Alles so schön pink hier
14.12.2018 TheaterJugendtheater im Sternensaal Wohlen
Das Stück des Jugendspielclubs infiziert 16+ ist eine Auseinandersetzung mit Geschlechterbildern. Vier junge Schauspielerinnen werden zur Barbie-Puppe und jagen sie durch eine albtraumhafte Verzerrung der Realität, ...
Jugendtheater im Sternensaal Wohlen
Das Stück des Jugendspielclubs infiziert 16+ ist eine Auseinandersetzung mit Geschlechterbildern. Vier junge Schauspielerinnen werden zur Barbie-Puppe und jagen sie durch eine albtraumhafte Verzerrung der Realität, lassen sie auf ihre Schöpferin treffen und gehen der ganz persönlichen Frage nach: Was heisst es, eine junge Frau zu sein? Das Stück mit dem Titel «soooo pink» feiert morgen Samstag Premiere. --chh
Aus der Rolle gefallen
Jugendtheater infiziert 16+ präsentiert am Wochenende das Stück «soooo pink»
Pink ist sozusagen der Inbegriff einer Mädchenfarbe. Oder doch nicht? In ihrem neuen Stück demontierten vier junge Frauen die gewohnten Rollenbilder. Im Zentrum steht die Barbie-Puppe. Und die Frage, was diese mit uns anstellt. Ein Theater, das unter die Haut geht.
Chregi Hansen
«Ich bin mir nicht ganz sicher, ob ich meine Eltern überhaupt zu dieser Aufführung einlade», sagt Stefanie Brem mit einem matten Lächeln im Gesicht. «Es ist teilweise schon etwas hart, was da geboten wird», fügt sie an. Und trifft damit den Nagel auf den Kopf.
Das selbst erarbeitete «sooo pink» ist kein Wohlfühltheater, sondern wühlt auf. Und spätestens dann, wenn die vier jungen Darstellerinnen dem Publikum voller Wut Schimpfnamen für Frauen an den Kopf schleudern, wird es durchaus ungemütlich auf der Tribüne. Auch ein Frauenwitz ab und an kann ja durchaus lustig sein. Wenn er aber wie Maschinengewehrsalven abgefeuert wird (und das erst noch von einer Frau), dann bleibt einem das Lachen schnell mal im Hals stecken.
Schön modellierte Plastikwelt
Auf der Bühne selber geht es um die Barbie-Puppe. Und wie diese das Bild der Frau beeinflusst. Die vier Schauspielerinnen zwischen 16 und 19 Jahren – Amani Christen, Tina Lauener, Stefanie Brem und Chantal Wehrli – schlüpfen immer wieder in ihre rosa Barbie-Kleider, fallen aber auch regelmässig aus der ihnen zugedachten Rolle heraus. Als Puppe leben sie in einer schön modellierten Plastikwelt, in der sich alles einfach so gut anfühlt. Ausserhalb dieser Hülle sind sie mit all den fest zementierten Vorstellungen konfrontiert, welche die Gesellschaft für junge Frauen bereithält. Doch wer sind sie eigentlich wirklich? Diese Frage muss sich jeder selber stellen.
Viel Aufwand betrieben
Das neue Stück des Jugendtheaters infiziert 16+ ist voller Emotionen. Und voller gelungener Bilder. «Das Stück war eine grosse Herausforderung für uns», sagt Barbara Schmid, die zusammen mit Tobias Bienz die künstlerische Leitung innehat. «Wir hatten klare Vorstellungen, wie wir das Ganze präsentieren wollten. Nicht alles war umsetzbar, aber wir wollten unserer Vision so nahe wie möglich kommen.» Musik, Licht und Effekte sind wichtig bei «soooo pink», aber im Zentrum stehen zuletzt doch die vier jungen Frauen und ihr Schauspieltalent. Sie bringen ganz grosse Gefühlswelt auf die Bühne – und scheuen sich nicht, sich selber zum Abziehbild zu machen. Und wenn sie am Schluss ihre eigene Barbie zerstören, zerstören sie auch einen Teil von sich selbst.
«Die Erarbeitung des Stücks war auch für uns Schauspielerinnen sehr spannend», sagt Amani Christen. «Wir haben selber viel gelernt.» Beispielsweise über die Geschichte der Barbie. Die weltbekannte Puppe, die eigentlich Barbara Millicent Roberts heisst, war eigentlich als feministische Alternative kreiert worden, zuvor gab es fast nur Baby-Puppen, mit denen Mädchen sich auf die Mutterrolle vorbereiten konnten. Barbie sollte beweisen, das auch die Frauen Karriere machen können – so gab es für sie in den Anfangsjahren verschiedenste Berufskleider, bis hin zum Arzt. «Du kannst alles werden», heisst es darum im Stück selber. Erst später folgte der Wechsel hin zum Modepüppchen mit ihren Traummassen – jedenfalls aus Männersicht.
Doch kann diese Barbie heute noch ein Vorbild für junge Frauen sein? Mit dieser Frage beschäftigt sich das neue Stück des Jugendtheaters. «Noch heute spielen viele Mädchen mit Barbies», weiss Amani Christen. «Das Thema Geschlechterrollen ist für viele junge Frauen zentral. Das war für uns Anlass, etwas darüber zu machen», sagt Schmid. Dabei konnten sich die Darstellerinnen selber einbringen, das Stück ist ein echtes Gemeinschaftswerk. «Wir haben nicht nur Theater gespielt, wir haben auch viel über uns selber gelernt», ist die Leiterin überzeugt.
Wer will schon eine Puppe sein
Nur gerade vier Schauspielerinnen sind diesmal auf der Bühne zu erleben. Das hat seine Gründe. «Einige der bisherigen Kursteilnehmer sind im Kellertheater engagiert, andere spielen im neuen Kantitheater mit», berichtet Barbara Schmid. Die Doppelbelastung war vielen zu viel. Aber: Einige von denen, welche diesmal nicht auf der Bühne stehen, haben im Hintergrund mitgewirkt. Halfen bei der Technik, bei den Kostümen. «Wir haben eine tolle Truppe», strahlt Schmid. Dank des Sternensaals hatten sie auch einen perfekten Proberaum. «Wir erhalten viel Unterstützung, das ist nicht selbstverständlich», so die Leiterin.
Im Sternensaal wird das neue Stück jetzt auch aufgeführt. Diese Woche laufen die Proben noch auf Hochtouren. Nach dem ersten vollständigen Durchlauf sind die vier jungen Frauen total erschöpft, aber zufrieden. «Ihr dürft noch grösser sein, müsst noch mehr in eurer Rolle aufgehen», gibt ihnen Tobias Bienz mit auf den Weg. Aber wenn nicht alles perfekt läuft – egal. Perfekt ist eben nur die Barbie-Welt. Und wer will schon eine Puppe sein.
Drei Aufführungen
Die «infiziert»-Kurse arbeiten eng mit dem Kellertheater Bremgarten und dem Sternensaal Wohlen zusammen. Die neue Produktion stammt von der Gruppe 16+. «soooo pink» heisst das Stück. Insgesamt drei Vorstellungen sind geplant. Die Premiere erfolgt morgen Samstag um 20.30 Uhr. Weitere Aufführungen finden statt am Sonntag, 16. Dezember, 16.30 Uhr, und am Freitag, 21. Dezember, 20.30 Uhr. Gespielt wird im Sternensaal Wohlen. Eintritt frei, Kollekte.