Eltern stehen in der Pflicht
22.02.2019 GerichtDer Schüler einer Abschlussklasse der Bezirksschule Wohlen ist der Projektwoche im Juni 2018 unentschuldigt ferngeblieben, weil er mit dem Inhalt der Woche nicht einverstanden war. Daraufhin reichte die Schulpflege Anzeige ein. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten büsste die Eltern mit je 700 ...
Der Schüler einer Abschlussklasse der Bezirksschule Wohlen ist der Projektwoche im Juni 2018 unentschuldigt ferngeblieben, weil er mit dem Inhalt der Woche nicht einverstanden war. Daraufhin reichte die Schulpflege Anzeige ein. Die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten büsste die Eltern mit je 700 Franken mittels Strafbefehl.
Die Eltern akzeptierten den Strafbefehl nicht und standen deswegen vorgestern vor Gericht. Ihr Sohn habe ihnen auseinandergesetzt, weshalb er diese Spezialwoche nicht besuchen wolle. Die Eltern haben ihren Sohn unterstützt und nach Alternativen gesucht. So gehe es nicht, befand Gerichtspräsident Lukas Trost. Die Eltern seien verpflichtet, ihre Kinder regelmässig zur Schule zu schicken. Ob diese wollen oder nicht. --eob
Gesetze sind einzuhalten
Bezirksgericht verurteilt Eltern, weil sie ihr Kind nicht in die Schule geschickt haben
Muss ein Jugendlicher an der Projektwoche der Schule teilnehmen, auch wenn ihm das Thema nicht zusagt? Ja, sagt das Bezirksgericht Bremgarten.
Erika Obrist
«Herausforderung» lautete der Titel der Projektwoche einer Abschlussklasse der Bezirksschule Wohlen im Juni letzten Jahres. Sie wurde zu einer Herausforderung für Jugendliche, Eltern und die ganze Schule.
Der Inhalt der Projektwoche sagt längst nicht allen Jugendlichen und ihren Eltern zu. Vorgesehen war am Dienstag ein Besuch der UMA-Klasse in Aarau. UMA steht für unbegleitete minderjährige Asylbewerber. Am Mittwoch sollten die Erfahrungen aufgearbeitet werden in der Bez-Klasse, für Donnerstag war ein Gegenbesuch aus Aarau in Wohlen vorgesehen. Weil der Widerstand gegen dieses Projekt erheblich war, organisierte die Schule einen Elternabend.
Strafbefehl angefochten
Letztlich wurde die Projektwoche durchgeführt. Vier Kinder nahmen nicht daran teil. Die Schulpflege erstattete Anzeige, die Staatsanwaltschaft Muri-Bremgarten erliess Strafbefehle gegen deren Eltern und alle wurden mit je 700 Franken wegen Widerhandlung gegen das Schulgesetz gebüsst. Zwei Elternpaare haben den Strafbefehl akzeptiert, laut Information der Oberstaatsanwaltschaft Aargau. Einen Fall hat die Staatsanwaltschaft an die Schulpflege Wohlen abgetreten, weil dieses Kind nur drei Tage die Schule geschwänzt hat. Ein viertes Elternpaar hat den Strafbefehl angefochten. Vorgestern fand die Verhandlung vor dem Bezirksgericht Bremgarten statt.
Der Sohn habe die Projektwoche nicht besuchen wollen, erklärte der Vater bei der Befragung durch Gerichtspräsident und Einzelrichter Lukas Trost. Die Argumente des Sohnes hätten ihn und seine Frau überzeugt, so der Vater weiter. «Deshalb haben wir ihn unterstützt.» Die Eltern reichten ein Gesuch ein um Dispensation ihres Sohnes. Gleichzeitig baten sie darum, Alternativen bekannt zu geben, welche für ihren Sohn während der Projektwoche infrage kommen. Die Schulleitung lehnte das Gesuch ab und teilte den Eltern mit, dass der Sohn an der Projektwoche teilnehmen müsse. Daraufhin teilten die Eltern der Schulleitung mit, dass der Sohn in der Projektwoche entschuldigt fehlen werde. In einem weiteren Schreiben informierten die Eltern die Lehrerinnen der Abschlussklasse, dass der Sohn während der Projektwoche zwei Tage im Betrieb des Vaters arbeiten und die anderen drei Tage ein Sozialpraktikum im Reusspark in Niederwil absolvieren werde.
Vorbehalte bezüglich Sicherheit
«Ich habe nichts Unrechtes gemacht», so der Vater, «ich habe meinen Sohn für das Fernbleiben entschuldigt.» Er finde es schade, vor dem Richter sitzen zu müssen, so der Vater weiter. «Die Angelegenheit hätte auch im Gespräch geregelt werden können.»
Für den Sohn sei schon das Vorgehen zur Projektwoche schwierig gewesen, sagte die Mutter. In anderen Klassen hätten die Schülerinnen und Schüler das Thema mitbestimmen können. Zudem hätten mehrere Eltern Vorbehalte angemeldet bezüglich Sicherheit, schliesslich seien in der UMA-Klasse junge Männer. Wo das Problem liege, wollte der Gerichtspräsident wissen. «Die Gewaltbereitschaft könnte stärker sein», so die Mutter. «Niemand hat uns eine Sicherheit geben können», ergänzte der Vater. «Wir haben auch nie gesagt, das seien Terroristen.» Politik habe keine Rolle gespielt, beantwortete der Vater die entsprechende Frage des Richters.
«Beim 16-Jährigen handelt es sich um einen selbstbewussten, anständigen und sehr guten Schüler», so der Verteidiger. Die Eltern hätten ihr Kind nicht abgehalten vom Besuch der Projektwoche; der Junge habe nicht hingehen wollen. «Hätten sie ihn zwingen sollen?», so die Frage des Verteidigers. Auch hätten die Eltern das Fernbleiben des Jungen entschuldigt.
Freispruch beantragt
Eine Projektwoche sei nicht Schule im eigentlichen Sinn, so der Verteidiger weiter, und diese sei von der Schulpflege auch nicht explizit bewilligt worden. Auch sei der Kontakt mit einer UMA-Klasse nicht im Lehrplan aufgeführt und somit kein verpflichtender Lernstoff. Weiter habe der Jugendliche die Schule sehr wohl regelmässig besucht: In den elf Jahren habe er kaum je gefehlt. Somit liege auch keine Verletzung der Schulpflicht vor. Der Verteidiger beantragte daher einen Freispruch mit Entschädigungsfolgen.
Projektwoche ist Schule
Gerichtspräsident Lukas Trost folgte diesem Antrag nicht: Er sprach die Eltern schuldig und bestätigte die Busse von je 700 Franken für den Vater und die Mutter. Dazu kommen nun noch die Gerichtskosten. «Ich beurteile nicht den Inhalt der Projektwoche», so der Einzelrichter. Die Frage laute, ob der Sohn an der Projektwoche teilnehmen müsse. «Ja, er muss», so die Antwort des Richters. Er finde es toll, dass die Eltern ihrem Kind den Rücken stärkten und eine Alternative für ihn gesucht haben. «Trotzdem bleibt es dabei: Er muss in die Schule – ob er will oder nicht.» Den Eltern wäre es möglich gewesen, ihrem Sohn zu sagen, dass er die Projektwoche besuchen muss. Sie haben das nicht getan. «Das ist ein Versäumnis, das bestraft wird.»
Die Schulpflicht bestehe, bis eine Dispensation vorliege; das entsprechende Gesuch sei abgelehnt worden. Der Sohn dürfe seine eigene Meinung haben, «doch die Eltern müssen ihm klarmachen, dass es Gesetze und Regeln gibt, die einzuhalten sind». Gleichzeitig bedauerte Trost, dass der Junge einen derart schlechten Abgang von der Schule hatte.