Muri: Der Kanzler geht
26.02.2019 Muri23 Jahre lang amtete Erich Probst als Gemeindeschreiber in Muri. In dieser Zeit lernte er die Murianerinnen und Murianer kennen und wurde selber einer von ihnen. Probst erzählt, dass er gar keine Verwaltungskarriere anstrebte und spricht über die Vereinbarkeit seines Berufes mit dem Amt als ...
23 Jahre lang amtete Erich Probst als Gemeindeschreiber in Muri. In dieser Zeit lernte er die Murianerinnen und Murianer kennen und wurde selber einer von ihnen. Probst erzählt, dass er gar keine Verwaltungskarriere anstrebte und spricht über die Vereinbarkeit seines Berufes mit dem Amt als Präsident des FC Muri. --ake
«Viel mehr Murianer als Oltner»
Nach 23 Jahren als Murianer Gemeindeschreiber geht Erich Probst Ende Monat in Pension
Eigentlich ist er Oltner und eigentlich ist er Jurist. Verschlagen hat es ihn trotzdem nach und geworden ist er Gemeindeschreiber und Geschäftsleiter. Erich Probst spricht über die Meilensteine seiner Karriere in Muri, aber auch über die schwierigen Momente und über die Zukunft.
Annemarie Keusch
Herr Probst, warum sind Sie Gemeindeschreiber geworden?
Erich Probst: Das bin ich gar nicht. Eine kaufmännische Ausbildung habe ich keine absolviert. Ich wollte Jurist werden, studierte ein paar Semester in Bern, dann wurde mir die Materie zu trocken. Und ich fuhr sowieso lieber zu Hause in Olten Taxi, als zu studieren.
Den juristischen Weg verfolgten Sie aber weiter?
Ja, das Gerichtsschreiberdiplom holte ich berufsbegleitend nach – das wäre heute nicht mehr möglich. Auf dem Gericht geblieben bin ich trotzdem nicht. Den ganzen Tag nur mit Streitfällen zu tun zu haben, gefiel mir mit der Zeit nicht mehr.
Warum zog es Sie in die Verwaltungsbranche?
Das entstand über Beziehungen in Olten, die ich über meine Engagements beim FC und beim EHC aufbaute. Als die Stelle als stellvertretender Stadtschreiber ausgeschrieben war, bewarb ich mich und wurde gewählt.
Geblieben sind Sie aber auch dort nicht lange.
Das hatte zwei Gründe. Einerseits hielten mich politische Rangeleien im Hintergrund davon ab. Andererseits war ich es leid, in einer Stadt tätig zu sein, in der jeden Monat der Einwohnerrat tagt und alles schriftlich vorund nachdiskutiert werden musste. Ich wollte als Stadtschreiber mehr machen, als Protokolle zu schreiben und Tausende Kopien zu verschicken.
Also zog es Sie nach Muri.
Ja, ich suchte eine mittelgrosse Gemeinde, eine, wie sie Muri ist – ohne Einwohnerrat. Zudem gefiel mir die Vorstellung, im Kanton Aargau zu arbeiten, auch wenn mich das Freiamt, der schwarze Erdteil, anfangs abschreckte. Andere Kantone kamen nicht infrage. Weil sie zu weit weg waren oder weil mir, wie im Beispiel Baselland, der Dialekt eher nicht gefiel.
Welche Erinnerungen haben Sie an diesen Neuanfang in Muri?
Es war eine riesige Umstellung für mich und meine Familie. Wir zogen mit zwei kleinen Kindern nach Muri, ein drittes kam dazu. Alle Freunde und Bekannten liessen wir zurück. Weil meine Frau in Hünenberg aufwuchs und ihr Bruder in Boswil lebte, war aber nicht alles neu. Mittlerweile ist Muri ein Stück Heimat geworden. Ich bin viel mehr Murianer als Oltner. Für Eishockey-Spiele gehe ich aber immer wieder gerne zurück.
Sport ist ein wichtiger Teil Ihres Lebens.
Das war es immer. Schon in Solothurn engagierte ich mich im Fussball- und im Eishockeyclub. Die Arbeit in den Vereinen sagt mir zu. Dass dieses Engagement auch in Muri möglich ist, erfüllt mich.
Sie sind seit rund eineinhalb Jahren Präsident des FC Muri. Gab es nie Zielkonflikte mit dem Amt als Gemeindeschreiber?
Natürlich habe ich im Vorfeld mit Gemeindepräsident Hans-Peter Budmiger darüber gesprochen, ob das überhaupt möglich ist. Zeitlich war es eine riesige Herausforderung, das Amt mit dem Beruf zu kombinieren. Oft sass ich nachts am PC, um für den FC tätig zu sein. Ohne die moderne Technik wäre es nicht möglich gewesen, FC-Muri-Präsident und Gemeindeschreiber in einem zu sein.
Seit Sie 1996 nach Muri kamen, hat sich das Dorf erheblich verändert. Wo nehmen Sie die grössten Veränderungen wahr?
Das stimmt. Die Marktstrasse glich eher einer Holperpiste als einer Strasse. Teile des Klosters kamen einer Ruine gleich. Viel ist passiert, auch politisch. Die Referendumsabstimmung, die erwirkte, dass der Klosterhof nicht mehr nur als Parkplatz genutzt wurde, war ein Meilenstein. Auch dass die Bruttoverschuldung bis auf null abgebaut werden konnte, ist ein grosser Erfolg. Ähnliche Meilensteine gibt es im Industriebereich, wo wichtige Firmen vom Standort Muri überzeugt werden konnten.
Ein gravierender Einschnitt war sicherlich auch die Einführung des Geschäftsleitungsmodells?
Natürlich. Ein erster Schritt dazu war bereits die ISO-Zertifizierung, die wir 2003 anstrebten. Vieles wurde im Zuge dessen klar geregelt, der Werkhof beispielsweise war vorher ein weisses Blatt, klare Richtlinien und Pläne gab es nur wenige. Die Dokumente von damals werden auf den einzelnen Abteilungen noch immer gepflegt. Und 2012 folgte das Geschäftsleitungsmodell. Das bereitete mir viel Freude.
Wie meinen Sie das?
Wir können seither effizienter arbeiten. Die Traktandenliste an Gemeinderatssitzungen ist weniger lang. Die Sitzungen mit der Geschäftsleitung probieren wir hingegen sehr schlank zu halten. Wöchentlich eine Stunde muss reichen, ich als Gemeindeschreiber, der Leiter der Abteilung Bau und Planung und der Leiter Finanzen müssen uns schliesslich auch auf unsere abteilungsspezifische Arbeit konzentrieren können.
Das Geschäftsleitungsmodell machte Sie zum Geschäftsleiter mit mehr Kompetenzen.
Das stimmt. Das machte die Arbeit für mich sehr spannend. Aber klar, Geschäftsleiter zu sein, das kann man nicht lernen. Und für mich ohne kaufmännische Ausbildung war es eine Herausforderung. Bestimmen konnte ich aber nie. Es ist viel mehr eine beratende Funktion. Dass der Gemeindeschreiber mehr Macht hat als der Gemeinderat, das wirkt vielleicht von aussen so, stimmt aber nicht.
Muri nahm diesbezüglich eine Vorreiterrolle in der Region ein. Waren Sie darauf auch stolz?
Vorbildfunktion bringt einen gewissen Stolz mit sich. Ich habe immer gerne Hand geboten, wenn andere Gemeinden das Modell übernehmen wollten, wie es beispielsweise Villmergen 1:1 tat.
Es gab aber auch Projekte, die der Gemeinderat nicht durchsetzen konnte.
Das gibt es überall. Beim flächendeckenden Tempo 30 zum Beispiel war es schlichtweg zu früh, als es der Gemeinderat 2003 vorbrachte. Das führte zu aggressiven Diskussionen im Dorf und schliesslich zur Ablehnung. Ein Blick in andere Gemeinden zeigt aber, dass Tempo 30 noch heute zu hitzigen Diskussionen führt.
Ein anderes Beispiel ist das Projekt Widmen, wo ein neues Gemeindehaus hätte entstehen sollen.
Der Gemeinderat und ich waren wirklich der Meinung, dass das Projekt ein gutes ist. Die «Gmeind» war für viele sehr emotional. Hätte das Stimmvolk Ja gesagt, wären die räumlichen Probleme der Verwaltung heute gelöst. Das Nein galt und gilt es zu akzeptieren. Aber auch die Folgen davon dürfen nicht ausser Acht gelassen werden. Stand heute kostet ein ähnliches Projekt rund vier Millionen Franken mehr.
Ist der politische Ton auch in Muri gehässiger geworden?
Das würde ich so nicht sagen. Ich weiss mittlerweile, wie die Murianerinnen und Murianer ticken. Dass sie sich für die lokale Politik interessieren und auch gegenteilige Meinungen kundtun, ist mehr als wünschenswert. Schwieriger war es in den ersten Jahren meiner Tätigkeit in Muri, als sich die SVP in der Opposition befand. Mit der Integration der Partei in den Gemeinderat ist es um einiges einfacher geworden.
In Muri sind Sie 23 Jahre geblieben. Vorher zogen Sie nach sieben bis acht Jahren an der gleichen Arbeitsstelle weiter. Wie erklären Sie sich das?
Ich hätte ehrlich gesagt nicht gedacht, dass ich so lange in Muri bleibe. Und ich muss auch zugeben, dass es einen Durchhänger gab und ich mit einer neuen Herausforderung in einer Zuger Gemeinde liebäugelte. Mit dem Geschäftsleitungsmodell und den damit neuen Herausforderungen blieb die Begeisterung für die Tätigkeit in Muri.
Am Donnerstag haben Sie nun Ihren letzten Arbeitstag. Verspüren Sie Wehmut?
Nein, auch wenn ich gerne auf der Gemeinde in Muri gearbeitet habe. Ich höre mit zwei lachenden Augen auf. Auch weil mit Hugo Kreyenbühl ein Nachfolger gefunden werden konnte, der Muri kennt und hier auf der Bauverwaltung seine Lehre absolviert hat. Und die Arbeit wird mir auch im Pensionsalter nicht ausgehen.
Was sind Ihre Pläne?
Primär will ich den Frühling geniessen und meine Zeit draussen verbringen, darum höre ich auch einen Monat früher auf als ursprünglich vorgesehen. Fasnacht, Skifahren, Reisen, Freundschaften pflegen, ich habe einiges vor. Natürlich auch mit dem FC Muri.
Persönlich
Erich Probst ist in Dulliken im Kanton Solothurn aufgewachsen. Der 65-Jährige ist verheiratet und Vater dreier Kinder. Probst studierte anfänglich einige Semester Jura, wechselte dann in die Verwaltungsbranche. Seit 1996 ist Probst Gemeindeschreiber in Muri, seit 2012 ist er Geschäftsleiter der Gemeinde. Per 28. Februar geht Erich Probst in Pension. Sein grösstes Hobby ist der FC Muri. Seit eineinhalb Jahren ist er Präsident des Vereins. --ake