Am Anfang stand die Selbsthilfe
24.05.2019 BoswilDie Raiffeisenbank Boswil-Bünzen feiert am Wochenende ihren 100. Geburtstag
Eigentlich gibt es sie gar nicht mehr. Rückwirkend per 1. Januar hat die Raiffeisenbank Boswil-Bünzen mit Wohlen fusioniert. Die grosse 100-Jahr-Feier lassen sich die Verantwortlichen ...
Die Raiffeisenbank Boswil-Bünzen feiert am Wochenende ihren 100. Geburtstag
Eigentlich gibt es sie gar nicht mehr. Rückwirkend per 1. Januar hat die Raiffeisenbank Boswil-Bünzen mit Wohlen fusioniert. Die grosse 100-Jahr-Feier lassen sich die Verantwortlichen aber nicht nehmen. Zumal hinter der «Dorfbank» eine bewegte Geschichte liegt.
Annemarie Keusch
Im Nachhinein ist es ein lustiger Zufall. Am Tag selber war es eher tragisch. Es war der 11. Juni 2008 – mitten in Boswil brannte die Raiffeisenbank. Erich Thalmann ist heute Verwaltungsratspräsident der Raiffeisenbank Boswil-Bünzen. Beim Brandfall arbeitete er noch bei einer anderen Bank und als Feuerwehrmann war er im Einsatz gegen die Flammen. «Eindrücklich», blickt Thalmann zurück. Vor allem, weil der lodernde Dachstock im halben Dorf zu hören gewesen sei. Passiert ist schliesslich nicht sehr viel, die Bank selber blieb vom Brand verschont. Getroffen hat es nur den obersten Stock, damals waren darin noch Wohnungen untergebracht.
Auch Margrit Müller, langjährige Mitarbeiterin, blickt auf das Brandereignis zurück. «Genau an diesem Tag war ich an einem Kurs», erinnert sie sich. Die Zeit nachher sei umständlich gewesen, «auf einer Baustelle eben». Bankleiter Daniel Emch spricht von einem grossen Schrecken. Aber auch davon, dass nach dem Brand am Morgen die Bank am Nachmittag schon wieder geöffnet war.
Bilanzsumme von 43 000 auf 282 Millionen Franken
Es ist eines der prägendsten Ereignisse in der hundertjährigen Geschichte der Raiffeisenbank Boswil-Bünzen. Am 25. März 1919 wurde sie im Gasthaus Sternen von 32 Anwesenden begründet. Den Grundstein dafür legten die drei Initianten Lehrer Josef Steigmeier, Buchbinder Josef Huber und Gemeinderat Bernhard Keusch. Als Selbsthilfe-Institut sollte die Darlehenskasse Boswil damals ins Leben gerufen werden.
Bernhard Keusch amtete als erster Präsident. Die Mitgliederzahl stieg im ersten Jahr auf 56. Total wurde mit einer Bilanzsumme von gut 43 000 Franken gewirtschaftet. Die Reserven im Jahr 1919 betrugen knapp 300 Franken. Diese Zahlen haben sich massiv verändert. Aktuell zählt die Raiffeisenbank Boswil-Bünzen 2366 Genossenschafter. Die Bilanzsumme des letzten Geschäftsjahres beträgt 282 Millionen Franken.
Tragisches Ende des ersten vollamtlichen Bankleiters
Ein bewegtes Jahr war 1977. Vorher noch als «Bankstübli» in der Druckerei Huber untergebracht, konnte in diesem Jahr der Neubau bezogen werden. Der damalige Präsident Werner Wiederkehr schreibt in der Festschrift von einem Markstein, der in die Geschichte der Bank eingehen wird. «Ein wichtiger Schritt hin zur neuzeitlich eingerichteten Dorfbank», hielt er fest. 1977 sollte auch das erste Jahr mit einem vollamtlichen Bankleiter werden, damals noch Verwalter genannt. Alois Huber wurde für diese Aufgabe gewählt. Nur antreten konnte er diese nicht. An seinem eigentlich ersten Arbeitstag als Bankverwalter erlag er einer Leukämie-Erkrankung. «Tragisch», weiss Daniel Emch, der 1990 Vorsitzender der Bankleitung wurde und dies immer noch ist.
Hubers Tochter Hildegard übernahm damals ad interim, nachher wurde Paul Buck gewählt, auf ihn folgte Daniel Emch.
Unvergessen bleibt den Raiffeisenmitgliedern auch die Fusion 2001. Die Raiffeisenbank Bünzen-Besenbüren stiess zu Boswil. «Dank dem guten Einvernehmen mit dem Bünzer Bankleiter Josef Huwiler verlief das problemlos», sagt Daniel Emch. Aus zwei kleinen Banken eine grössere zu machen, sei eine Chance gewesen. Mittlerweile gehört Boswil-Bünzen zu Wohlen – um weiterhin eigenständig zu bleiben, war die Bank zu klein. Erich Thalmann weiss: «Die Anforderungen haben massiv zugenommen.»
Drei Tage «Jahr100fäscht»
Auch sonst habe sich in der Bankenbranche einiges verändert. «Wer vor wenigen Jahren von Negativzinsen gesprochen hätte, wäre wohl ausgelacht worden. Mittlerweile sind sie Tatsache.» Auch Daniel Emch nennt ähnliche Veränderungen. Als er 1990 Bankleiter wurde, seien Zinssatzerhöhungen üblich gewesen. «Jetzt geht es fast nicht mehr tiefer.»
An Zinssätze und Zahlen denken die Raiffeisenmitglieder und die Bankleitung an diesem Wochenende nicht. Das Festen steht im Vordergrund. Das «Jahr100fäscht» umfasst einen Konzertabend mit «Heimweh» am Freitag, einen Galaabend am Samstag und einen Brunch am Sonntag. «Dass so viele Mitglieder, teils gar an allen drei Tagen, dabei sind, freut mich sehr», sagt Verwaltungsratspräsident Erich Thalmann. «Alle drei Veranstaltungen sind ausgebucht.»



