der Geschäftsleitung der Landi Freiamt.
Elf WM-Titel in Serie
Was war es denn jetzt, das «allergrösste Ereignis» der Seilzieh-Karriere von Daniel Strebel? Der Waltenschwiler, der immer ein Lächeln auf den Mundwinkeln zu haben scheint, überlegt weiter. Nachdem er 1991 als Aktiver aufhörte, war er 1992 bis 1995 Co-Trainer der U19-Nati. 1996 war er dann Chefcoach und übernahm 2003 die U23. «Ich wollte der Sportart etwas zurückgeben, deshalb wurde ich Trainer», meint der Freiämter, der während zehn Jahren – quasi nebenbei – noch Sportchef beim Verband war. Er hat also zurückgegeben – und wie. Denn er blieb bis heute U23-Trainer. Diese Kategorie lag ihm besonders am Herzen. Da kommt seine ganze Begeisterung und Freude zum Ausdruck, wenn er die jungen Athleten vorwärtsbringen kann und sie von seiner gigantischen Erfahrung profitieren können.
Als Trainer holte er total 20 WM-Titel (U19, U23 und Mixed). In der U23-Kategorie sind es mittlerweile elf WM-Titel in Serie (!). Logisch, dass man diese Serie an der WM in Castlebar, Irland, ausbauen will. An diesem Wochenende werden Strebel und seine U23 dort an den Start gehen. «Wir haben eine gute Nachwuchsförderung, und die Voraussetzungen sind gut, dass es mit dem Titel erneut klappt.» Härtester Konkurrent ist Deutschland. Doch: Länder wie Südafrika oder Taipeh rücken immer näher an die Schweiz.
Der Stolz von Wa-Ka auf ihren Strebel
Doch Strebels «Vermächtnis» ist nicht nur auf nationalem oder internationalem Parkett zu suchen. Es ist auch hier im Freiamt, beim Seilzieh-Club Waltenschwil-Kallern, vorhanden. Stefan Breitenstein, der Präsident des Vereins, sagt über Strebel: «Er ist enorm engagiert, hilft überall mit und ist immer dabei, wirklich immer. Sportlich profitiert der ganze Verein von seiner Erfahrung.» Strebel repräsentiere den Seilzieh-Club Wa-Ka in der ganzen Seilzieh-Welt. Die 65 Mitglieder, davon 15 Aktive, sind stolz auf «ihren» Daniel Strebel.
Strebel: «Dieser Moment war ein starker Lohn»
Für ihn ist nach der WM an diesem Wochenende in Irland Schluss. Urs Brändli wird neuer U23-Trainer. «Er ist ein geeigneter Nachfolger», sagt Strebel. Er will kürzertreten, weil er mittlerweile Grossvater geworden ist. Zeit mit dem Enkel, Zeit mit der Frau, Zeit für die Familie. Darauf freut er sich enorm. Dazu stehen bei der Landi Freiamt einige Projekte an, die ihn zusätzlich einnehmen. «Ein Jahr lang möchte ich volle Pause vom Seilziehen», lacht er. Und man spürt, er wird nie ganz wegkommen von dieser Sportart. «In Zukunft sind eine Hilfestellung oder eine kleine Aufgabe durchaus möglich», so Strebel.
Der 57-Jährige opferte viel Freizeit für den Sport. Und Geld. Denn die Kosten, die bei einem internationalen Turnier entstehen, werden von den Seilziehern praktisch alleine getragen. Doch das war sowieso nie ein Thema. Er habe einfach immer das gemacht, was er gerne tat und mit Leidenschaft ausübte: Seilziehen. Im Januar 2020 will er ein grosses Abschlussfest machen. Rund 150 Athleten und Wegbegleiter aus all den Jahren werden kommen. «Darauf freue ich mich», meint Strebel.
Und nun hat er fertig überlegt und sein absolutes Highlight, sein allergrösstes Ereignis seiner unvergleichbaren Karriere als Trainer und Aktiver herausgesucht in seinem Seilzieh-Archiv im Kopf. «Es war im Jahr 2012 im Appenzell», erzählt er, während sein Gesicht mächtig anfängt zu strahlen. «Wir wurden Weltmeister im eigenen Land. Es haben uns über 1000 Zuschauer zugejubelt und angefeuert, was riesig viel ist beim Seilziehen», sagt Strebel und fügt an: «Dieser Moment war ein starker Lohn für all den Aufwand.» Und es war ein Lohn, den er sich redlich verdient hat.
WM in Irland mit Freiämtern
Vom 5. bis 8. September 2019 finden in Castlebar, im Westen Irlands an der Küste zum Atlantischen Ozean, die Titelkämpfe im Seilziehen statt. Bei der Elite finden abwechselnd Welt- und Europameisterschaften statt. Da letztes Jahr in Südafrika die WM durchgeführt wurde, werden dieses Jahr die Europäischen Nationalmannschaften ihre Stärksten erziehen. Damit die Junioren U19 und U23 auf der ganzen Welt gefördert werden, finden seit 2004 alle Jahre Weltmeisterschaften statt.
Waltenschwiler und Sinser
Bei der U23, die von Daniel Strebel trainiert wird, nehmen aus dem Freiamt Pirmin Emmenegger (Waltenschwil) und Jeremias und Johannes Zumbühl (Sins) teil. Alle drei starten auch im Mixed. Bei den Frauen im Mixed starten von Sins Sarah Villiger, Fabiola Zumbühl, Elena Peyer und Corinne Röthlisberger. --red