Fit und gesund
14.06.2019 GesundheitIn der Beilage «Thema» wird der Frage nachgegangen, wie man am besten «Fit und gesund in den Sommer» kommt. In den Regionen Wohlen, Bremgarten und Muri wurde so das Augenmerk einer besonderen Geschichte gewidmet. So wird in Bünzen das Wassertreten thematisiert und in ...
In der Beilage «Thema» wird der Frage nachgegangen, wie man am besten «Fit und gesund in den Sommer» kommt. In den Regionen Wohlen, Bremgarten und Muri wurde so das Augenmerk einer besonderen Geschichte gewidmet. So wird in Bünzen das Wassertreten thematisiert und in Wohlen ein Coach befragt. In Zufikon wird der Vitaparcours besucht. Den Auftakt der Beilage machen die Ärzte aus dem Spital Muri, sie beantworten die Frage: «Wie gesund sind wir Schweizer?» --sab
«Übergewicht ist ein soziales Problem»
«Fit und gesund in den Sommer»: Interview rund um die Gesundheit und zum Thema krankhaftes Übergewicht
Viele Menschen leiden an Übergewicht oder gar Fettleibigkeit (Adipositas). Dass es diesen Betroffenen aber einfach an Disziplin für ein gesundes Leben fehlt, dem widersprechen die Ärzte Markus von der Groeben, Leitender Arzt Chirurgie, und Gerfried Teufelberger, Chefarzt Chirurgie, vom Spital Muri.
Sabrina Salm
Wie gesund sind wir Schweizer?
Gerfried Teufelberger: Grundsätzlich sind die Schweizer sehr gesund. Das fällt mir besonders dann auf, wenn ich es mit früher vergleiche. Wir sind fitter und werden älter.
Markus von der Groeben: Die körperlichen Gebrechen werden weniger.
Gerfried Teufelberger: Dafür fällt auf, dass die psychischen Beschwerden mehr vorhanden sind.
Wie meinen Sie das?
Gerfried Teufelberger: Der gesellschaftliche Druck und der Druck, den man sich selber macht, sind grösser und belasten. Die Menschen sind in vielen Belangen gestresster.
Halten wir also fest, die Schweizer sind grundsätzlich fit und gesund. Trotzdem steigt die Anzahl der adipösen Bevölkerung seit den 80er stetig.
Gerfried Teufelberger: Das stimmt. Aber im Vergleich sind wir in der Schweiz gut unterwegs. Hier ist der Durchschnitt schlanker als sonst in Europa.
Was sind die Gefahren von Adipositas?
Markus von der Groeben: Die Nebenerkrankungen sind vielseitig. Diabetes und Bluthochdruck sind nur zwei Beispiele. Die Gefahr eines Herzinfarkts oder eines Hirnschlages steigt. Auch ist Adipositas assoziiert mit mehr Krebserkrankungen.
Gerfried Teufelberger: Nicht zu vergessen ist der psychologische Aspekt. Die soziale Ausgrenzung, unter der die Betroffenen leiden, der Rückzug der Erkrankten aus dem Leben oder auch der unerfüllte Kinderwunsch sind solche Beschwerden.
Wer ist vom extremen Übergewicht betroffen?
Markus von der Groeben: Da gibt es verschiedene Ansätze und viele Einflüsse spielen zusammen. Viele Menschen mit massivem Übergewicht hatten schon als Kind mit dem Gewicht zu kämpfen.
Gerfried Teufelberger: Aber auch viele Frauen sind nach einer Schwangerschaft davon betroffen. Die meisten unserer Patienten sind zwischen 28 und 45 Jahre alt. Auffallend ist auch, dass viele aus Schicht mit eher geringem Einkommen betroffen sind.
Wann kommt eine OP in Frage?
Markus von der Groeben: Wir klären unsere Patienten sehr genau ab. Bevor sie operiert werden, müssen sie zur Ernährungsberatung, zum INternisten und zum Psychiater, und es werden noch andere Abklärungen getroffen. Der Bodymassindex muss bei 35 Kg/m2 liegen und sie müssen kumulativ mindestens zwei Jahre Diäten gemacht haben.
Gerfried Teufelberger: Die Operation ist der letzte Schritt in einer meist langen Karriere von Bemühungen, um Gewicht zu verlieren. Die Operation ist mit Risiken verbunden und viele haben Angst davor. Mit 1 Prozent, zwei Patienten pro Jahr, die schwere Komplikationen erleiden, auch verständlich. Aber die Operation ist eine unserer Hilfestellungen für ein neues Leben.
Markus von der Groeben: Und die ein- bis zweistündige OP ist erst der Anfang. Danach kommen Nachkontrollen und weiterhin andere Programme wie Ernährungsberatung oder Selbsthilfegruppen. Der Patient selber hat die grösste Arbeit. Der Eingriff ist aber eine Motivation für sie.
Danach ist man für immer schlank?
Gerfried Teufelberger: Ganz schlank werden sie dadurch nicht. Ausserdem ist die Rückfallquote mit 15 Prozent relativ hoch.
Warum?
Gerfried Teufelberger: Weil man ja trotzdem noch essen muss. Und die Verführung ist gross. Ein gesundes Mass zu finden ist schwierig für die Erkrankten. Besonders nach zwei Jahren, wenn sich der Körper wieder an die neuen Umstände gewöhnt hat.
Markus von der Groeben: Deshalb ist die Begleitung der Patienten auch nach der OP so wichtig. Und noch wichtiger ist, dass der Betroffene für immer seine Ernährung, also seine neue Lebensweise, anpasst.
In der allgemeinen Wahrnehmung gibt es die Meinung, dass Adipositas selbst verschuldet ist. «Die müssen halt nicht so viel essen und mehr Sport machen. Dann wird man nicht so dick», könnte eine der Aussagen sein. Was sagen Sie dazu?
Markus von der Groeben: Adipositas ist eine Krankheit. Die Stigmatisierung der übergewichtigen Menschen ist noch sehr hoch. Was falsch ist. Adipositas wird nicht als Krankheit wahrgenommen, dem müssen wir entgegenwirken. Vieles ist durch Hormone gesteuert. Ihnen fehlt zum Beispiel ein Sättigungsgefühl. Somit wird das Masslose zum Problem.
Gerfried Teufelberger: Sie werden einfach zu schnell in eine Schublade gesteckt und als faul und undiszipliniert betitelt. Die Abkanzlung der Betroffenen darf nicht sein. Jeder von ihnen hat eine Geschichte und viel Leid durchgemacht. Da kann man nicht einfach einen solchen Stempel aufdrücken. Sie können nicht mehr aus eigener Kraft abnehmen. 40 Kilogramme alleine runter zu bekommen ist eine Rarität. Und durch Sport nimmt niemand mit hohem Übergewicht ab. Klar wird man durch Sport fit und er wirkt unterstützend bei der Gewichtsreduktion, aber alles läuft über die Ernährung.
Aber in der heutigen Zeit sollte doch jeder wissen, was gesunde Ernährung ist.
Gerfried Teufelberger: Dem ist aber nicht so. Oder anders gesagt, es fehlt vielen die Zeit, sich gesund zu ernähren.
Markus von der Groeben: Und auch das Geld. Gesundes Essen ist teurer als Fast Food.
Gerfried Teufelberger: Für gesunde Ernährung braucht man Zeit, eine gewisse Einsicht und die finanziellen Möglichkeiten. Und diese Punkte fehlen bei vielen. Die Lebenssituationen lassen das zum Teil nicht zu.
Also ist es ein Gesellschaftsproblem?
Gerfried Teufelberger: Im gewissen Sinne ja. Übergewicht ist ein soziales Problem. Die ganze Geschichte ist sehr komplex. Wir haben, wie gesagt, immer weniger Zeit zum richtig gesund zu essen, werden im Alltag immer unbeweglicher und sitzen nur vor den Bildschirmen und Smartphones, und das zieht sich das ganze Leben hindurch.
Markus von der Groeben: Im Grunde genommen ist es eine gesellschaftliche Herausforderung und keine medizinische Problematik.
Gerfried Teufelberger: Wir schöpfen nur die Spitze des Eisberges ab, für diejenigen die extrem darunter leiden. Aber es ist nicht die Lösung des Problems.
Was ist dann die Lösung?
Markus von der Groeben: Eine Lösung zu finden ist nicht so einfach in unserer Gesellschaft. Alles ist im Übermass und jederzeit vorhanden. Wie bereits erwähnt, fehlt vielen das Geld, die Zeit und das Wissen. Die Prävention ist daher ein wichtiger Punkt. Sie sollte eigentlich schon ab Geburt eingesetzt werden.
Gerfried Teufelberger: Praktische und realisierbare Tipps sind gefragt. Das könnte eine Chance der neuen Medien sein, wie zum Beispiel der Apps als Hilfestellung.
Das ist Adipositas
Am 18. Mai ist der europäische Adipositas-Tag (EOD). Adipositas ist eine Ernährungs- und Stoffwechselerkrankung mit starkem Übergewicht, die sich in einer übermässigen Zunahme des Körperfettes mit krankhaften Auswirkungen zeigt. Übergewicht wird mittels des von der Weltgesundheits-Organisation WHO definierten Body-Mass-Indexes (BMI) bestimmt. Bis zu einem BMI von 25 kg/m2 spricht man von Normalgewicht, zwischen 25 kg/m2 und 30 kg/m2 von Übergewicht und ab einem BMI über 30 kg/m2 von Adipositas. Der BMI wird nach folgender Formel berechnet: «Körpergewicht in Kilogramm» geteilt durch «Körpergrösse in Metern» im Quadrat. --red
Persönlich
Dr. med. Gerfried Teufelberger ist Chefarzt Chirurgie und Mitglied der Spitalleitung. Der 56-Jährige ist seit über 11 Jahren im Spital Muri tätig. Dr. med. Gerfried Teufelberger und Dr. med. Markus von der Groeben (47) leiten das dipositaszentrum im Spital Muri.
Das Team des Adipositaszentrums operiert zwischen 160 und 180 Patienten im Jahr. Das Spital Muri ist das grösste bariatrische Referenzzentrum im Kanton Aargau. Von der ersten Beratung, während der Therapiezeit bis hin zur umfassenden Nachbetreuung sind Dres für ihre Patienten kompetente Ansprechpartner.
Im Adipositaszentrum bezieht das Team den Patienten immer umfassend mit in die Behandlung ein. Ernährungsberatung und psychologische Unterstützung begleiten Patienten auf ihrem Weg zu mehr Lebensqualität und Mobilität. --red