Streik statt Kanti
15.03.2019 JugendZwei Schülerinnen erzählen vom Klimastreik
Heute Freitag ziehen sie wieder durch die Aarauer Strassen. Unter den Jugendlichen, die für das Klima streiken, sind auch viele Freiämter.
Pro Klasse durchschnittlich rund ...
Zwei Schülerinnen erzählen vom Klimastreik
Heute Freitag ziehen sie wieder durch die Aarauer Strassen. Unter den Jugendlichen, die für das Klima streiken, sind auch viele Freiämter.
Pro Klasse durchschnittlich rund fünf Schülerinnen und Schüler. So viele fehlten im Januar, am ersten Klimastreik, in der Schule. «Nein, einig sind wir uns längst nicht alle», sagen Amani Christen und Soraya Thashima Rutschmann. Die beiden stehen intensiv für das Klima ein. Eine Teilnahme am Streik ist für sie Pflicht. In der Schule führen sie viele Diskussionen, etwa weil ihre Flyer auf Papier gedruckt sind. «Wir sind erst am Anfang», sagen sie. --ake
Nicht Job der Politiker machen
Schülerinnen und Schüler der Kanti Wohlen beteiligen sich heute am Klimastreik in Aarau
Amani Christen aus Abtwil und Soraya Thashima Rutschmann aus Widen – ihnen liegt das Klima am Herzen. Darum streiken sie heute und fordern die Ausrufung des Klimanotstandes. Damit sind sie Teil einer internationalen Bewegung.
Annemarie Keusch
Soraya Thashima Rutschmann hat es geschafft. Sie ernährt sich vegan. Amani Christen versuchts. «Ich will aufhören, Fleisch zu essen», sagt sie. Der Grund: «30 Prozent der CO2-Emissionen entstammen der Nutztierhaltung.» Nur, so einfach ist das nicht. Amani Christen erlebt es am eigenen Leib. «Meine Mutter kocht bei uns zu Hause und sie kocht auch Fleisch», sagt die 19-jährige Abtwilerin. Davon nichts zu essen wäre ihre Lösung. «Wenn das aber dazu führt, dass mehr Abfälle entstehen, entspricht es auch nicht dem Grundgedanken», sagt sie.
Es ist ein Teil des Problems, mit dem sich die beiden Kantischülerinnen intensiv beschäftigen. «Wir sind besorgt um unsere Zukunft», sagt Soraya Thashima Rutschmann. Der Klimawandel ist schuld daran, die steigende Durchschnittstemperatur auf der Erde die Konsequenz davon. «Niemand unternimmt aus unserer Sicht genug, um den Klimawandel aufzuhalten. Wir wollen, dass etwas gemacht wird, weil wir noch lange auf unserer schönen Erde leben möchten», ergänzt sie.
Konkrete Ideen noch nicht spruchreif
Angesprochen auf konkrete Massnahmen oder Lösungen, sprechen die beiden 19-Jährigen über Klimagerechtigkeit. Darüber, dass entwickelte Länder mehr Schuld am Klimawandel tragen als Entwicklungsländer. «Sie importieren Ware aus der ganzen Welt, was Emissionen verursacht, die vermieden werden könnten», ist Soraya Thashima Rutschmann überzeugt. Die Klimagerechtigkeit gebe es auch innerhalb eines Landes. «Grosskonzerne sind schuldiger als das gemeine Volk», betont Amani Christen.
Nochmals angesprochen auf konkrete Massnahmen, bringen die beiden die Politiker ins Spiel. «Wir sind eine Schülerbewegung – von Primarschülern bis Gymnasiasten. Es ist die Aufgabe der Politiker, Lösungen zu suchen, und nicht unsere», ist Christen überzeugt. Das, was die Bewegung an Aktionen wie dem Klimastreik will, ist Aufmerksamkeit für das Klima. «Wir müssen nicht den Job der Politiker übernehmen.» Konkrete Ideen innerhalb der nationalen Bewegungen seien vorhanden, aber noch nicht spruchreif. «Es sollen schliesslich alle dahinterstehen können.»
Nicht unentschuldigt fehlen
Christen und Rutschmann investieren einen grossen Teil ihrer Freizeit in die Klimadebatte. Und das, obwohl beide in einer entscheidenden Phase an der Kanti sind. Drittklässlerin Christen ist mit Projektunterricht beschäftigt und Viertklässlerin Rutschmann sollte gar tief in den Vorbereitungen auf die Maturitätsprüfungen sein. Trotzdem fehlen heute Vormittag beide im Unterricht, um in Aarau am Klimastreik dabei zu sein. «Natürlich holen wir den verpassten Stoff nach», betonen die beiden. Beide beanspruchen einen der viermal jährlich einsetzbaren Paragrafen 38, der sie für einen halben Tag von der Schule dispensiert. «Wir wollen nicht unentschuldigt fehlen. Es geht nicht darum, gegen die Schule und ihre Organisation zu arbeiten», betont die Widerin Rutschmann.
Politik müsse handeln
Aufmerksam machen, sensibilisieren, aufrütteln – das will die Bewegung rund um den Klimastreik. Dafür gehen Jugendliche aus dem Aargau auch heute in Aarau auf die Strasse. 300 Leute warens am Streik im Januar, jetzt hoffen Christen und Rutschmann auf mehr. «Wir machen weiter, bis sich etwas ändert», betonen die beiden, stellvertretend auch für die ganze Bewegung.
Etwas ändern – viele versuchen das im Kleinen. Auch Soraya Thashima Rutschmann und Amani Christen machen das. «Ich ernähre mich vegan, versuche möglichst auf Plastik zu verzichten», nennt Rutschmann zwei Beispiele. «Ich trenne den Abfall penibel genau und ich versuche, nicht mehr zu fliegen», ergänzt Christen zwei Beispiele aus ihrem Alltag. Die beiden sind aber überzeugt, dass das nicht reicht. «Es braucht Vorlagen, politische Massnahmen. Der Klimawandel muss schneller aufgehalten werden, das geht nur mit umfassenden Massnahmen, an die sich alle halten müssen.»
Dass die Wissenschaft für viele Neuerungen und Alternativen bereit wäre, davon sind die beiden jungen Frauen überzeugt. Und für diese Überzeugung gehen sie mit Hunderten anderen Jugendlichen auch heute in Aarau auf die Strasse. «Weil wir jetzt etwas ändern müssen. Die Zeit läuft uns davon.»
NACHGEFRAGT
«Sie dürfen, wenn...»
Matthias Angst ist Rektor der Kantonsschule Wohlen. Er spricht darüber, wie die Schule mit dem Klimastreik umgeht, und sagt, wie er persönlich zu diesem Thema steht. Angst betont aber auch, dass im Bereich Absenzen der Klimastreik wenig ausmacht.
Herr Angst, dürfen die Wohler Kantischüler heute am Klimastreik teilnehmen und dem Unterricht fernbleiben?
Matthias Angst: Ja, das dürfen sie, sofern sie einen ihrer vier halben Urlaubstage dafür einsetzen. Unentschuldigt fernbleiben dürfen die Schüler dem Unterricht nicht. Was sie an den Halbtagen machen, von denen sie sich mit dem Paragrafen 38 von der Schule dispensieren, ist Privatsache. Der Unterricht findet regulär statt. Natürlich müssen die Schüler den verpassten Stoff nachholen.
Was passiert, wenn Schüler im Unterricht unentschuldigt fehlen?
Dann gibt das einen Eintrag im Zeugnis, wie bei jeder unentschuldigten Absenz. Und es wird disziplinarische Massnahmen geben. Sollte es Einzelfälle geben, werden wir konkret darauf eingehen.
Wie stehen Sie persönlich zum Klimastreik?
Grundsätzlich begrüsse ich es, wenn sich die Jugend engagiert. Die Matura erlangen bedeutet nicht nur, studierfähig zu sein, sondern auch die allgemeine Gesellschaftsreife zu erreichen. Dazu gehört, das eigene Verhalten kritisch zu hinterfragen und sich zu engagieren. Als UNESCO-assoziierte Schule liegt uns das Klima am Herzen, aber natürlich auch die Bildung. Darum ist es unglücklich, dass der Unterricht bestreikt wird.
Welchen Einfluss hat der Klimastreik auf den Alltag der Kanti Wohlen?
Einen marginalen. Solange der Streik nicht jede Woche geplant ist und der Unterricht regulär stattfinden kann, tangiert uns das nur am Rande. Absenzen von einzelnen Schülern beispielsweise wegen Krankheit oder Unfall sind für uns Alltag. Die Grippewelle hatte grössere Auswirkungen, rein was die Absenzen betrifft. Der Klimastreik löst bei uns das normale Vorgehen im Rahmen des Absenzenreglements aus. --ake