André Widmer Redaktor.
Frau K. verschenkt Beerenstauden und Zeitschriften oder besucht die über 90-jährige Frau St. Sie weiss, was im weiteren Umfeld unserer Wohngegend passiert. Oft sieht man sie auch im Garten. Trotz des fortgeschrittenen Alters ...
André Widmer Redaktor.
Frau K. verschenkt Beerenstauden und Zeitschriften oder besucht die über 90-jährige Frau St. Sie weiss, was im weiteren Umfeld unserer Wohngegend passiert. Oft sieht man sie auch im Garten. Trotz des fortgeschrittenen Alters macht sie einen agilen, gesunden und aufgeweckten Eindruck. Sie ist so etwas wie die gute Seele des Quartiers. Doch leider ist vor einigen Wochen ihr Mann gestorben. Sie hat sich entschieden, das grosse Wohn- und Geschäftsgebäude mit Umschwung, das sie nun alleine bewohnt, bald zu verlassen und in eine Alterswohnung zu ziehen. «Es wird mir zu viel», begründete sie diesen einschneidenden Schritt.
So wird es Zeit, in unserer Wohnstrasse diesen Sommer wieder ein Nachbarschaftsfest zu organisieren. Das Quartier mit grösstenteils Einfamilienhäusern besteht in den Grundzügen, wie es jetzt ist, seit rund 40 Jahren. Einen grossen Teil meiner Jugend bin ich hier aufgewachsen und vor rund zehn Jahren erneut dauerhaft zurückgekehrt. Rund ein Drittel der Eigentümer im Quartier hat seit den Anfangsjahren gewechselt. Mit den angrenzenden Nachbarn verstehe ich mich sehr gut.
Doch eigentlich ist es erstaunlich: Da reise ich Tausende von Kilometern, um Bekannte oder Freunde wieder mal zu sehen. Doch wer schon zwei, drei Häuser weiter wohnt, der ist mir ziemlich fremd. Die heutige, mir als schnelllebig vorkommende Zeit verleitet mich, bewusst in einen Rhythmus zu geraten. Man kommt von der Arbeit nach Hause, macht die Türe hinter sich zu. An Wochenenden trifft man vielleicht die Verwandten oder Freunde – meistens auswärts – oder geht ins Kino. Termine muss man oftmals mehrere Wochen zum Voraus abmachen. Getaktete Tage mit wenig Gelegenheiten für Spontanes. Oder man nimmt sich die Zeit gar nicht für Spontanes, wenn man sie mal hätte. Ein Schwätzchen mit den Nachbarn kommt so eher selten vor. Schade. Darum ist es auch erfreulich, dass im August endlich wieder ein Quartierfest stattfindet.
Wann war ich eigentlich das letzte Mal im Dorf in einem Restaurant? Gibts noch Stammtische im Dorf, wo einige alte Gasthäuser für immer geschlossen wurden? Das Nahe oder eben die Nachbarn sind einem manchmal fremd. Das müsste nicht sein, wenn man sich etwas mehr Zeit dafür nehmen würde.