25 Jahre auf der Bühne
29.01.2019 MusikInterview mit Sängerin Sina
Sie ist eine der erfolgreichsten Mundartsängerinnen. Am Freitag, 1. Februar, bringt Sina ihr neues Album «Emma» heraus.
Die Musikindustrie hat sich in den letzten 25 Jahren sehr verändert. ...
Interview mit Sängerin Sina
Sie ist eine der erfolgreichsten Mundartsängerinnen. Am Freitag, 1. Februar, bringt Sina ihr neues Album «Emma» heraus.
Die Musikindustrie hat sich in den letzten 25 Jahren sehr verändert. Und sie muss es wissen: Mundartsängerin Sina feiert dieses Jahr ihr 25-Jahr-Bühnenjubiläum. 1994 startete die Walliser Sängerin mit ihrer CD «Sina» durch, die mittlerweile mehrfach ausgezeichnet wurde. Seit über zehn Jahren wohnt Sina in Fahrwangen.
Im Interview mit dieser Zeitung spricht die Sängerin über ihre schönen, aber auch über ihre schweren Zeiten, die sie kürzlich durchstehen musste. Ihre Musik hat sich über die Jahre hinweg verändert. Das liegt wohl an der Gelassenheit, die sie jetzt umgibt. Früher war sie aktiv und immer unterwegs. Jetzt nimmt sie sich mehr Zeit, um über alles nachzudenken. Mit uns spricht sie auch über ihren beruflichen Plan B. Denn hätte es auf der Bühne nicht geklappt, wäre sie wohl Kapitänin oder Buschauffeuse geworden. --chg
«Texten ist oft ein Affentanz»
Fahrwangen: Mundartsängerin Sina blickt auf ihr 25-Jahr-Bühnenjubiläum zurück
Seit 25 Jahren ist Sina auf der Mundartbühne. Von der Schweizer Musikszene ist die Walliser Sängerin nicht mehr wegzudenken. Am Freitag, 1. Februar, erscheint ihr neues Album «Emma», das von Mundartsänger Adrian Stern produziert wurde.
Chantal Gisler
Sina, Sie stehen seit 25 Jahren auf der Bühne. Was hat sich an Ihnen und in der Musikbranche seither verändert?
Sina: Ich selber bin sicher gelassener geworden. Dennoch bin ich offen für Zukünftiges und hab die Nase im Wind. Neugierig bleiben ist im schnelllebigen Business wichtig. Die Musikszene war vor 25 Jahren natürlich noch ganz anders. Es gab kein Internet, viel weniger Radiosender. Heute gibt es mehr spartenspezifische Radiosender, dadurch haben die Künstler mehr Möglichkeiten, ihre Hörerschaft zu erreichen. Aber es ist heute schwieriger geworden, erfolgreich zu werden und aus der Masse herauszustechen. Ich hatte Glück, dass ich sozusagen auf der ersten Mundartwelle mitschwimmen durfte und mit meinem Dialekt ein Alleinstellungsmerkmal hatte, da man das Walliserdeutsch im Mundartpop noch nicht so kannte. Die Leute haben vielleicht nicht alles verstanden (lacht), aber es fiel auf. In unserer digitalisierten Welt hat die Musik einen anderen Wert erhalten: Noch nie hat man so viel Musik gehört und so wenig dafür bezahlt. Diese Entwicklung hat für die Musiker auf der ganzen Welt Konsequenzen: Es ist schwieriger geworden, von der Musik zu leben.
Blicken wir auf diese 25 Jahre zurück: Welche Höhepunkte und Tiefschläge haben Sie erlebt?
Der schönste Moment war wohl der, als ich merkte, dass ich die Musik ganz in den Mittelpunkt stellen konnte, ohne mich verbiegen zu müssen. Es ist für mich ein grosses Glück, dass ich meiner Leidenschaft folgen kann. Ein schwieriger Moment war, als wir kurz vor Tourbeginn einen unserer Gitarristen verloren haben. Es war ein Schock für mich, er war erst 40 Jahre alt. Natürlich verschieben sich in solchen Momenten die Wertmassstäbe.
Sie haben kürzlich als erste Frau den Outstanding Achievement Award für Ihr Lebenswerk erhalten. Was bedeutet Ihnen diese Auszeichnung?
Der Preis ist eine Anerkennung, ich freue mich sehr darüber. Er ist für mich eine Wertschätzung für die letzten 25 Jahre, in denen ich Teil der Schweizer Musikszene war. Aber auch eine Motivation dafür, genau so weiterzumachen wie bis jetzt und mich nicht auf die faule Haut zu legen. Es zeigt, dass meine Arbeit geschätzt wird. Es freut mich ebenfalls, als Frau diesen Preis zu erhalten, und ich hoffe, dass es vermehrt Preise gibt, welche die Leistungen von Künstlerinnen anerkennen. Das wäre wünschenswert.
Ihr neues Album «Emma», das am 1. Februar erscheint, wurde von Mundartsänger Adrian Stern produziert. Wie kam es zu dieser Zusammenarbeit?
Adrian und ich kennen uns schon fast 20 Jahre. Er war Gitarrist auf meiner Tour, wir haben zusammen komponiert, Projekte gemacht und er ist auch auf meinem Duett-Album einer der Partner. Die Zusammenarbeit hat sich ganz organisch entwickelt. Ich freue mich sehr darüber, dass er mit meinem Album als Produzent an die Öffentlichkeit tritt. Ich schätze ihn sehr als stilsicheren Musiker und talentierten Songwriter.
Sie schreiben Ihre Texte selber. Woher nehmen Sie die Inspiration dazu?
Textschreiben ist oft ein Affentanz für mich. Es ist der schwierigere Teil, deshalb habe ich in der Vergangenheit meistens mit der Musik begonnen. Dieses Mal war es genau umgekehrt. Ich wollte, dass die Geschichten so viel Platz erhalten, wie sie brauchen, und dass sie den Rhythmus der Lieder bestimmen. Das ist auch der Grund dafür, dass einige Songs teilweise fast sechs Minuten lang geworden sind.
Wie hat sich die Mundartszene in den letzten 25 Jahren entwickelt? Wer sind die «Helden» dieser Szene?
Ich bin mit der Schmetterband aufgewachsen, war ein grosser Fan und habe mich sehr gefreut, dass ich meine erste Studioproduktion mit ihnen aufnehmen durfte. Polo Hofer, aber auch Hanery Ammann haben mich sehr inspiriert. Auf der Suche nach weiblichen Vorbildern stiess ich auf Betty Legler. Sie war für mich damals die Rocklady der Schweizer Musikszene.
Sie sind als Rocklady mit Löwenmähne bekannt geworden. Die Lieder auf Ihrem neuen Album gehen mehr in Richtung Popmusik. Woher kommt dieser Wandel?
Wenn man sich als Mensch verändert, verändert sich auch die Sicht auf die Dinge, die einen beschäftigen. Und damit oft auch die musikalische Ausdrucksweise. Die aktuelle CD «Emma» ist sicher akustischer, folkiger und gitarrenlastiger als ältere Produktionen.
Was wollten Sie als Kind werden?
Ich war ein unsicheres Kind, Sängerin wollte ich aber immer schon werden. Ich war mir da ganz sicher und habe hartnäckig diesen Weg verfolgt. Auch weil ich gespürt habe, dass die Musik ein wichtiger Teil meines Lebens ist, den ich nicht aus den Augen verlieren wollte. Vielleicht ist es auch Walliser Sturheit, die mich so weit gebracht hat. Falls mein Plan nicht geklappt hätte, wäre ich vielleicht Postautochauffeuse geworden wie mein Vater. Oder Kapitänin auf dem Hallwilersee... (lacht).
Auf was sind Sie am stolzesten?
Besonders stolz bin ich darauf, dass ich seit 25 Jahren Teil von diesem Business bin, ohne mich zu verbiegen. Dann bin ich sehr dankbar, Menschen um mich zu haben, die mich auf diesem Weg begleitet haben und es immer noch tun. Ich bin jemand, der lange Freundschaften pflegt. Da muss schon einiges passieren, damit ich eine mir wichtige Beziehung aufgebe.
Gibt es etwas, das Sie bereuen?
Je ne regrette rien. Es ist alles so gekommen, wie es kommen sollte. Es ist, wie es ist, und das ist gut so.
Seit zehn Jahren wohnen Sie am Hallwilersee. Fühlen Sie sich inzwischen mehr als Aargauerin denn als Walliserin?
Ich bin 100-prozentige Walliserin. Aber ich habe mittlerweile zwei Heimaten, der Aargau ist zu einem wichtigen Teil meines Lebens geworden.
Was sind die Vorzüge der Region Hallwilersee?
Die Gegend ist geprägt vom See. Und der ist einmalig. Aber auch die öffentlichen Verkehrsmittel sind super, ich bin schnell in Lenzburg und Zürich. Die Region rundherum gefällt mir sehr gut, beispielsweise das Klosterdorf Muri. Für mich ist der Aargau vor allem ein Ruheort. Ein Ort, an dem ich wieder Kraft tanken kann. Und meine Familie ist hier.
Sie sind 52 Jahre alt und sehen fantastisch aus. Was ist Ihr Geheimnis?
Danke (lacht). Ich denke, die Gelassenheit tut mir gut. In den ersten Jahren in diesem Business war ich sicher viel gestresster. Jetzt nehme ich mir mehr Zeit, um Entscheidungen zu überdenken. Ich schätze, das sieht man mir auch an. Aber ab einem gewissen Alter wird auch das Bühnenlicht wichtiger (lacht).
Sehen Sie sich in zehn Jahren weiterhin auf der Bühne oder denken Sie schon an ein Ende Ihrer Musikkarriere?
Ich sehe mich nirgends anders als auf der Bühne. Es ist mein Beruf, das hört nicht einfach auf. Ein Künstler wird nicht pensioniert – irgendwann wird er einfach nicht mehr angerufen (lacht). Ich sehe im Moment keinen Grund, weshalb ich mit der Musik aufhören sollte.
Wie sehen Ihre Pläne aus – privat und in der Musik?
Jetzt kommt zuerst die Tournee, ab 1. März bin ich mit «Emma» unterwegs. Später ist ein Projekt mit den Argovia Philharmonics geplant. Ebenfalls in Planung ist ein weiteres Projekt mit Kinderliedern. Aber zuerst bin ich mal weg – auf Tour bis Ende Jahr. Und privat wünsche ich mir, dass alles so bleibt, wie es jetzt ist.
Sina ist mit ihrem neuen Album «Emma» ab 1. März in verschiedenen Schweizer Städten auf Tournee – auch im Aargau. Weitere Infos unter www.sina.ch.
Persönlich
Vor 25 Jahren startete Ursula Bellwald aus Gampel im Kanton Wallis als Sina in der Schweizer Mundartszene durch. Ihre erste CD in Mundart mit dem Namen «Sina» hielt sich 23 Wochen in den Schweizer Charts. Die 52-jährige Sängerin hat neun Gold- und zwei Platinauszeichnungen und über 300 000 verkaufte Tonträger. Kürzlich erhielt sie an den Swiss Music Awards eine Auszeichnung für ihr Lebenswerk. Seit über zehn Jahren wohnt die erfolgreiche Mundartsängerin mit ihrem Mann in Fahrwangen.