14-Jährige belästigt
18.01.2019 GerichtDas Bezirksgericht Bremgarten verurteilte einen heute 23-Jährigen Afghanen zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Ausserdem muss er das Land während fünf Jahren verlassen. Der Mann hatte eine Bremgarterin am Wohler Bahnhof angesprochen und sie belästigt. Weiter hatte ...
Das Bezirksgericht Bremgarten verurteilte einen heute 23-Jährigen Afghanen zu einer bedingten Geldstrafe und einer Busse. Ausserdem muss er das Land während fünf Jahren verlassen. Der Mann hatte eine Bremgarterin am Wohler Bahnhof angesprochen und sie belästigt. Weiter hatte er sie auf den Mund und im ganzen Gesicht geküsst. Als sie den Perron verliess und später wieder zurückkam in der Hoffnung, dass der Mann in einen Zug eingestiegen war, setzte sie sich ins Wartehäuschen. Doch der 23-Jährige tauchte wieder auf und belästigte sie weiter, bis sie ihn wegstossen konnte. «Wir haben Sie aufgenommen, als Sie uns um Hilfe gebeten haben», erklärte Gerichtspräsident Lukas Trost. «Aber Sie haben unsere Gastfreundschaft missbraucht.»
«Sie hat sich missbraucht gefühlt»
Bezirksgericht Bremgarten: Ein 23-Jähriger belästigte eine 14-Jährige am Wohler Bahnhof und wird verurteilt
Ein junger Afghane wurde wegen sexuellen Handlungen mit einem Kind und mehrfacher Nötigung schuldig gesprochen. Er muss die Schweiz für fünf Jahre verlassen. Er habe die Gastfreundschaft missbraucht, begründet Einzelrichter Lukas Trost seinen Entscheid.
Chantal Gisler
Es sind happige Vorwürfe, zu denen sich Amir (Name geändert) vor dem Bremgarter Bezirksgericht verantworten muss. Sexuelle Handlungen mit einem Kind, mehrfache sexuelle Nötigung und mehrfache sexuelle Belästigung werden dem heute 23-Jährigen vorgeworfen. Der Ernst der Lage scheint ihm nicht bewusst zu sein. Ganz lässig, fast gelangweilt sitzt er in Trainerhosen, Sneakers und Cap auf dem Stuhl vor Einzelrichter Lukas Trost, die Arme hat er verschränkt. Nachdem Trost ihn gebeten hat, die Kappe abzunehmen, beginnt die Befragung durch den Gerichtspräsidenten. Der Alkohol habe an diesem Tag eine grosse Rolle gespielt, lässt Amir den Dolmetscher übersetzen. Das erste Mal in seinem Leben war er an diesem Tag im Oktober 2017 betrunken. «Ich hatte da seit zwei Jahren keine Arbeit und habe mir Sorgen gemacht», versucht sich Amir zu erklären.
Zusammen mit einem Freund hatte er sich eine Flasche Alkohol gekauft, von der Amir mehr als die Hälfte getrunken hatte. Anschliessend begaben sich die beiden zum Bahnhof, wo Melinda (Name geändert) auf den Zug Richtung Rotkreuz wartete. Amir habe sie beobachtet und sei zu ihr hingegangen, habe sie an der Hand gepackt und sie aufgefordert, ihm ihre Handynummer zu geben.
Sie wurde ein zweites Mal belästigt
Sie sei eingeschüchtert gewesen, sagte Melinda später zur Polizei. In der Hoffnung, dass er sie dann in Ruhe lasse, hat sie ihre Handynummer eingetippt. Doch Amir liess nicht locker, er wollte ihren Namen und ihr Alter wissen. Auch als sie ihm sagte, dass sie erst 13 Jahre alt sei, liess Amir sie nicht gehen. Sie mache sich selbst oft ein Jahr jünger, wenn sie sich unwohl fühle, in der Hoffnung, in Ruhe gelassen zu werden, sagte Melinda der Polizei. Er habe sie aufgefordert, mit ihm nach Hause zu kommen und hielt sie dabei an der Schulter fest, als sie versuchte, sich von ihm loszureissen. «Ich weiss nicht mehr, was ich gemacht habe», versucht sich Amir zu erklären. «Ich habe zu viel getrunken.» Er habe verstanden, dass sie 18 Jahre alt sei. Obwohl sie sich wehrte, küsste er sie auf den Mund und im ganzen Gesicht, fasste ihr dabei an die Brüste und an den Po.
Schliesslich gelang es Melinda, sich zu befreien und wegzulaufen. «Ich wusste nicht mehr, was ich machte», so Amir. Dass er sie geküsst hat, weiss er. An alles andere könne er sich nicht mehr erinnern. «Melinda hat in der Einvernahme gesagt, dass Sie sie nochmals aufgesucht und mit ihr gesprochen haben», rekonstruiert Trost die Situation. Im Glauben, dass Amir nicht mehr am Wohler Bahnhof ist, begab sich Melinda wieder auf den Perron und setzte sich ins Wartehäuschen. Doch dann tauchte Amir wieder auf. «Sie haben sie da erneut belästigt und sie fing an zu weinen», so der Gerichtspräsident. Nein, geweint habe Melinda nie, erklärt Amir. «Dann können Sie sich also doch an den Vorfall erinnern?», hakt Trost nach. «Ich war betrunken und habe einen Fehler gemacht», sagt Amir kleinlaut.
«Mami, du musst schnell kommen!»
«Seit dem Vorfall geht Melinda nicht mehr gerne nach Wohlen», erklärt Trost. «Meinen Sie, dass das nur wegen eines kleinen Küsschens so ist?», fragt der Gerichtspräsident Amir. Nach dem Vorfall sei Melinda am Bahnhof zusammengebrochen. Das Mädchen rief ihren Bruder an und dieser seine Mutter. «Er sagte ‹Mami, du musst schnell kommen!›», erinnert sich Melindas Mutter. «Meine Tochter bricht nicht einfach so zusammen», erklärt sie dem Gerichtspräsidenten. «Sie hat sich von Amir missbraucht gefühlt.» Das Mädchen habe vor der Familie, aber auch vor der Polizei immer wieder beteuert, dass sie das nicht freiwillig gemacht habe.
Rückführung sei unverhältnismässig
Dennoch hat keiner der anwesenden Passanten auf dem Perron eingegriffen, sagt Amirs Anwältin. Die Staatsanwaltschaft habe bei der Anklage nur auf die Aussagen von Melinda zurückgegriffen. Amirs Freund war nie befragt worden, bemängelte sie. «Das zeigt auch die schmale Verfahrensakte.» Ihr Mandant sei in «nicht unerheblichem Mass betrunken gewesen» und kann sich nur bruchstückhaft an das Ganze erinnern. Eine neutrale Aussage fehlt. Auch ob Amir sich bewusst war, wie alt das Mädchen ist, lässt sich nicht gänzlich klären. «Es ist möglich, dass er wegen seiner eingeschränkten Sprachkenntnisse verstanden hat, dass sie schon 18 ist.» Sie forderte, dass er von der sexuellen Nötigung und sexuellen Handlungen mit einem Kind freigesprochen wird. Amir habe sich lediglich der sexuellen Belästigung schuldig gemacht. Da Amir als Flüchtling am Existenzminimum lebt, sei eine Busse von 300 Franken angemessen. Ein Landesverweis, wie von der Staatsanwaltschaft gefordert, sei unverhältnismässig. «Bei einer Rückführung nach Afghanistan droht Amir Gefahr am Leben», so die Verteidigung.
Gastfreundschaft missbraucht
Das sieht Einzelrichter Lukas Trost anders. Er spricht Amir der mehrfachen sexuellen Handlungen mit einem Kind und der sexuellen Nötigung schuldig. Er wird zu einer Geldstrafe von 2700 Franken bei einer Probezeit von zwei Jahren schuldig gesprochen. Ausserdem muss er eine Busse von 600 Franken zahlen und die Schweiz während fünf Jahren verlassen. Lukas Trost glaubt den Aussagen von Melinda, Amirs Aussagen seien sehr sprunghaft und nicht überzeugend. Er sei zum Schluss gekommen, dass Amir den Fehler bewusst und absichtlich gemacht habe. «Wir haben Sie als Flüchtling aufgenommen, als Sie Hilfe brauchten», erklärt Trost seinen Entscheid. «Aber Sie haben unsere Gastfreundschaft missbraucht und uns enttäuscht, deshalb sollen Sie gehen.» Sexuelle Handlungen mit einem Kind sind wohl überall auf der Welt strafbar. «Ich hoffe, dass Sie sich schämen, wenn Sie Ihrer Familie von dem Verfahren erzählen.»