Neue Wege sind gefragt
20.09.2019 WirtschaftDie Wiederkehr Recycling AG aus Waltenschwil will die Abhängigkeit von Europa verringern
Geht es um Export, ist die Wiederkehr Recycling AG von Europa abhängig. Und Export ist für die Waltenschwiler Firma unumgänglich, seit es in der Schweiz keine ...
Die Wiederkehr Recycling AG aus Waltenschwil will die Abhängigkeit von Europa verringern
Geht es um Export, ist die Wiederkehr Recycling AG von Europa abhängig. Und Export ist für die Waltenschwiler Firma unumgänglich, seit es in der Schweiz keine Kupfer- oder Aluminium- und viel weniger Stahlwerke gibt. Verwaltungsratspräsident und Inhaber Peter Wiederkehr erklärt die schwierige Lage und sucht Lösungen.
Annemarie Keusch
Bei der Beschaffung ist das Problem überschaubar. «Es gibt genug Schrott in der Schweiz, importieren müssen wir selten», sagt Peter Wiederkehr. Er ist Inhaber und Verwaltungsratspräsident der Wiederkehr Recycling AG in Waltenschwil. Anders sieht es beim Export aus. Rund 20 Prozent des Stahls und gegen hundert Prozent des Metallanteils werden exportiert. «Weil es in der Schweiz keine Aluminium- und Kupferwerke mehr gibt.» Warum nicht? Dazu später.
Auch bei den Stahlwerken hat sich einiges getan. Waren es vor rund 30 Jahren noch vier, sind es heute nur noch zwei. «Ist die Zahl weiterhin rückläufig, dann wird es ganz schwierig», weiss Wiederkehr. Dies, weil auch die Werke im Ausland zuerst den Schrott aus ihren Ländern verarbeiten. «Das ist nicht mehr als logisch. Die Transportkosten und damit die Kosten allgemein können tiefer gehalten werden, als wenn die Beschaffung für deutsche Werke beispielsweise in der Schweiz erfolgt.»
Autoindustrie macht die Wirtschaft krank
Komme hinzu, dass der Markt in den letzten Monaten alles andere als einfach sei. «Die Wirtschaft in Deutschland läuft nicht, wie sie sollte», sagt Peter Wiederkehr. Schuld daran sei in erster Linie die Autoindustrie, die grossen Einfluss auf die deutsche Wirtschaft habe. Und Deutschland ist neben Italien und den Beneluxländer eines der wichtigsten Exportländer der Waltenschwiler Firma.
2000 Teile brauche ein mit Diesel oder Benzin betriebenes Auto. Ein wichtiger Absatzmarkt für die Metallindustrie. «Rund 200 Teile braucht ein Elektroauto», vergleicht Wiederkehr. Er hofft auf eine schnelle Entwicklung der Technologie. «Bei Wasserstoffautos sieht es dann wieder anders aus.»
Auf neues Zugpferd setzen
Aber nur warten, das mag Peter Wiederkehr nicht. Vielmehr nimmt er die Zukunft seiner Firma selber in die Hand, sucht neue Absatzmärkte, versucht die Abhängigkeit von Europa und dem schwachen und schwankenden Euro zu reduzieren. Zwar sei er momentan nicht gezwungen, am Standort Waltenschwil Leute zu entlassen. Versprechen, dass dies so bleibt, wenn es in ähnlichem Stile weitergeht, kann Wiederkehr den 90 Mitarbeitenden aber nicht.
Also sucht er neue Wege. Ein Ziel etwa sei es, den asiatischen Markt besser «aufzumachen». Ein wichtiger Faktor für das weitere Bestehen sei aber die neue thermische Recyclinganlage, die Pyrolyse. Damit will die Firma vor Ort Strom und Dampf gewinnen, «viel Strom und Dampf». So kann das Projekt eines Fernwärmenetzes in der Region in die Hand genommen werden. Rund 180 Haushalte könnten damit versorgt werden. Und, für die Recyclinganlage braucht es Stahlröhren, deren Rohstoff die Wiederkehr Recycling AG in Form von eigenem Schrott den Schweizer Stahlgiessereien liefern könnte. «Wir würden mit diesem Projekt eine weltweit einzigartige CO2-Quote erreichen – zumindest für einen Recyclingbetrieb», sagt Peter Wiederkehr, der in Bünzen lebt, stolz.
Mehr Sicherheit für Arbeitnehmende
Noch sind diese Pläne nicht Tatsache. Aber Peter Wiederkehr geht noch weiter. Der Grund, dass es in der Schweiz keine Aluminium- und Kupferwerke mehr gibt, liegt in der Rentabilität. Diese ist nur gewährleistet, wenn eine grosse Menge an preiswerter Energie zur Verfügung steht. «Mit der Pyrolyse hätten wir das. Pläne für solche Werke sind im Kopf.»
Sich von der Schrottindustrie verabschieden will Wiederkehr keinesfalls. «Nur weg von dieser elenden Abhängigkeit», sagt er. Eigene Werke zu bauen wäre ein wichtiger Schritt dahin. Sich ein zweites Standbein aufbauen sei auch nicht unwichtig. «Damit stärken wir den Standort Waltenschwil», betont er. Und auch die Job-Sicherheit der Mitarbeitenden sei so besser gewährleistet. «Die Pyrolyse läuft während zirka 7200 Stunden im Jahr. Das beschäftigt einige Mitarbeitende.»
Druck auf ganze Branche
In der Schweiz ist die Wiederkehr Recycling AG einer der stärksten Mitbewerber. Auch auf europäischer Ebene, sagt Wiederkehr, sei die Firma technisch führend. «Betrachtet man nur die Menge, sind wir ein kleiner Fisch. Und darum so abhängig.» Genau dies will er ändern. Denn der Druck aus Europa nimmt nicht nur auf die Firma, sondern auf die ganze Branche zu.
«Immer mehr Recyclingfirmen grasen unseren Schrott in der Schweiz ab», sagt Wiederkehr. «Das Material wird nach Basel gefahren und dort verschifft», weiss er. Neue Lösungen, neue Ansatzpunkte, neue Ideen – ohne diese würde die Waltenschwiler Firma also den Gürtel in absehbarer Zeit sehr viel enger schnallen müssen.