Mit Pep und Kult
13.08.2019 BoswilJugend-Sinfonieorchester Aargau begeistert in der Alten Kirche Boswil
Das Programm des Jugend-Sinfonieorchesters Aargau lockt die Zuhörer an diesem herrlichen Sonntagmorgen in Scharen in die Alte Kirche Boswil. Sie alle wollen hören, was die über 60 jungen ...
Jugend-Sinfonieorchester Aargau begeistert in der Alten Kirche Boswil
Das Programm des Jugend-Sinfonieorchesters Aargau lockt die Zuhörer an diesem herrlichen Sonntagmorgen in Scharen in die Alte Kirche Boswil. Sie alle wollen hören, was die über 60 jungen Instrumentalisten unter der Leitung von Hugo Bollschweiler in der Vorwoche an eben diesem Ort eingeübt haben.
Selina Luchsinger
Beschwingt geht es sogleich los. Das Publikum wird mit George Gershwins Ouvertüre zu «Funny Face» in die swingende Ära der späten 20er-Jahre versetzt. Und während man verzückt den schmelzenden Streicherklängen und dem kraftvollen Bläsersound lauscht, hat man sie unweigerlich vor Augen – Fred Astaire und Audrey Hepburn aus dem gleichnamigen Film der 50er. Mit hinreissender Spielfreude bieten die jungen Musiker und Musikerinnen all die luftig-leicht in die Ouvertüre verpackten Hits dar.
In eine andere Sphäre versetzt einen das nächste Werk – und sein Solist, der renommierte Klarinettist Sebastian Manz. Dieser spielt, begleitet von Streichorchester, Harfe und Piano, das längst zu Kult gewordene «Concerto for Clarinet» von Aaron Copland aus dem Jahr 1947. Das Werk beginnt bittersüss – die Streicher tragen die wehmütigen Kantilenen wunderschön vor. Die Kadenz des Solisten nimmt einen verhaltenen Anfang. Die unglaublich lange Solo-Partie, von Manz ganz frei vorgetragen, steigert sich dann jedoch hin zu den wildesten Läufen. Hier kann der Klarinettist seine gesamte Virtuosität demonstrieren. Die Kadenz führt übergangslos in den zweiten Satz hinein, einem freien Rondo, das von lebhaften Jazzthemen beherrscht wird. Rein durch das Aufschlagen der Saite auf dem Griffbrett («slapping basses») und durch geschlagene Harfenklänge wird hier ein Schlagzeug-Sound erzeugt.
Funkenregen entzündet
Sebastian Manz lockt, inspiriert und begeistert Orchester und Publikum gleichermassen mit seinem mitreissenden Spiel. Hier hat einer nicht nur einen Funken – nein, einen ganzen Funkenregen entzündet. Nachdem der tosende Applaus verebbt ist, gibt der Solist die Lorbeeren an die jungen Musiker weiter. «An diesem Stück beisst sich so manches Profi-Orchester die Zähne aus», sagte er an die jungen Frauen und Männer gewandt, «ihr habt nicht aufgegeben und mit viel Geduld an den schwierigen Passagen gefeilt – ihr habt das toll hinbekommen!»
Manz weiss das so genau, weil er während der Probenwoche dabei war und gemeinsam mit dem Dirigenten und den Musikern das komplexe Werk einstudiert hat. Die Zugabe besteht aus einem Klezmer-Musik-Medley, welches Manz arrangiert hat. In diesem dürfen – neben dem Solisten – die drei Klarinettisten des Orchesters glänzen.
Melodien, die ein ganzes Leben abbilden
Eine kurze Verschnaufpause sei den jungen Instrumentalisten gegönnt, denn zum Schluss haben sie ein Werk zu spielen, welches ihre gesammelten Kräfte braucht: Die «Sinfonie Nr. 2 in e-Moll» von Rachmaninow. Das monumentale Stück beinhaltet Melodien, die ein ganzes Leben abbilden; in dieser Komposition hört man, aus wie vielen Zuflüssen der Strom der Musik sich speist. Das Dunkle, Geheimnisvolle, mit sattem Klang gesetzt, ist ebenso da wie das Lieblich-Verzückende, transparent gestaltet. Und im herrlichen Adagio wird das Publikum in einer grossen Steigerungssequenz durch verschiedene Tonarten geführt, bis dieses auf dem Höhepunkt in ein glückstrahlendes C-Dur mündet.
Opulenz und Dramatik; spannende perkussive Elemente – rhythmisch nicht einfach. Und im Schluss-Satz, da hört man Jazziges, neben betörend Schmelzendem, bevor es mit Pauke, Posaunen und Trompeten ins schwindelerregende Finale geht. Beeindruckend, was Hugo Bollschweiler mit seinen über 60 jungen Musikern hinbekommen hat. Chapeau für dieses mutige Programm mit Pep und Kult.