Vom Lehrer zum Kundenberater
25.06.2019 SchuleNach 30 Jahren an der Schule in Waltenschwil orientiert sich Friedl Schütz beruflich neu
Mit 21 Jahren, frisch ausgebildet als Lehrer, kam Friedl Schütz nach Waltenschwil. Schon vor einem Jahr senkte er sein Pensum als Lehrer massiv, nun hört er ganz auf und ...
Nach 30 Jahren an der Schule in Waltenschwil orientiert sich Friedl Schütz beruflich neu
Mit 21 Jahren, frisch ausgebildet als Lehrer, kam Friedl Schütz nach Waltenschwil. Schon vor einem Jahr senkte er sein Pensum als Lehrer massiv, nun hört er ganz auf und wird Kundenberater im Aussendienst. Der Wechsel kam nicht, weil ihm das Lehrersein «verleidet» ist.
Annemarie Keusch
Weniger Ferien, das hat Friedl Schütz. Die 13 Wochen unterrichtsfreie Zeit, die er in den 30 Jahren als Primarlehrer genoss, werden durch sechs Wochen Ferien ersetzt. «Ich hatte im letzten Jahr nicht das Gefühl, zu wenig frei zu haben. Im Gegenteil», sagt der 51-Jährige. Seit einem Jahr ist er noch während einem Tag als Fachlehrer an der Schule tätig. Die restliche Zeit ist er als Kundenberater im ganzen Mittelland unterwegs.
Auch wirklich frei zu haben in den Ferien, darauf hat er sich gefreut. Keine Prüfungen korrigieren, nichts vorbereiten. «Es ist ein anderes Geniessen», betont er. Erst mit dem Blick zurück sei ihm bewusst geworden, wie viel er in den letzten Jahren gearbeitet habe. «Lehrer machen viel mehr Überstunden, als man denkt», ist der Waltenschwiler überzeugt.
Alternative wäre Buchhalter gewesen
Das war aber nicht der Grund, der Friedl Schütz zum Wechseln des Berufsfeldes getrieben hat. «Ich fand und finde den Lehrerberuf noch immer attraktiv», sagt er. Diesen Weg eingeschlagen zu haben, das habe er nie bereut. «Wenn es mir für das Semi nicht gereicht hätte, wäre ich Buchhalter geworden. Und ich bin nach wie vor sehr froh, habe ich es ans Semi geschafft», meint er schmunzelnd.
Klar, ein Auf und Ab sei es immer gewesen, «je nach Kindern und Eltern». Aber die Arbeit mit den Jugendlichen habe ihm immer gefallen. «Vielleicht liegt es daran, dass ich in einem sozialen Umfeld aufgewachsen bin», sagt Schütz. Seine Eltern führten ein Jugendheim, er wuchs quasi dort auf. Als Lehrer der Mittelstufe hat Schütz seine berufliche Heimat gefunden. «Ich konnte sie weitergeben, wenn sie in die Pubertät kamen», sagt er und lacht. «Und für die Erstklässler hätte ich wohl zu wenig Geduld.» Die Mittelstufe sei ideal, den Kindern etwas beizubringen, befriedigend. Auch Übertrittsgespräche seien in der dritten und der vierten Klasse kein Thema.
Trotzdem kehrte Schütz vor einem Jahr dem Klassenlehrerdasein den Rücken. Er habe sich schon immer für Informatik interessiert, das betont er mehrmals. Von einer Pharmaunternehmung organisierte er beispielsweise die ersten 15 Computer für die Schule Waltenschwil. Auch Weiterbildungen brauchte er regelmässig. Vor sechs Jahren etwa absolvierte der 51-Jährige die Schulleiterausbildung. Gleichzeitig wurde es aber für ihn immer schwieriger, auf ein Vollzeitpensum als Lehrer zu kommen. «Weil ich keine Sprachen unterrichte, war das fast ein Ding der Unmöglichkeit», sagt er.
Von der einen die Klasse, von der anderen die Wohnung
Mit technischen Neuerungen hat sich Schütz immer auseinandergesetzt. Das Programm «Lehrer Office» führte er in Waltenschwil ein und kümmert sich heute noch intensiv darum. Nun kehrt Schütz den Spiess um. Die Tätigkeit bei «Lehrer Office» wird zu seinem Beruf. Als Kundenberater ist er im Mittelland unterwegs, installiert das Programm, schult die Lehrer, das Sekretariat. «Ich bleibe also mit der Schule verbunden.»
Verbunden fühlt sich Friedl Schütz auch mit Waltenschwil. Und das quasi von der ersten Minute an. Die Schule wechseln wollte er nie. «Das Gesamtpaket stimmte über all die Jahre so gut, dass ich nie wegwollte.» Schütz spricht das Lehrerkollegium an, das mit vielen Langjährigen und einigen Jungen bestens harmoniere.
Aber auch weggezogen vom Dorf hat es ihn nie. Direkt nach der Ausbildung trat er die Stelle in Waltenschwil an und zügelte auch bald vom oberen Zipfel des Bezirks Muri in den untersten. «Die erste eigene Klasse, der erste eigene Haushalt, das war Stress pur.» Heute kann Schütz darüber lachen, auch über die Tatsache, dass er von einer abtretenden Lehrerin die Klasse und von einer anderen die Wohnung übernahm.
Viele Veränderungen miterlebt
Schütz fühlt sich in Waltenschwil heimisch, war lange Teil der Feuerwehr. Seit zwei Jahren ist er Ortsbürger. «Ich fühle mich einfach wohl hier. Und ich lebe schon so lange hier, wie ich nirgendwo anders gelebt habe», sagt der Sohn österreichischer Eltern. Dass er an der Ortsbürgergemeindeversammlung selber ein traditionelles österreichisches Dessert buk, zeugt von seiner Verbindung zu den Wurzeln und zur neuen Heimat.
Die Einführung der Blockzeiten, die Abschaffung der Sechs-Tage-Woche, zwei neue Lehrpläne, die Einführung des Schulleitungssystems – Friedl Schütz hat in seiner Karriere als Lehrer einiges miterlebt, «Positives wie Negatives». Nun zieht er sich aus der Schule zurück, zumindest aus dem Lehrerberuf. Auch bei der Feuerwehr gab er den Austritt. «Jetzt gehört das Leben wieder uns», sagt Schütz, der mit seiner Frau in Waltenschwil lebt. Er freue sich darauf, nicht mehr so viele Termine wahrnehmen zu müssen. Die Hobbys aber bleiben: Motorradfahren, Fliegen, Kochen. Und auch ein Termin bleibt: Einmal wöchentlich fährt er als Freiwilliger eine Frau ins Behindertensport-Training nach Aarau.