Politik in die Pflicht nehmen
03.05.2019 PolitikArsène Perroud und Cédric Wermuth sprachen an der 1.-Mai-Feier im Zeughaussaal
«Mehr zum Leben» lautete das Motto der Gewerkschaften und der SP. Die beiden Festredner in Bremgarten – notabene im Wahlkampfmodus – mahnten ...
Arsène Perroud und Cédric Wermuth sprachen an der 1.-Mai-Feier im Zeughaussaal
«Mehr zum Leben» lautete das Motto der Gewerkschaften und der SP. Die beiden Festredner in Bremgarten – notabene im Wahlkampfmodus – mahnten insbesondere die Klientelpolitik an.
Geht es nach dem Wohler Gemeindeammann Arsène Perroud, dann hat sein jüngster, 13-jähriger Sohn vermutlich das grössere Vertrauen in sich selbst und in die Welt als ein Grossteil der Bevölkerung in die Institutionen der Gesellschaft. «Es kommt dann schon gut, steht ihm auf die Stirn geschrieben. Ein bemerkenswerter Zug, den er hoffentlich nie verlieren wird. Und auch wenn es nicht immer der einfachste Weg ist, den er findet. Aber er geht sehr selbstbestimmt durchs Leben und das ist ihm wichtig», sagte er vor rund 100 Besuchern der 1.-Mai-Feier von SP Bremgarten und Muri im Zeughaussaal.
Arsène Perroud sieht das Vertrauen in die Institutionen als Triebfeder dafür, dass sich die Bevölkerung positiv entwickeln kann. Bei Altersvorsorge, Klimapolitik, bezüglich fairer Löhne, Sicherheit – sieht er schwindendes Vertrauen. «Oder können sie behaupten, dass die Mehrheit der Bevölkerung diese Themen mit Zuversicht begegnen kann? Nein, das können wir nicht behaupten», sagte er. Das müsse man heute und vor allem bei den nächsten Wahlen ändern, so der SP-Nationalratskandidat. Dass Politiker bei einer Studie zu den vertrauenswürdigsten Berufsgattungen noch hinter Fussballern und Versicherungsvertretern auf dem letzten Platz rangieren, stimme ihn nachdenklich. «Es ist die Politik, die Lösungen für die Behebung der Unsicherheiten in der Bevölkerung schaffen muss. Es ist die Politik, die allen Menschen Sicherheit geben muss. Es ist die Politik, die Lösungen für die Herausforderungen der Zukunft aufzeigen muss.» Zu oft werde Klientelpolitik für diejenigen betrieben, die sowieso schon genug hätten, erklärte Perroud.
«Eine verdammte Sauerei»
In ein ähnliches Kerbholz wie Perroud, wenn auch ein ganzes Stück stärker und sogar aggressiver, schlug Nationalrat Cédric Wermuth. Der Shootingstar der Sozialdemokraten, der im Herbst den Bürgerlichen einen Ständeratssitz abspenstig machen will, beschwor mit seinen Ausführungen den Klassenkampf herauf und nahm ebenfalls das Klientel- und Lobbyistensystem ins Visier: «Ziel ist es, dass sich in der Politik dieses Landes fundamental etwas verändert. Zu lange haben wir es zugelassen, dass die Lobbyisten der Grosskonzerne die Politik in Bern entschieden haben. Damit muss und kann Schluss sein. Wir brauchen endlich Politikerinnen und Politiker in den Räten, die nicht Lobbyisten der Grosskonzerne sind, sondern Lobbyistinnen und Lobbyisten der Menschen in diesem Land.» 2019 könne dieses Jahr werden, meint er. Wermuth macht ein Beispiel. Er erklärte, derzeit wollten Bankenlobbiysten wie Thomas Matter durchsetzen, dass Grossbanken in Zukunft Bussen, welche sie im Ausland für ihr Verhalten bekommen, in der Schweiz von den Steuern absetzen können. «Die gleichen Leute, die in der letzten Session 100 000 Menschen die Kinderrente bei AHV und IV zusammengekürzt haben. Bei den Schwächsten der Schwachen holen, um den Reichsten der Reichen zu geben. Das ist eine verdammte Sauerei», redete er sich fast in Rage. Er verwob den Klassenkampf auch mit der Diskussion um das Klima. «Die Klimakrise ist fundamental eine Krise der Ungleichheit.» Es stimme nicht, wir sässen alle im gleichen Boot. Sieben der zehn umsatzstärksten Firmen der Welt verdienten ihr Geld mit fossilen Industrien. Das Problem sei nicht das Plastiksäckli, das man aus der Migros mitnehme. «Sondern, dass wir in einer Welt leben, in der politische und ökonomische Macht so verteilt sind, dass sie die Profitinteressen von einigen wenigen über das allgemeine Interesse der Menschen und des Planeten stellen. Das ist das Problem.» Musikalisch umrahmt wurde die Bremgarter 1.-Mai-Feier von Daniela und Michael Heiniger. Passend zum Anlass sozialkritisch waren die theathermässigen Intermezzi von den Schülern der Kanti Baden. --aw