Kultur geht durch den Magen
14.05.2019 KulturBegegnung der Kulturen: Singhalesische Spezialitäten treffen auf italienische Kulinarik
Essen ist nicht nur überlebenswichtig. Essen steht für mehr. Das Zubereiten und Verspeisen von Lebensmitteln verbindet und bringt Kulturen zusammen. Gemeinsamkeiten und ...
Begegnung der Kulturen: Singhalesische Spezialitäten treffen auf italienische Kulinarik
Essen ist nicht nur überlebenswichtig. Essen steht für mehr. Das Zubereiten und Verspeisen von Lebensmitteln verbindet und bringt Kulturen zusammen. Gemeinsamkeiten und Unterschiede der jeweiligen Esskultur entdecken Siri Withangee aus Sri Lanka und Graziella Campana aus Italien bei einem Kochabend.
Sabrina Salm
Der Duft von Basmatireis liegt in der Luft. Gewürze wie Kardamom und Curry bahnen sich ihren Weg ebenfalls in die Nase. In der einen Pfanne garen Rüebli und Bohnen, in der anderen Auberginen und Peperoni. In einem weiteren Topf warten rote Linsen darauf, verzehrt zu werden. Unaufhaltsam läuft sich das Wasser im Mund zusammen. Der Magen beginnt zu knurren.
Siri Withangee rührt in den Töpfen. Er hat das Essen der Einfachheit halber zu Hause vorbereitet. «Zu viel» hätte er sonst in die Küche der Rösslimatte «mitschleicken» müssen. Denn singhalesische Spezialitäten brauchen viele Zutaten, damit sie den richtigen Geschmack erzielen. Den authentischen Geschmack. Nur bei der Schärfe hat er sich ein wenig zurückgehalten und dem «europäischen Geschmack» angepasst. «Sonst wäre es für die meisten zu scharf», meint Siri Withangee lachend. «Das hätte uns jetzt nichts ausgemacht», sagt Graziella Campana zu Siri. «Auch bei uns in Italien wird scharf gegessen.» Gleich vertiefen sie sich in ein Gespräch und kommen zum Schluss, dass Chili und Knoblauch in beiden Küchen beliebte Zutaten sind, die nicht zu knapp eingesetzt werden.
Essen gleich Zusammenkunft
Essen hat in Sri Lanka einen hohen Stellenwert. «Beim Essen sparen wir kein Geld. In unserer Kultur ist es das Wichtigste», erklärt Siri Withangee. Der 53-Jährige, der heute in Dottikon wohnt, kam in den 80er-Jahren von Hikkaduwa in die Schweiz. Das Heimweh brachte ihn zum Kochen. «Ich habe das Essen sehr vermisst.» Damals war es deutlich schwieriger, an die heimischen Zutaten zu gelangen. «Sogar für Kokosnussmilch musste ich in einen Feinkostladen», erinnert er sich. Aus der Not machte er schliesslich eine Tugend und avancierte zum Hobby-Koch und stellt sein Können seither immer wieder seinen Freunden zur Verfügung. Nun können auch die Besucher des Fests der Kulturen bereits zum dritten Mal von seiner srilankischen Kochkunst profitieren.
Essen, Essen, Essen. Auch in Italien dreht sich alles um die Zubereitung von Lebensmitteln und das ausgiebige Schlemmen. «Unsere Gastfreundschaft ist in aller Welt bekannt», sagt Graziella Campana und streicht die Ricotta durch ein Sieb. Sie bereitet in der Rösslimatte-Küche «Cannoli siciliani», ein gefülltes Gebäck aus Sizilien, vor. Cristina Damiano (39) hilft ihr dabei. Zur Ricotta wird Puderzucker hinzugefügt. Zu einem Teil mit dunklen Schokoladensplittern und zum anderen Teil mit kandierten Früchten ergänzt. Dann füllt Graziella Campana die Masse in einen Spritzsack und spritzt sie in kleine knusprig frittierte Teigrollen. «Eine Kalorienbombe», meint Cristina Damiano und fügt lächelnd hinzu: «Aber himmlisch.»
Regionale Unterschiede
Besonders zu bestimmten Festen spielt das Essen in Italien eine grosse Rolle. «Aber auch sonst bedeutet Essen für die Italiener Zusammenkommen», erklärt die 63-jährige Graziella Campana. Ursprünglich kommt sie aus Salerno, südlich von Neapel. Ihr Vater war Saisonnier in der Schweiz. Seit 32 Jahren lebt die gelernte Damenschneiderin nun in Wohlen. Sie erzählt, dass viele Gerichte Zeit brauchen. «Somit brauchen wir auch viel Zeit beim Essen. Wir sind Geniesser», lacht sie.
Graziella Campana und Cristina Damiano sind Mitglieder der Gruppe Acli Donna Wohlen. Seit dem ersten Fest «Begegnung der Kulturen» im Jahr 2011 ist die Gruppe jeweils mit einem Stand dabei. Sie bieten selbstgemachtes Handwerk und italienische Spezialitäten an. Pizza, Spaghetti, Lasagne... die Auflistung an italienischen Köstlichkeiten ist schier unerschöpflich. In diesem Jahr konzentriert sich die Gruppe beim Essen aber nur auf Nachspeisen. Neun verschiedene an der Zahl. Klingende Namen wie Pastiera napoletana, Torta della Nonna, Crostata oder Sfogliatelle sind darunter. Dessertklassiker von Nord- bis Süditalien werden angeboten. «Wie in vielen anderen Ländern gibt es auch in Italien regionale Unterschiede der Spezialitäten», sagt Graziella Campana.
Essen verbindet
Beim Kochabend ist auch Priyanka Kanesalingiam aus Wohlen dabei. Sie ist in diesem Jahr für das Ressort Verpflegung beim Anlass «Begegnung der Kulturen» verantwortlich. Sie ist in der Schweiz geboren. Die Eltern der 24-Jährigen stammen ursprünglich ebenfalls aus Sri Lanka. Sie ist Tamilin. Mit Siri Withangee fachsimpelt sie über die Unterschiede zwischen der tamilischen und der singhalesischen Küche. «Das singhalesische Curry ist zum Beispiel nicht so dünnflüssig», fällt Priyanka Kanesalingiam auf. Allgemein ist das Essen aus Sri Lanka sehr multikulturell geprägt. Es hat indonesische, asiatische, portugiesische, holländische und indische Einflüsse. Viel wird nach ayurvedischen Grundsätzen gekocht – viele Gewürze, viel Gemüse und wenig Fleisch.
Liebevoll wird das Essen von Siri Withangee und von Graziella Campana auf Tellern angerichtet. Die vier nehmen am Esstisch Platz und bewundern die kulinarischen Resultate. Dass Priyanka Kanesalingiam dank diesem speziellen Aufeinandertreffen zwischen Sri Lanka und Italien vorkosten durfte, freut sie ungemein. Für das sei sie genau die richtige Person, meint sie lachend, denn sie «liebe essen». Sie freut sich extrem auf das Fest vom 15. Juni. «Besonders freue ich mich natürlich auf die unterschiedliche Kulinarik.» Vieles werde man kennen, vieles auch nicht. «Es wird uns auch die Augen öffnen, dass wir alle gar nicht so unterschiedlich sind. Besonders was den Essgenuss betrifft», meint Priyanka Kanesalingiam und ist überzeugt: «Essen verbindet.» Die anderen pflichten ihr kauend bei.
Stillen von Heim- und Fernweh
Den Bauch vollstopfen können sich auch die Besucher vom Fest «Begegnung der Kulturen». Neben den feinen Speisen aus Sri Lanka und den Köstlichkeiten aus Italien, wird es unter anderem Leckereien aus Portugal, Argentinien, Serbien, Äthiopien, Kroatien oder dem Tibet geben. Zum Glück hat man von 10 bis 17 Uhr Zeit, sich durchzufuttern. An einigen Ständen sogar noch länger. Denn sie bleiben noch zur Jazz-Night offen. Da es am Fest auf dem Sternenplatz neben dem kulinarischen Angebot auch Tanz, Musik und Action gibt, bleibt das Gegessene nicht auf den Hüften liegen. Also kann man ohne schlechtes Gewissen sich einmal um die Welt essen. Die einen können so ihr Heimweh trösten und die anderen ihr Fernweh stillen. Da bleibt nur noch «En Guete» zu wünschen.
Regionales Kulturfest
Am Samstag, 15. Juni, findet in Wohlen die «Begegnung der Kulturen» statt. Es wird mehr als 20 Stände mit kulinarischen Leckerbissen aus aller Welt geben und unterschiedlichste Darbietungen auf der Bühne. Das regionale Kulturfest findet bereits zum fünften Mal statt. Diesmal zum ersten Mal auf dem Sternenplatz in Wohlen in Kooperation mit der ibw-Jazz-Night.
Im Vorfeld zum Fest berichtet diese Zeitung über besondere Begegnungen zwischen den Festteilnehmenden. Jeweils zwei Kulturgruppen/Vereine treffen sich mit einer Aktivität zu einem Gespräch. Beim Gespräch sollen Gemeinsamkeiten sowie Unterschiede aufgedeckt werden. --sab